Bis vor wenigen Tagen sah alles danach aus, dass die Ölpreise die 100-Dollar-Marke knacken werden. Die Reduzierung der Fördermengen durch Saudi-Arabien und Russland trieben die Notierungen von Brent und WTI aufwärts. Doch mittlerweile wendet sich die Stimmung Richtung Konjunktur-Pessimismus. Das könnte auch ein Zeichen für den Aktienmarkt sein. 

Die Ölpreise haben zuletzt wieder deutlich nachgegeben. Am Donnerstag-Vormittag erreichten sie die niedrigsten Stände seit Anfang September. Zeitweilig kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent weniger als 85 US-Dollar. Der Preis für ein Fass der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) zur November-Lieferung fiel auf unter 82 Dollar.

Die Erdölpreise entfernten sich damit wieder deutlich von ihren mehrmonatigen Höchstständen, die sie in den vergangenen Wochen erreicht hatten (siehe Chart). Getrieben wurden die Preise vor allem durch das knappe Angebot großer Förderländer wie Saudi-Arabien und Russland. Beide Länder hatten am Mittwoch bestätigt, dass sie die Förderkürzungen bis zum Ende des Jahres beibehalten wollen.

10-Monats-Chart Brent-Öl  (Spotpreis in US-Dollar)
Foto: TradingView.com
10-Monats-Chart Brent-Öl (Spotpreis in US-Dollar)

Russland erwägt weitere Reduzierung

Das saudi-arabische Energieministerium bestätigte, dass es seine freiwillige Kürzung des Rohöl-Angebots um eine Million Barrel pro Tag bis zum Jahresende fortsetzen werde, während Russland erklärte, dass es seine Rohöl-Exporte um 300.000 Barrel fortsetzen wolle. Zudem werde im November eine Ausweitung der Produktionskürzung auf täglich 500.000 Barrel geprüft.

In den vergangenen drei Monaten haben Saudi-Arabien und Russland durch die Fördermengen-Kürzungen kräftig verdient. Die Einnahmen sind für die Saudis um 2,6 Milliarden Dollar gestiegen, für Russland um 2,8 Milliarden. Das Wall Street Journal folgerte daraus, dass die Länder ermutigt werden könnten, ihre Förderung noch weiter zu kürzen.

Crack-Spreads sacken ab

Dennoch fallen die Ölpreise. Ein Grund dafür sind die sogenannten Crack-Spreads. Dieser Indikator für die Raffinerie-Margen ist am Mittwoch unter 20 Dollar pro Barrel gefallen – der niedrigste Stand seit etwa anderthalb Jahren. 

Dieser "freie Fall" der Marge deutet darauf hin, dass die zuletzt hohen Preise und Zinssätze die Käufe von Rohöl-Lagerbeständen einschränken und die Wahrscheinlichkeit einer Rezession erhöhen, sagte Jim Ritterbusch, Präsident von Ritterbusch and Associates. "Dies könnte zu einer weiteren Nachfrageschwäche führen, der die Saudis und Russland möglicherweise nicht durch weitere Produktionskürzungen begegnen können", sagte Ritterbusch laut Reuters.

Denkbar für den jüngsten Ölpreis-Rutsch ist auch ein gezielter Versuch von Spekulanten, durch das Brechen der jüngsten Kaufwelle den Erfolg der Förderkürzungen so zu schmälern, dass weitere Maßnahmen dieser Art unterbleiben.

Konjunktur-Pessimismus wächst

Auch jüngste Wirtschaftsnachrichten setzen die Ölpreise unter Druck. Das Wachstum im US-Dienstleistungssektor hat sich im September eingetrübt.
Insgesamt werden die Ölpreise auch durch den wachsenden Konjunktur-Pessimismus belastet. Die Erwartung, dass die Leitzinsen in den USA länger höher bleiben könnten als bisher gedacht, dämpft auch die Erwartungen für die Rohölnachfrage. 

Sollte sich abzeichnen, dass die Konjunktur insbesondere in den USA nicht die erwartete sanfte Landung hinlegt, sondern tatsächlich in eine Rezession abrutscht, dürfte sich der Druck auf die Ölpreise noch weiter erhöhen. Das würde dann auch an den westlichen Aktienmärkten zu weiter fallenden Kursen führen – nicht nur der Öl-Aktien.

Weitere Belastungsfaktoren

Zudem ist die politische Unsicherheit in den USA erneut gestiegen. Die Abwahl des Republikaner-Sprechers Kevin McCarthy beunruhigt die Märkte. Die Wahl eines Nachfolgers wird nicht vor dem nächsten Mittwoch erwartet, womit alle gesetzgeberische Arbeit vorerst auf Eis liegt. Ein beschlossener Übergangshaushalt läuft Mitte November aus. Ist bis dahin kein neues Budget verabschiedet, steuern die USA erneut auf einen Stillstand der Regierungsgeschäfte zu. 

Tendenzielle Belastung kam in den vergangenen Tagen durch den aufwertenden Dollar. Er profitiert von der robusten US-Konjunktur und tendenziell steigenden Zinserwartungen an die amerikanische Notenbank Fed. Steigt der Dollar-Kurs, drückt das zumeist auf die Ölpreise, weil der Rohstoff in der US-Währung gehandelt wird. Interessenten außerhalb des Dollar-Raums müssen daher mehr für ein Barrel Rohöl bezahlen, was die Nachfrage belastet. 

Verbraucher können sich unterdessen über die fallenden Ölpreise freuen. Heizöl hat sich im bundesweiten Schnitt allein seit gestern um 1,8 Prozent verbilligt, wie Erhebungen des Portals esyoil zeigen. Der Heizöl-Durchschnittspreis liegt aktuell bei knapp 108 Euro für 100 Liter bei Abnahme von 3.000 Litern.

(Mit Material von Reuters und dpa-AFX)


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