Neubauprojekte in den Vereinigten Staaten leiden wie Bauvorhaben hierzulande unter hohen Finanzierungskosten. Martin Stoß, Geschäftsführer des Fondinitiators BVT, über aktuelle Chancen für deutsche Investoren in den USA Von Stefan Rullkötter
Börse Online: Herr Stoß, der deutsche Immobilienmarkt leidet unter den gestiegenen Zinsen für Baugeld, hohen Inflationsraten und den Folgen der Energiekrise. Können Sie sich als Anbieter von US-Immobilienfonds davon abkoppeln?
Martin Stoß: Auch in den USA führen Zinssteigerungen und Kostenerhöhungen bei Baumaterialien zwar zu manchen Management-Problemen bei Immobilienprojekten. Die Wirkungen können hier aber gegenläufig sein.
Was bedeutet diese Entwicklung konkret für Ihre laufenden Fondprojekte?
Wir können bei den bereits in Fertigstellung befindlichen Wohnungen von einer erhöhten Mietnachfrage profitieren. Durch die Zinssteigerung wurde für viele US-Bürger ein Eigentumserwerb zu teuer – und sie müssen nun alternativ Wohnraum mieten. Ich erwarte, dass die höheren Mieteinnahmen die Nachteile aus den Zinssteigerungen in Abhängigkeit des Verkaufszeitpunktes der Immobilien kompensieren können. Bei bodennaher Kalkulation spielt unseren Fondsinvestoren die verbesserte fundamentale Nachfragesituation nach Mietwohnungen eher noch in die Hände.
Und was folgt daraus für Ihre geplanten Neubauten?
Für unsere Neu-Projekte müssen wir uns anpassen. Es gibt erste Anzeichen, dass sich die Baukosten-Problematik langsam entspannt. Die Zinsproblematik ist in den kurzen Projektentwicklungszeiten, wie wir sie umsetzen, beherrschbar. Im Wesentlichen kommt es auf die Mietentwicklung und den geplanten Exit-Zeitpunkt an.
Was planen Sie als Anbieter von Publikums-AIFs dieses Jahr bei Neuemissionen?
Wir fokussieren uns bei Immobilien-Publikums-AIF auf Beteiligungsmöglichkeiten an der Entwicklung und Veräußerung von Class-A-Apartmentanlagen in den USA. Im Rahmen unserer Residential-USA-Serie ist ein Folgefonds für Privatanleger geplant, sobald der aktuelle Fonds ausplatziert ist.
Wie krisenresistent ist dieses Marktsegment?
Die Erfahrungen der Vergangenheit haben auch in Krisensituationen gezeigt, dass Investoren in der Assetklasse US-Mietwohnimmobilien gut aufgehoben sind – und attraktive Renditen mit kalkulierbaren Risiken in einem Markt mit wachsender Bedeutung realisieren können.
Wie setzen Sie diese Vorgabe als Initiator konzeptionell um?
Die frühe Partizipation an der Wertschöpfungskette von Immobilien über die Investition in Projektentwicklungen ermöglicht dabei kurz- bis mittelfristige Investments mit geplanten Haltedauern von drei bis vier Jahren von Baubeginn bis zur Veräußerung. Aufgrund der kurzen Mietvertragslaufzeiten von nur einem Jahr beinhalten US-Mietwohnimmobilien - im Gegensatz zu Büroimmobilien bzw. Einzelhandel - auch eine gute Inflationsabsicherung. Kurzfristig mag es hier - wie wahrscheinlich bei allen Assetklassen – zu kleinen Dellen kommen, langfristig sehen wir aber einen deutlichen Nachfrageüberhang und, insbesondere in dem von fokussierten Class-A Sektor, einen stabilen, hohen Cash-flow.
Sind Eigenkapitalfonds derzeit generell im Vorteil gegenüber Zeichnungs-Offerten mit hohen Fremdkapitalquoten von 50 Prozent und mehr?
Natürlich ist eine reine Eigenkapitalfinanzierung auf den ersten Blick sicherer, da Bankenrisiken entfallen. Das spielt bei langfristiger Bestandsfinanzierung, deren ökonomische Risiken wie eben auch Zinsänderungsrisiken über die gesamte Laufzeit nicht vorhersehbar sind, eine wichtige Rolle. Bei den vergleichsweise kurzen Finanzierungen der Projektentwicklung sind Fristenkongruenz und Zinshöhe dagegen abgesichert. Bei den Leverage-Effekten der Projektfinanzierung fällt die Abwägung zwischen Sicherheitseffekten, die auch anders weitgehend beherrschbar sind, und Ertrags-/ Renditegesichtspunkten, als auch regulatorischen Erfordernissen, nach unserer langjährigen Erfahrung zugunsten eines vernünftigen Fremdfinanzierungsgrades von 55 bis 60 Prozent aus.
