Der Bundesfinanzhof (BFH) hat über die Klage eines Ehepaares gegen die Ergänzungsabgabe entschieden. Die wichtigsten Punkte des Urteils im Überblick Von Stefan Rullkötter
1. Die Urteilsbegründung
Die obersten Finanzrichter waren nicht von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags für die Jahre 2020 und 2021 überzeugt und wiesen die Klage ab. Bloße Zweifel rechtfertigten keine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht. Nach Urteil des Bundesfinanzhofs hat der Bund schlüssig dargelegt, dass die Wiedervereinigung weiter erhöhten Finanzbedarf verursacht, auch wenn die früheren Solidarpakte zur Finanzierung der Einheitslasten ausgelaufen sind. Der Solidaritätszuschlag darf demnach wegen des erhöhten Finanzbedarfs für die Einheit weiter erheben werden, auch wenn es keinen Solidarpakt mehr gibt. „Eine Ergänzungsabgabe muss nicht von vornherein befristet oder für einen kurzen Zeitraum erhoben werden", sagte BFH-Präsident Hans-Josef Thesling in der mündlichen Urteilsbegründung.
2. Der Hintergrund
Seit 2021 ist der Solidaritätszuschlag (Soli) für rund 90 Prozent der Bürger, die ihn davor alle auf ihre Lohn- oder Einkommensteuer zahlten, abgeschafft. 3,5 Prozent der Steuerpflichtigen müssen die Ergänzungsabgabe als „Topverdiener“ aber weiter in voller Höhe (5,5 Prozent der Einkommensteuer) entrichten – und 6, 5 Prozent als „Gutverdiener“ abgestuft in einer „Gleitzone“. Der Steuerzahlerbund kritisiert den Solidaritätszuschlag deswegen als eine durch die Hintertür eingeführte Reichensteuer. Auch in dieser Hinsicht wies der BFH die Klage ab.
3. Das Musterverfahren
In dem Revisionsverfahren (Az. IX R 15/20) ging es um die Rechtmäßigkeit des Solidaritätszuschlags in den Jahren 2020 und 2021 . Die Entscheidung des Gerichts wurde nach der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2023 in München in einem gesonderten Termin am 30. Januar 2023 verkündet.
4. Die Kläger
Die Kläger waren zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehepartner, Margarete und Andreas Berberich aus Augsburg. Das beklagte Finanzamt hatte ihre Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag ab 2020 in Höhe von vierteljährlich 453 EUR, später 340 EUR, festgesetzt. Die Kläger beantragten (erfolglos) die Herabsetzung der Vorauszahlungen auf 0 EUR. Zur Begründung beriefen sie sich auf das Auslaufen der Aufbauhilfen für die neuen Bundesländer im Jahr 2019. Da der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe nur zur Abdeckung von Bedarfsspitzen erhoben werden dürfe, verbiete dieser Ausnahmecharakter eine immerwährende Erhebung. Den gegen die Ablehnung gerichteten Einspruch wies das Finanzamt unter Hinweis auf seine Bindung an die Steuergesetze zurück.
5. Die rechtlichen Argumentationen
Der Solidaritätszuschlag ist eine Ergänzungsabgabe gemäß Artikel 106 Abs. 1 Nr. 6 d Grundgesetz. Die Kläger waren der Ansicht, dass der – unbefristet erhobene – Solidaritätszuschlag mit dem Auslaufen des sog. Solidarpakts II am 31.12.2019 sowie der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs seine Rechtfertigung verloren habe. Daher verstoße die Erhebung des (verfassungsgemäß) eingeführten Solidaritätszuschlags nunmehr gegen das Grundgesetz.
Demgegenüber begründete der Bund die Fortführung des Soli damit, dass es weiter eine besondere Finanzlast in Folge der Wiedervereinigung gibt, etwa bei der Rentenversicherung oder am Arbeitsmarkt. Das Aufkommen aus der Ergänzungsabgabe lag 2020, also im Jahr vor der Änderung, bei rund 19 Milliarden Euro. Im Folgejahr sank es auf rund elf Milliarden Euro.
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