HAMBURG (dpa-AFX) - Beim Wirkstoffforscher Evotec
DAS IST LOS BEI EVOTEC:
Erst gerade hat Evotec wieder reichlich Geld eingeheimst. Zunächst 20 Millionen Dollar - umgerechnet knapp 17 Millionen Euro - fließen aus einer Neurologie-Allianz mit dem US-amerikanischen Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb
Dies ist nur ein Beispiel von vielen, die Evotecs tägliches Geschäft ausmachen und die das Unternehmen sehr erfolgreich seit Jahren antreiben. Kenner sehen Evotec als einen der Leuchttürme der Biotechbranche. Evotec gilt als gefragter Partner für Pharmaunternehmen, die ihre Forschung zunehmend auslagern. Neben der Auftragsforschung sucht der MDax-Konzern
Der langjährige Konzernlenker Werner Lanthaler setzt dabei gern auf vergleichsweise junge Forschungsansätze. Als wichtiges Herzstück von Evotecs Forschungsarbeit gilt die Screeningplattform mit sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC). Bei dieser Methode werden menschliche Zellen in Stammzellen zurückprogrammiert und können dann in jede beliebige andere Zellen verwandelt werden.
Zusammen mit Partnern haben die Hamburger diese Methode der Wirkstofforschung in den vergangenen Jahren nach eigenen Angaben zu einer der größten und komplexesten iPSC-Plattformen der Branche aufgebaut, die Industriestandards erfüllt. Das von BMS nun einlizensierte Prüfpäparat ist der erste große Erfolg für die Technologie, denn auch dieses wurde per iPSC-Plattform entdeckt.
Viel Geld steckt Evotec derzeit in den Aufbau einer Produktion von biotechnologisch hergestellten Wirkstoffen. Eine Anlage in den USA wurde soeben eröffnet, eine weitere im französischen Toulouse soll folgen. Auch dieses Vorhaben soll ein Paukenschlag werden: Die Fabrikation basiert auf einer mit dem Kauf des US-Unternehmens Just Biotherapeutics im Jahr 2019 übernommenen Technologie. Hiervon verspricht sich Evotec-Chef Lanthaler in der Produktion enorme Kostenvorteile. Er dürfte daher auch auf reichlich Aufträge aus der Branche hoffen.
Ohnehin hat sich der Kauf als guter Griff erwiesen. Die mittlerweile als Evotec-Just Biologics firmierende US-Tochter wurde Anfang dieses Jahres mit einem Millionenauftrag durch das US-Verteidigungsministerium bedacht. Das Unternehmen soll nach Antikörpern suchen, unter anderem für einen Covid-19-Wirkstoff. Im zweiten Quartal zeigte sich jedoch, dass die hohen Investitionen in die Biologika-Anlagen zunächst auf das Ergebnis drücken. Dennoch bestätigte Evotec seine Wachstumsziele.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Seit rund fünf Jahren gilt Evotec dank seiner anziehenden Erfolgsgeschichte als Anlegers Liebling. Doch der soeben zu Ende gegangene Börsenmonat bescherte dem Evotec-Papier einen besonders beeindruckenden Lauf: Ein Hoch jagte das nächste, mit 44,05 Euro kostete der Anteilsschein zeitweise wieder so viel wie im Jahr 2000. Binnen des Monats hat das Papier mehr als ein Fünftel an Wert hinzugewonnen.
Beflügelt wurde die Aktie unter anderem von positiven Studiendaten und wohlwollenden Analystenstudien. Auch die Bestätigung der Jahresziele tat Wirkung. Zudem zeigten sich die Anleger erfreut, dass der Konzern die Rückkehr an die US-Börse per Zweitnotiz ankündigte. Von dort hatte sich Evotec vor Jahren zurückgezogen, doch weil US-Investoren in der Regel der Biotechnologie gegenüber als aufgeschlossener und spendabler gelten, macht eine Zweitnotiz Sinn. Auch die deutschen Branchenkollegen Morphosys
Ende Januar hatte der Evotec-Anteilschein zudem für Schlagzeilen gesorgt, da er für kurze Zeit wegen eines sogenannten "Short Squeeze" um bis zu 30 Prozent nach oben geschnellt war. Bei einem "Short Squeeze" werden Investoren, die auf fallende Kurse setzen, auf dem falschen Fuß erwischt. Aber selbst das Niveau des damaligen Kursausschlags hat die Aktie nunmehr hinter sich gelassen.
