Die Reform der Grundsteuer sorgt weiter für Verunsicherung. Der Bundesfinanzhof hat aber klargemacht, dass Immobilieneigentümer das neue Recht nicht immer hinnehmen müssen. Steuerberaterin Viktoria Lücke erklärt wichtige Details zu den neuen Steuerbescheiden
Börse Online: Wie groß sind die Chancen für betroffene Immobilieneigentümer, dass eine zu hohe Bewertung der Objekte vom Fiskus nach unten korrigiert wird?
Viktoria Lücke: Sind die Grundsteuerwertbescheide noch nicht bestandskräftig — etwa, weil die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist oder Einspruch eingelegt wurde, der bisher nicht abgelehnt worden ist —, kann ein niedriger gemeiner Wert, zum Beispiel durch ein Sachverständigengutachten, nachgewiesen und beim Finanzamt beantragt werden, auf diesem Wertansatz neue Bescheide zu erlassen. Zudem kann wie in den beiden entschiedenen Einzelfällen ein Antrag auf (teilweise) Aussetzung der Vollziehung gestellt werden.
Werden die Finanzämter hier ab sofort die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs berücksichtigen?
Zwischenzeitlich haben bereits die obersten Finanzbehörden der Länder mit koordinierten Erlassen vom 24. Juni 2024 reagiert. Eine Anpassung der Grundsteuerwertbescheide ist damit, obwohl dies gesetzlich nach wie vor nicht vorgesehen ist, bei einem deutlich geringeren nachgewiesenen gemeinen Wert möglich.
Was bedeutet das konkret für Grundstückseigentümer?
Ob ein geänderter Bescheid erlassen wird, hängt maßgeblich davon ab, in welchem Umfang der gemeine Wert von dem festgesetzten Grundsteuerwert abweicht. Bei nur geringer Abweichung ist weiterhin nicht möglich, dass die Bewertung nach unten korrigiert wird. Bei einer Abweichung von mindestens 40 Prozent sind die Finanzämter durch die Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder angewiesen, den Grundsteuerwertbescheid zu ändern.
Wenn nun aber schon Bescheide vor Monaten ergangen sind, gibt es dennoch Korrekturmöglichkeiten?
Ist die einmonatige Einspruchsfrist bereits abgelaufen oder eine Einspruchsentscheidung ergangen, kann der Steuerpflichtige die Möglichkeit einer Wertfortschreibung nach Paragraf 222 Absatz 1 Bewertungsgesetz nutzen, wenn der nachgewiesene gemeine Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, um mindestens 15 000 Euro von dem Wert des letzten Feststellungszeitpunkts abweicht. Auch hier ist nach den Ländererlassen aber erforderlich, dass der bisher festgestellte Grundsteuerwert um mindestens 40 Prozent über dem nachgewiesenen Wert liegt.
Ist damit durch die BFH-Beschlüsse und die Reaktion der Finanzverwaltung bei der Grundsteuerbewertung alles geklärt?
Die obersten Finanzrichter haben sich zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der neuen Bewertungsvorschriften explizit nicht abschließend geäußert. Gegenstand der beiden entschiedenen Verfahren war zunächst nur die Frage, ob in den beiden Fällen die Aussetzung der Vollziehung zu gewähren war, wofür begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide genügen.
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Zur Person:
Viktoria Lücke ist Steuerberaterin und Fachberaterin für internationales Steuerrecht bei der Kanzlei RSM Ebner Stolz in Köln
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