FRANKFURT (dpa-AFX) - Russlands Militärschlag gegen die Ukraine hat den Dax am Donnerstag auf Talfahrt geschickt. Nach einem Absacken zum Handelsauftakt unter 14 000 Punkten erholte sich der deutsche Leitindex zwar rasch eun Stück weit, gegen Mittag allerdings fiel er erneut unter diese psychologisch wichtige Marke. Auslöser dafür dürfte sein, dass nun auch die Indikatoren für die Wall Street auf kräftige Verluste hindeuten.

"Es herrscht Krieg in Europa", sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann von QC Partners in Frankfurt. Dabei treffe die russische Invasion die Börsen zwar nicht unvorbereitet, "trotzdem laufen Schockwellen durch die Kapitalmärkte". Zwar sind sich die Marktexperten einig, dass eine Panikreaktion bislang ausgeblieben ist, doch sei die Nervosität extrem hoch.

Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Bündniskreisen erfuhr, aktiviert die Nato nun ihre Verteidigungspläne für Osteuropa. Der Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte bekommt damit weitreichende Befugnisse, um zum Beispiel Truppen anzufordern und zu verlegen.

Das deutsche Börsenbarometer Dax fiel gegen Mittag um knapp 5 Prozent auf 13 909,71 Punkte. Der MDax der mittelgroßen Werte büßte viereinhalb Prozent auf 30 475,85 Punkte ein. Europaweit wurden ebenfalls starke Verluste verzeichnet. In Asien hatten die Aktienmärkte zuvor bereits deutlich im Minus geschlossen.

Im Sog des Konflikts um die Ukraine war der Dax bereits in den vergangenen Tagen unter Druck geraten. Das Minus seit Jahresbeginn summiert sich nun auf rund 12,5 Prozent. 2021 hatte das deutsche Börsenbarometer noch knapp 16 Prozent zugelegt. Gründe für die Korrektur im bisherigen Jahresverlauf ist abgesehen von der Ukraine-Krise die zunächst in den USA anstehende Zinswende infolge der hohen Inflation.

"Die Reaktion der amerikanischen Marktteilnehmer und wie sich die Politiker aus den USA und China zu der geopolitischen Situation positionieren, wird in den kommenden Stunden wichtig werden", erwartet Marktexperte Andreas Lipkow von Comdirect. Und Volkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank in Liechtenstein verweist auf die schwer vorhersehbaren weiteren Entwicklungen der kriegerischen Auseinandersetzung in der Ukraine sowie auf das Thema Energieversorgung in Europa und mögliche Notenbank-Reaktionen. Wegen steigender Inflationsrisiken und Energiepreise müssten die Fed und die EZB ihre Geldpolitik wohl in jedem Fall straffen, trotz des Militärschlags Russlands. Er hält nun eine Zinsanhebung der US-Notenbank im März um sogar 50 Basispunkte für gut möglich.

Vor diesem Hintergrund der russischen Invasion der Ukraine rückten Unternehmensberichte mehr oder weniger an den Rand des Anleger-Interesses. Aus dem Dax, in dem es unter den 40 Werten keinen Gewinner gab, berichteten die Deutsche Telekom und Heidelbergcement über das abgelaufene Jahr. Die T-Aktie gab im Gleichklang mit dem Dax nach. Die Anteile des Baustoffherstellers zeigten sich mit einem Minus von knapp 8 Prozent deutlich schwächer.

Wie die Telekom mitteilte, schloss sie 2021 mit erheblichen Zuwächsen ab und übertraf mit ihrem operativen Ergebnis und dem freien Mittelzufluss die eigenen und auch die Analystenschätzungen. Bei Heidelbergcement sieht etwa Goldman Sachs den Ausblick auf 2022 kritisch und rechnet anders als der Konzern selbst mit einem deutlich rückläufigen operativen Jahresergebnis.

Im MDax waren die Aktien von Rheinmetall eine der wenigen Gewinner mit plus 3,0 Prozent. Außerhalb der Dax-Familie schossen zudem die Papiere des aus Airbus hervorgegangenen Rüstungsunternehmens Hensoldt um 13 Prozent nach oben auf ein November-Hoch, denn Anleger setzen nun auf höhere Rüstungsausgaben der Europäer.

Aixtron waren im Index der mittelgroßen Aktien zweitstärkster Wert nach Rheinmetall mit plus 1,7 Prozent. Warburg lobte das starke Zahlenwerk des auf die Halbleiterindustrie spezialisierten Anlagenbauers für das vierte Quartal. Auch der Ausblick liegt der Bank zufolge leicht über den Erwartungen.

Uniper dagegen waren Schlusslicht im MDax mit zuletzt knapp 13 Prozent auf 28,97 Euro. Damit zeigten sie sich dennoch erholt, denn zum Handelsstart waren sie bis auf 27,70 Euro und damit auf ein Tief seit Dezember 2020 eingebrochen. Der Stromerzeuger macht einen erheblichen Anteil des Geschäfts in Russland und ist Mitfinanzierer der auf Eis gelegten Gaspipeline Nord Stream 2./ck/mis

--- Von Claudia Müller, dpa-AFX ---

Quelle: dpa-Afx