Auch im Vergleich zu Branchenmitgliedern hat sich die Evotec-Aktie in diesem Jahr besonders gut geschlagen, wenngleich der Kurs zuletzt wieder etwas zurückgekommen ist und nun bei knapp 42 Euro notiert. Seit Ende 2020 stehen knapp 40 Prozent Kursplus zu Buche. Dem stehen ein Zuwachs von knapp 13 Prozent beim Diagnostikunternehmen Qiagen und sogar ein Einbruch um fast die Hälfte bei der Biotechfirma Morphosys gegenüber.
Im MDax liegt Evotec mit einer Marktkapitalisierung von 6,9 Milliarden Euro im Mittelfeld der derzeit noch 60 Werte. Deutlich mehr bringt Qiagen auf die Börsenwaage. Die Firma kommt auf einen Börsenwert von rund elf Milliarden Euro und steht voraussichtlich vor dem Aufstieg in den Dax. Der deutsche Leitindex wird im September von 30 auf 40 Werte erweitert - der MDax schrumpft im Gegenzug von 60 auf 50 Titel.
Wegen der hohen Marktkapitalisierung hat Qiagen gute Chancen auf einen Platz im deutschen Leitindex. Evotec wird dagegen im MDax bleiben. Verlassen muss diesen wohl Morphosys. Das bayerische Unternehmen ist nach dem Kursabsturz der vergangenen Monate nur noch 1,7 Milliarden Euro wert und wird wohl in den SDax
DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:
Mit ihrem jüngsten Höhenflug hat Aktie die meisten Kursziele der Analysten hinter sich gelassen. Die von dpa-AFX berücksichtigten Analysten halten sich in ihrem Votum die Waage, drei für Kaufen, drei sind neutral. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 39,25 Euro, also unter dem aktuellen Niveau.
Warburg-Analyst Christian Ehmann erhöhte sein Kursziel hingegen kürzlich auf 48 Euro - und fachte damit den jüngsten Zulauf von Investoren in die Aktie weiter an. Ehmann hob seine Gewinnerwartungen für Evotec an und argumentiert mit dem lobenden Blick auf die neuen Biologika-Anlagen.
Ehmann hingegen hob seine Gewinnerwartungen für Evotec an und argumentiert mit dem lobenden Blick auf die neuen Biologika-Anlagen. Evotec habe bereits erste Hinweise auf eine voraussichtlich gute Auslastung gegeben. Die Anlagen böten dank ihrer Skalierbarkeit Größenvorteile im Vergleich zum angestammten Geschäft der Auftragsforschung.
Zudem gerate mit dem ersten iPSC-basierten Prüfpräparat nun Evotecs Kerntechnologie wieder ins Rampenlicht. Der Hamburger Konzern sei bereits in der Vergangenheit schnell gewachsen und werde dies dank einer hohen Kundenzufriedenheit auch weiterhin tun, resümiert Ehmann.
Falko Friedrichs von der Deutschen Bank hingegen sieht bei Evotec kurzfristig hohe Risiken. Zwar sei das Geschäft des Konzerns in guter Verfassung, und die strategischen Entscheidungen des Managements zahlten sich aus. Doch die hohen Investitionen in die neuen Biologika-Anlagen drückten vorerst auf die Ergebnisse, bemängelte der Experte.
Zudem hält er die generell attraktiven Wachstumsaussichten des Konzerns auf dem hohen Kursniveau mittlerweile für eingepreist. Friedrichs hob daher zwar im August sein Kursziel auf 38 Euro, blieb aber bei seinem neutralen Votum./tav/ngu/zb
Quelle: dpa-Afx