Monatelang ging es tendenziell abwärts mit den Gaspreisen in Europa. Doch am Mittwoch explodierte der auch für Deutschland maßgebliche Erdgas-Future zeitweise um 40 Prozent. BÖRSE ONLINE checkt, was dahinter steckt und gibt einen Ausblick, wie es bis zum nächsten Winter weitergehen könnte mit dem Gaspreis.
Der Preis für europäisches Erdgas ist am Mittwoch wegen Angebotssorgen stark gestiegen und hat zeitweilig das höchste Niveau seit April 2023 erreicht. Am Mittwoch-Nachmittag wurde der richtungweisende Terminkontrakt TTF zur Auslieferung in einem Monat an der Börse in Amsterdam zu 42,50 Euro je Megawattstunde (MWh) gehandelt. Das waren etwa 40 Prozent mehr als am Vortag.
Am Donnerstag beruhigt sich der Gaspreis ein wenig. Mit etwa 37 Euro je MWh liegt er aber immer noch etwa 10 Euro über Anfang August. Grund für den Preissprung: Es werde befürchtet, dass ein Streik von Arbeitern in einigen Flüssiggas-Anlagen in Australien zu Lieferengpässen beim sogenannten LNG-Gas führen könnte, hieß es am Markt.
Sorge um schwindende LNG-Ströme
Angesichts der Tatsache, dass die Gasspeicher hierzulande prall gefüllt sind, könnten die LNG-Ströme in andere Länder fließen. Laut jüngsten Daten des europäischen Speicherverbandes GIE betrug der Füllstand in allen deutschen Speichern am 7. August 89,6 Prozent. Die Gasreserven werden seit Monaten nahezu ununterbrochen aufgefüllt und liegen deutlich über dem Vergleichswert des Vorjahres. Gründe für den höheren Stand sind unter anderem Importe von Flüssiggas.
Nun könnten asiatische Abnehmer ihre Gebote für LNG-Importe erhöhen, um mögliche australische Mengenverluste aufgrund der Streiks bei Energieunternehmen wie Chevron und Woodside auszugleichen. Außerdem sind die LNG-Exporte aus den USA nach Asien im September, Oktober und November derzeit rentabler, so dass in diesem Monat weniger LNG verfügbar sein könnte.
US-Gaspreis steigt ebenfalls
Auch in den USA stiegen die Gaspreise deutlich. Hier wird auch auf die Hitze verwiesen, die sich im August fortgesetzt habe und zu einem steigenden Erdgasverbrauch führe. Denn der Stromverbrauch steigt deutlich, weil Klimaanlagen auf Hochtouren laufen. Grundsätzlich befindet sich der europäische Gaspreis seit Ende des vergangenen Jahres in einem Abwärtstrend, wenngleich es immer mal wieder Preissprünge gab.
Experten erwarten, dass sich der Gaspreis an der Terminbörse Amsterdam – keine externen Schocks vorausgesetzt – auf dem erreichten Niveau zwischen 25 und 40 Euro je MWh in den kommenden Monaten einpendeln wird. Die Bundesnetzagentur warnte allerdings in ihrem aktuellen Lagebericht erneut: "Unternehmen und private Verbraucher müssen sich weiterhin auf schwankende Preise und ein höheres Preisniveau einstellen."
Trotz des aktuell kräftigen Anstiegs liegt der Preis für europäisches Erdgas weiterhin deutlich unter dem Niveau, das er kurz vor Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 hatte. In der Spitze wurde im vergangenen Sommer ein Rekordpreis von mehr als 300 Euro je MWh gezahlt. Der Stopp russischer Gaslieferungen hatte Ängste vor einer Energiekrise geschürt. Allerdings hatte Erdgas vor dem Jahr 2021 durchgehend merklich weniger als 20 Euro je MWh gekostet.
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Verbraucher werden durch Gaspreisbremse entlastet
Nach Angaben des Vergleichsportals Verivox liegen die Gaspreise für Neukunden aktuell bei rund 9 Cent pro Kilowattstunde (kWh) brutto. Dieser durchschnittliche Gaspreis bezieht sich auf einen Haushalt mit einem jährlichen Gasverbrauch von 20.000 kWh bei Neuabschluss (Stand: 10.08.2023). Der Preis pro Kilowattstunde enthält sowohl den Arbeitspreis pro kWh und den jährlichen Grundpreis. Wer deutlich mehr als 9 Cent pro kWh bezahlt, sollte seinen Gasanbieter wechseln, empfehlen die Experten. Laut Verivox liegt der durchschnittliche Gaspreis für bundesdeutsche Haushalte derzeit bei 12,5 Cent pro kWh (siehe Verivox-Verbraucherpreis-Index Gas).
Der Staat begrenzt noch bis Ende April 2024 zu hohe Gaspreise. Seit März dieses Jahres wird die Gaspreisbremse eingesetzt: 80 Prozent des Gasverbrauchs, der sich am Verbrauch der Vergangenheit bemisst, werden zu 12 Cent je Kilowattstunde Erdgas bereit gestellt. Diese 12 Cent entsprechen nach Ansicht der Preis-Kommission dem absehbaren Preisniveau der Zukunft. Die Differenz zu den tatsächlichen Marktpreisen übernimmt der Staat. Derzeit liegt der Gaspreis also unter der Marke, ab der der Staat die Kosten bremst.
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Zertifikate auf den Gaspreis
Gas-Privatverbraucher bleiben also von dem starken aktuellen Preisanstieg am Terminmarkt weitgehend verschont. Mutige Anleger haben indes die Möglichkeit, an den Preisschwankungen zu partizipieren. Wer auf weiter steigende Gaspreise wetten will, greift zum Beispiel zu einem Mini Future Long auf den Dutch TTF Natural Gas Future mit der WKN VU67UT (Hebel 2,8)
Wer hingegen wieder fallende Gaspreise erwartet, kann einen Mini-Future Short auf TTF-Gas erwerben – etwa WKN VU8RJY (ebenfalls Hebel 2,8).
(Mit Material von dpa-AFX)