BAD HOMBURG (dpa-AFX) - Der Krankenhaus- und Medizinkonzern Fresenius und seine Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC)
DAS IST LOS BEI FRESENIUS UND FMC: Dem Fresenius-Konzern macht die Corona-Krise seit längerem zu schaffen. Im ersten Jahr brockte die Pandemie dem lange erfolgsverwöhnten Unternehmen einen Gewinnrückgang ein, denn die Angst vor einer Infektion hielt viele Menschen von einem Krankenhausaufenthalt ab. In den rund 90 Häusern der konzerneigenen Klinikkette Helios in Deutschland und der spanischen Tochter Qironsalud wurden nicht zwingend medizinische Eingriffe verschoben. Bei Fresenius Medical Care (FMC) schlägt vor allem die Covid-Sterblichkeit von Dialyse-Patienten zu Buche.
Immerhin besserte sich die Lage im vergangenen Jahr zunehmend. Im dritten Quartal wurde in Deutschland wieder mehr operiert, während die Kliniken in Spanien sogar mehr Behandlungen verzeichneten als vor der Pandemie. Zugleich machte die Sparte Kabi, die unter anderem Infusionen vertreibt, gute Geschäfte in Nordamerika und Schwellenländern. Und die Dienstleistungstochter Vamed kehrte nach anfänglicher Flaute dank eines Auftragsbooms in die schwarzen Zahlen zurück.
Fresenius-Chef Stephan Sturm brachte bereits im Frühjahr 2021 wegen der Belastungen ein Umbauprogramm auf den Weg, das bis 2023 jährliche Einsparungen von mehr als 100 Millionen Euro nach Steuern bringen soll. Um dies zu erreichen, wird gleichzeitig investiert. Dank erster Fortschritte hob der Konzernlenker nach neun Monaten seine Jahresprognosen an.
Für 2021 ist abseits von Währungseinflüssen ein Umsatzplus im mittleren einstelligen Prozentbereich angepeilt. Das Konzernergebnis soll um Sonderposten und Wechselkurseffekte bereinigt im niedrigen einstelligen Prozentbereich wachsen - hier zeigte sich Sturm zuletzt zuversichtlich, sein Ziel möglichst weit oben zu treffen. Am kommenden Dienstag (22.2) legen beide Unternehmen ihre Zahlen für das Schlussquartal und das gesamte Jahr 2021 vor.
Für FMC könnte die hohe Patientensterblichkeit durch Covid-19 ein problematisches Thema bleiben. Außerdem muss der Blutwäschespezialist deutlich höhere Kosten für strengere Hygiene- und Schutzmaßnahmen schultern. Hatte es für die Fresenius-Tochter im ersten Jahr der Pandemie noch großzügige Unterstützung der US-Regierung gegeben - die Vereinigten Staaten sind der größte Markt der Firma - blieben die Hilfen 2021 weitestgehend aus.
FMC warnte daher früh vor einem Gewinneinbruch und zog die Reißleine: Mit der Konzentration auf zwei globale Segmente werden Doppelstrukturen im Konzern abgeschafft. Damit will FMC bis 2025 seine jährlichen Kosten um 500 Millionen Euro senken. Dafür sollen 5000 Stellen weltweit binnen drei Jahren wegfallen, auch 500 bis 750 Arbeitsplätze in Deutschland sind betroffen. Details dazu stehen noch aus.
Allen Bemühungen zum Trotz steht aus Sicht von Anlegern Fresenius-Chef Sturm noch immer mit dem Rücken an der Wand. Spekulationen über eine Trennung von Unternehmensteilen erteilte der Manager zwar bislang konsequent eine Absage - allerdings räumte er auch ein, dass er handeln werde, sollten die Sparprogramme nicht für eine klare Kurserholung der gebeutelten Aktie sorgen.
Bei der Zahlenvorlage erwarten Beobachter allerdings keine entscheidenden Schritte, wohl aber dürfte es einen Zwischenstand zum laufenden Umbau geben.
DAS MACHEN DIE AKTIEN
2020 fand sich Fresenius wegen der Pandemie-Belastungen mit einem Abschlag von fast einem Viertel unter den größten Dax-Verlierern wieder. 2021 sah es mit einem Minus von knapp sechseinhalb Prozent schon deutlich besser aus. Und seit Jahresbeginn 2022 steht die Aktie immerhin mit rund 7 Prozent im Plus. Dabei profitiert das Papier teils auch von Umschichtungen der Investoren, die als Corona-Gewinner geltende Aktien aus den Depots warfen.
