Der neue Gold-Bericht vom World Gold Council (WGC) hält allerlei Überraschendes bereit. Nur eines der Highlights: Die Zentralbank-Käufe des Edelmetalls setzten sich in einem "halsbrecherischen Tempo" fort. Doch Privatanleger waren im vergangenen Jahr eher auf der Verkäufer-Seite. Das könnte sich als Fehler erweisen...
Gerade hat das World Gold Council seinen Gold-Jahresbericht veröffentlicht. Demnach ist die Goldnachfrage ohne OTC (Over The Counter, außerbörslicher Handel) 2023 gegenüber dem sehr starken Jahr 2022 um fünf Prozent auf 4.448 Tonnen zurückgegangen. Unter Berücksichtigung der beträchtlichen OTC- und Lagerbestands-Ströme (398 Tonnen) war die Gesamtgoldnachfrage im Jahr 2023 mit 4.899 Tonnen jedoch die höchste seit Beginn der Aufzeichnungen. Bemerkenswert: Die Rekordnachfrage wurde trotz der Zinserhöhungen im letzten Jahr erreicht, die Anleihen im Vergleich zu den nicht verzinslichen Vermögenswerten attraktiver machten.
Notenbanken kaufen mehr als 1.000 Tonnen Gold
Vor allem die Zentralbankkäufe hielten ein "halsbrecherisches Tempo" bei, schreibt das WGC. Die jährlichen Gold-Nettokäufe von 1.037 Tonnen erreichten dabei fast den Rekord von 2022, als etwa 45 Tonnen mehr geordert wurden. Mit dem Gold stocken die Notenbanken ihre Devisenreserven auf, quasi die finanzielle Kriegskasse.
Die globalen Gold-Fonds (ETF und ETC) verzeichneten 2023 allerdings mit einem Minus von 244 Tonnen das dritte Jahr in Folge Abflüsse. Das Tempo der Abflüsse verlangsamte sich bis zum Jahresende zwar merklich, aber die hohen Abflüsse im Oktober prägten das Bild des vierten Quartals, so das WGC.
Rückgang der Nachfrage in Deutschland
Bei den jährlichen Barren- und Münz-Investitionen war mit minus drei Prozent gegenüber dem Vorjahr lediglich ein leichter Rückgang zu verzeichnen. "Die sich divergierenden Trends auf den wichtigsten westlichen und östlichen Märkten hoben sich gegenseitig auf", erläutert das WGC.
In Deutschland sind die Nettokäufe von Goldbarren und Goldmünzen durch Privatanleger im Vergleich zum Vorjahr hingegen eingebrochen. Die Nachfrage sank demnach von 185 Tonnen 2022 auf nur noch 47 Tonnen. "Die hohe Inflation, die schwache Konjunktur und die hohen Zinsen haben die Nachfrage nach Goldbarren und Goldmünzen belastet", sagte WGC-Marktstratege John Reade der Finanz-Nachrichtenagentur "dpa-AFX".
Nach dem kräftigen Goldpreis-Anstieg – kurzzeitig verteuerte sich die Feinunze Gold an einzelnen Handelsplätzen auf gut 2.100 Dollar – habe es im vergangenen Jahr verstärkt Gewinnmitnahmen gegeben, so Reade. Einen überdurchschnittlich starken Rückgang der Nachfrage verzeichnete der Branchenverband auch in den Nachbarländern Schweiz und Österreich. Aktuell schwankt der Goldpreis bei knapp 2.040 Dollar.
China kauft
Einen starken Anstieg der Goldkäufe verzeichnete das WGC in China. Nach dem Ende der strengen Corona-Maßnahmen zu Beginn des Jahres 2023 stieg die Nachfrage der chinesischen Käufer von Goldmünzen und Barren um kräftige 28 Prozent auf 280 Tonnen. "Die Immobilienkrise in China und eine Kursschwäche der chinesischen Währung stützte die Nachfrage der chinesischen Privatanleger nach Goldanlagen", sagte Reade.
Colin Hamilton, Analyst bei BMO, sagte zu China in der "Financial Times", Gold befinde sich in einer "neuen Ära", da es nicht mehr mit den realen Zinssätzen korreliere und stattdessen von den Zentralbanken und der Vermögensallokation chinesischer Haushalte angetrieben werde.
Obwohl viele Anleger in Deutschland zuletzt Gold eher verkauften als hinzukauften, stattdessen lieber in Anleihen und/oder Termingeld umschichteten, dürfte die nahende Zinswende das Geld wieder in die andere Richtung treiben. Denn wenn die Konkurrenz durch hohe Zinsen verebbt, gleichzeitig die geopolitischen Risiken nicht kleiner werden, dürfte auch der Goldpreis mittelfristig weiter anziehen. Ein Blick auf den Chart oben zeigt, dass sich seit Herbst ein neuer Aufwärtstrend gebildet hat. Auch die Nachfrage nach Gold seitens der Industrie und der Schmuckbranche dürfte wieder steigen.
Fazit: Gold bleibt ein aussichtsreicher Posten im Depot – und sei es nur als diverisfizierende Ergänzung. BÖRSE ONLINE erwartet gemeinsam mit Rohstoff-Analysten noch im laufenden Jahr neue Goldpreis-Rekorde jenseits der 2.100-Dollar-Marke. (Mit Material von dpa-AFX)
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