Wie setzten Sie dies bei Ihren Fondsprojekten konkret um?
Die Finanzierungsstrategie ist ein wesentlicher Bestandteil eines Sicherheiten-Pakets, das wir aus unserer Erfahrung in Krisensituationen wie 2008 heraus insbesondere für unsere Privatanleger schnüren. Gleichzeitig ist die Finanzierung ein wesentlicher Teil der Investitionsstrategie.
ESG ist hierzulande das große Thema in der Immobilienbranche. Welche Rolle spielt die nachhaltige Transformation von Gebäuden derzeit bei Betongold-Investmentes in den USA?
Im Vergleich zu Deutschland, wo der Trend sich bereits durchsetzt, fokussiert die Immobilienbranche in den USA das Thema in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht so stark. Doch gerade im Wohnimmobilienbereich wird in den USA traditionell ein Großteil der Hochbauten bis fünf Stockwerke in Holzbauweise errichtet und damit seit Jahrzehnten nachhaltiges Bauen praktiziert.
Es gibt hier also Unterschiede zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten?
Welche Kriterien Gebäude insgesamt erfüllen sollen, um den deutschen Nachhaltigkeitsbegriff nutzen zu dürfen, ist in beiden Ländern noch nicht einheitlich geregelt. Dadurch verstehen manche Projektentwickler darunter nur die Energieeffizienz, andere schließen soziale Kriterien ein. Orientierung bieten Gütezeichen wie etwa das US-Siegel LEED - Leadership in Energy and Environmental Design. Hier wird bewertet, wie umweltfreundlich der Bau errichtet wurde und wie effizient Ressourcen im Gebäude genutzt werden - auch der Wohnkomfort fließt mit ein. Bei vielen unserer Projekte in den USA sind Nachhaltigkeitskriterien schon jetzt Teil der Planung, etwa der Verzicht auf Neuland-Verschleiß oder die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr. Insgesamt sehen wir gerade im Wohnimmobilienbereich sehr viel Potential für nachhaltig orientierte Investoren in den USA.
Fast alle Parteien in Deutschland haben die „Schaffung bezahlbaren Wohnraums“ in ihren Programmen. Sehen das Demokraten und Republikaner in den USA ähnlich?
Der Bau neuer Wohnungen ist auch in den USA wegen der Wohnungsknappheit einfach von übergeordneter Bedeutung für die Politik, die Wirtschaft und die Bevölkerung. Die hohe Nachfrage nach Mietwohnungen beruht vor allem darauf, dass zunehmend einkommensstarke Haushalte auf den Mietmarkt drängen.
Fühlen Sie sich hier auch als deutsche Fondsinitiator in den USA verpflichtet?
Mit der Entwicklung von Class-A-Apartmentanlagen bedienen wir insbesondere deren Ansprüche. Wir können als deutscher Initiator insgesamt sicher nur einen minimalen Beitrag bei der Schaffung von Wohnraum leisten. Allerdings regeln teilweise regionale Vorgaben im Rahmen der Baugenehmigung, dass bei Neubau-Wohnprojekten ein prozentualer Anteil auch für Mieter mit weniger hohem Einkommen bezahlbar bleibt.
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Zur Person:
Martin Stoß verantwortet als Geschäftsführer den Bereich Immobilien USA bei der Münchner BVT Holding Verwaltungs GmbH und befasst sich insbesondere mit der Entwicklung institutioneller Produkte, die über Luxemburg strukturiert werden. Davir war er Stoß langjährig bei der PGIM Real Estate Luxemburg S.A. in Luxemburg als auch der PGIM Real Estate Germany AG in München, als Executive Director Portfoliomanagement tätig. Er verantwortete hier die Konzeption und das Management geschlossener Immobilienfonds für institutionelle Anleger auf dem europäischen, asiatischen und US-amerikanischen Markt und war zudem mit den damit verbundenen regulatorischen Prozessen betraut.
Zum Unternehmen:
Die BVT Unternehmensgruppe mit Sitz in München und Atlanta bietet als bankenunabhängiger Asset Manager seit 1976 deutschen Privatanlegern institutionellen Investoren Fondsbeteiligungen an Sachwertinvestitionen. Im Fokus stehen die Bereiche Immobilien USA und Deutschland, Erneuerbare Energie und Infrastruktur sowie Private Equity. Mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 7,7 Milliarden Euro und rund 80 000 Anlegern seit Gründung ist BVT einer der erfahrensten Anbieter im deutschen Beteiligungsmarkt
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