Auch die FMC-Aktie hat zuletzt etwas Auftrieb erhalten, mit vier Prozent ist das Plus seit Jahresbeginn aber noch deutlich kleiner. Aktuell kostet das Papier gut 59 Euro und notiert damit nur wenige Euro über dem Februar-Tief des vergangenen Jahres, als FMC die Börse mit seiner Gewinnwarnung schockte. Von da aus konnte sich die Aktie zwar bis auf 70 Euro im Juli erholen, doch dem Sprint folgte später erneut der Rückschlag. Seit dem Zwischenhoch vor Ausbruch der Corona-Krise im Frühjahr 2020 hat FMC damit rund 30 Prozent eingebüßt.
Die krisenbedingte Talfahrt sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Anleger sich bereits vorher teils abgewendet hatten - insbesondere von der Fresenius-Aktie. Noch im Sommer 2017 bescherte die Aussicht auf den Kauf des US-Generikaherstellers Akorn dem Papier ein Hoch bei rund 80 Euro. Die Übernahme blies Sturm später aufgrund von Ungereimtheiten bei den US-Amerikanern aber ab. Danach befeuerten mehrere Gewinnwarnungen und wechselnde Probleme bei den Konzerntöchtern die Talfahrt der Aktie, deren Kurs sich seit dem Rekord bis heute mehr als halbiert hat.
Auch die FMC-Aktie hat binnen fünf Jahren kräftig eingebüßt, kommt mit einem Minus von rund einem Viertel im Vergleich zur Mutter aber besser weg. Auch den Dreijahresvergleich entscheidet die Tochter mit knapp 14 Prozent Abschlag für sich, bei Fresenius summiert sich das Minus auf rund 20 Prozent. Der Dax hat dagegen binnen drei Jahren mehr als ein Drittel zugelegt.
Aktuell wird Fresenius an der Börse mit rund 21,2 Milliarden Euro bewertet, FMC bringt es auf etwa 17,4 Milliarden Euro. Damit sind die beiden Unternehmen vergleichsweise kleine Fische im Dax.
DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:
Noch immer sind Branchenkenner skeptisch, vor allem die anhaltend hohe Covid-Sterblichkeit von Dialysepatienten sorgt sie. James Vane-Tempest vom Analysehaus Jefferies stufte daher erst kürzlich die FMC-Aktien ab und empfiehlt, die Papiere unterzugewichten. Er glaubt, das Schlimmste in der Pandemie sei für FMC noch nicht überstanden. Trotz Kostensenkungen seien die Aussichten für 2022 eher schwach, die Einsparungen könnten durch die aktuell hohe Inflation schnell wieder wettgemacht werden, argumentiert der Analyst.
Auch aus Sicht von JPMorgan-Experte David Adlington nehmen die Risiken für FMC derzeit wieder zu. Bestätigt sieht er sich durch den erst kürzlich gesenkten Ausblick des FMC-Konkurrenten Davita. Wie der Jefferies-Experte hält auch Adlington die Konsensschätzungen für die Fresenius-Tochter für das laufende Jahr zu hoch.
Selbst optimistischere Experten wie Veronika Dubajova von Goldman Sachs, die einen Kauf von FMC-Papieren empfiehlt, senkten zuletzt ihre Erwartungen. Das schlägt sich entsprechend auf die Mutter durch.
Generell ist die Mehrheit der seit der letzten Quartalsbilanz Anfang November bei dpa-AFX erfassten 13 Experten aber positiv für die Fresenius-Aktie gestimmt, anders als bei FMC gibt es hier keine Verkaufsempfehlung.
Für die Dialysetochter haben bislang nur Jefferies und JPMorgan den Daumen gesenkt. Dem stehen sechs Kaufempfehlungen gegenüber, eine davon stammt von Berenberg-Experte Tom Jones. Er glaubt, dass sich die Skepsis an der Börse in dem Maße in Optimismus wandeln dürfte, wie sich FMC von den Auswirkungen der Pandemie erholt, sein Umbauprogramm umsetzt, und die Heimdialyse-Nutzung sowie verschiedene neue Zahlungsmodelle vorantreibt. Die Mehrzahl der Experten bleibt wegen der Unsicherheiten der Pandemie aktuell aber bei FMC an der Seitenlinie./tav/mne/mis/he
Quelle: dpa-Afx