HANNOVER (dpa-AFX) - Der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental
DAS TREIBT CONTI UM:
Auf dem vorangegangenen Kapitalmarkttag hatte Setzer im Dezember 2020 mittelfristige Renditeziele und Wachstumsaussichten für die damaligen Sparten ausgegeben. Die Autozuliefersparte jedoch blieb hinter den Vorgaben zurück. Die Zielmarge für das Geschäft unter anderem mit Elektronik, Bremsen, Innenraumausstattung und Technik rund ums Autonome Fahren sollte mittelfristig sechs bis acht Prozent betragen. Mittelfristig definiert das Management als einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren.
Die Corona-Pandemie, der anschließende Chip- und Teilemangel sowie die Energiepreiskrise infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine belasteten die Ergebnisse in den vergangenen Jahren deutlich, in der Autozulieferung hat Conti in den Jahren 2020 bis 2022 operativ Verluste eingefahren.
Obwohl die großen Belastungsfaktoren mehr oder weniger der Vergangenheit angehören, sieht es auch dieses Jahr bisher mau aus. In den ersten neun Monaten steht für die Autosparte eine operative Marge vor Sondereffekten von gerade einmal einem Prozent zu Buche, für das Gesamtjahr sind zwei bis drei Prozent einkalkuliert.
Der neue Spartenchef Philipp von Hirschheydt hat bereits den Rotstift angesetzt. Eine mittlere vierstellige Zahl von Jobs in der Verwaltung soll verschwinden, Berichte sprechen von rund 5500 Stellen. Das soll die jährlichen Kosten bereits 2025 um 400 Millionen Euro senken. Die Autozulieferung hatte zuletzt knapp 103 000 Beschäftigte. Auch die Investitionen will von Hirschheydt verschärft unter die Lupe nehmen. Analysten werfen dem Konzern schon länger eine zu hohe Investitionsquote vor.
Nun lautet die Frage, wie Conti die Ambitionen in der größten Sparte mit Leben füllt und wann die Hannoveraner im Zielbereich landen wollen. Der lukrative Reifenbereich musste mitunter die nötigen Investitionen im Automotive-Geschäft mitfinanzieren. So etwas missfällt den Investoren, weil die Reifensparte alleine mehr zu leisten imstande wäre und es an echten Kostensynergien zwischen den Geschäftsbereichen mangelt.
Das "Manager Magazin" berichtete neulich, Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle trage sich daher mit Aufspaltungsgedanken. Demzufolge könnte die künftige Conti vor allem aus dem Reifengeschäft und der Kunststofftechniksparte Contitech bestehen und die Abhängigkeiten von der Autozulieferung spürbar zurückfahren. Vorstandschef Setzer soll diesem Ansinnen mehr und mehr abgewinnen können, hieß es.
Ein erstes Häppchen von "weniger Auto, mehr Gummi" gibt es bereits bei Contitech zu sehen: Der Bereich mit Kunden in der Autoindustrie steht auf der Prüfliste für strategische Optionen - also Verkauf, Partnerschaften oder Abspaltung. Contitech soll sich fortan vor allem den sonstigen Industriekunden widmen. Der Bereich stellt unter anderem Schläuche und Leitungen her, beliefert aber auch die Bergbauindustrie etwa mit Förderbändern.
Offiziell heißt es vom Konzern seit geraumer Zeit, das Management schaue sich beim Portfolio viel an im Hinblick auf die Frage, was man selbst am besten könne und was in einer anderen Struktur womöglich besser aufgehoben wäre. Hier dürfte Setzer nun konkreter werden. Ohnehin bastelt Conti wegen der Abkehr vom Verbrenner und den Fortschritten in der Elektronik an seinem Werksnetz. Der Standort Gifhorn etwa wird bis Ende 2027 die Produktion schrittweise einstellen.
Im Dezember 2020 hatte Setzer dem Automotive-Geschäft zugleich eine organische Wachstumsrate von im Schnitt sieben bis elf Prozent als mittelfristiges Ziel gegeben. Vor allem Software und Technik rund ums Autonome Fahren sollten Schub geben. 2019 machte Conti mit der Autozuliefersparte 18,9 Milliarden Euro Umsatz, 2020 wegen des Covid-Knicks dann nur noch 15,3 Milliarden. Dieses Jahr sind bis dato 20 bis 21 Milliarden Euro Erlös anvisiert.
Für den Gesamtkonzern hatte Setzer 2020 ein mittelfristiges Wachstum von im Schnitt fünf bis acht Prozent in Aussicht gestellt und eine operative Gewinnmarge von acht bis elf Prozent.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Die Voraussetzungen für eine deutliche Verbesserung der Geschäfte in der Autozulieferung sind laut Romain Gourvil von der Berenberg Bank gegeben. Nach Jahren mit enttäuschender Entwicklung in der Sparte werde er zunehmend zuversichtlicher hinsichtlich des nach oben gerichteten Trends bei der Marge. Restrukturierungen und effizientere Investitionen sowie eine sinkende Investitionsintensität dürften den Inflationsdruck und geringere weltweite Fahrzeugproduktion kompensieren helfen.
Im Reifengeschäft gehe zwar der Rückenwind von Preiserhöhungen zur Neige, so der Branchenexperte. Dafür sollte aber das wichtige Reifenersatzgeschäft am Ende einer schmerzvollen Phase des Lagerabbaus bei den Kunden angekommen sein.
JPMorgan-Experte Jose Asumendi schrieb nach den jüngsten Quartalszahlen, der größte Stellhebel für die Marge in der Autozulieferung sei eine Senkung der Investitionsquote. Er rechnet mit einer zweistufigen Erholung der Profitabilität: Zunächst dürfte die Marge in den kommenden beiden Jahren leicht zunehmen, aber weiter unter vier Prozent liegen. Ab 2027 sei dann mit mehr Schub zu rechnen.
Die von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragten Fachleute erwarten vom Conti-Konzern in den kommenden drei Jahren ein Umsatzwachstum von knapp 41,9 Milliarden in diesem Jahr auf 47,4 Milliarden Euro im Jahr 2026. Das wäre ein Plus von im Schnitt 4,2 Prozent jährlich. Das Betriebsergebnis sollte von 2,5 Milliarden Euro in diesem Jahr auf nahezu 4 Milliarden Euro im Jahr 2026 zulegen, die operative Marge würde demnach künftig bei rund 8,4 Prozent liegen.
SO LÄUFT DIE AKTIE:
Vom Rekordhoch bei 257 Euro im Januar 2018 ist Conti mittlerweile mit einem Kurs um 70 Euro meilenweit entfernt. Damals gehörte die Antriebssparte noch zum Konzern, die heute unter Vitesco
Der Marktwert von Conti ist inzwischen auf gut 14 Milliarden Euro zusammengeschmolzen. In der Spitze lag er Anfang 2018 inklusive Vitesco bei über 50 Milliarden. 2023 hat der Kurs allerdings ein Plus von gut einem Viertel aufzuweisen. Damit liegt der Konzern im Leitindex Dax
Größter Aktionär ist die Industriellenfamilie Schaeffler, die seit einem missglückten Übernahmeversuch im Jahr 2008 rund 46 Prozent der Anteile hält und damit faktisch auf Hauptversammlungen das Sagen hat./men/tav/mis
Quelle: dpa-Afx