BERLIN (dpa-AFX) - Wenige Tage vor neuen Bund-Länder-Gesprächen deutet sich kein rasches Ende des Lockdowns in Deutschland an. Eine Lockerung der aktuell strengen Schutzvorkehrungen sei angesichts der hohen Infektionszahlen nicht verantwortbar, sagte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich wird diskutiert, wie trotz Engpässen beim Impfstoff mehr Menschen gegen das Coronavirus geimpft werden können.
Mit Stand vom Donnerstagmorgen waren insgesamt 131 626 Impfungen beim Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet. Entsprechend der Empfehlungen sind das vor allem Pflegeheimbewohner, Menschen über 80 Jahren und medizinisches Personal. Im Vergleich zum Vortag stieg die Zahl der Geimpften um 51 465 - darunter können allerdings auch Nachmeldungen sein.
Um schneller voranzukommen und mehr Menschen mit den knappen Vorräten zu schützen, überlegen Wissenschaftler, ob man die nötige zweite Dosis später verabreichen kann als derzeit vorgesehen. Nach der ersten Impfung sei bereits mehr als die Hälfte der Geimpften vor einer schweren Erkrankung geschützt, sagte der Bonner Virologe Hendrik Streeck im RTL-Nachtjournal. Auch der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, bezeichnete die Idee als "durchaus überlegenswert". Allerdings stelle dies eine zusätzliche Herausforderung bei der Planung der zweiten Impfung dar.
Am 5. Januar will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der Länder über die aktuellen Infektionszahlen, den Lockdown und wohl auch die Fortschritte bei der großangelegten Impfaktion sprechen.
Schwesig forderte vor der Schalte: "Wir können erst dann größere Lockerungen vornehmen, wenn wir auch über einen längeren Zeitraum wieder Inzidenzwerte von deutlich unter 50 haben." Am Donnerstagmorgen lag die Zahl der binnen sieben Tagen an die Gesundheitsämter gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner bei 139,8.
Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 32 552 Corona-Neuinfektionen binnen 24 Stunden und 964 neue Todesfälle. Die aktuell hohen Zahlen sind aus Sicht des RKI allerdings wohl auch durch Nachmeldungen bedingt, da über die Weihnachtstage weniger getestet und gemeldet wurde.
Schwesig warb dafür, Schulen und Kitas bei Lockerungen Priorität zu geben. Für Tourismus und Gastronomie sehe sie kaum Möglichkeiten für eine rasche Aufhebung der Beschränkungen. "Mit dem Beginn der Impfungen eröffnet sich der Weg, Schritt für Schritt aus der Pandemie herauszukommen. Doch ist dies noch ein langer Weg, die Vermeidung von Kontakten damit weiterhin unerlässlich, um die Ansteckungen eindämmen zu können", sagte sie.
Angesichts der steigenden Zahl von Impfungen wird auch weiter über Sonderrechte für Geimpfte diskutiert. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sprach sich gegen eine solche Vorzugsbehandlung aus. Sie berge "die Gefahr der Spaltung der Gesellschaft", sagte der CDU-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag). Es dürfe "kein Keil" zwischen Geimpfte und Nicht-Geimpfte getrieben werden.
Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, will Geimpften hingegen mehr Freiheitsrechte einräumen. "Grundrechte sind Individualrechte, aber keine kollektiven Rechte, die der Staat bei Bedarf allen entzieht und nur allen gleichzeitig zurückgewährt, wenn es die Lage wieder erlaubt", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Man kann deshalb einer immer größer werdenden Bevölkerungsgruppe von Geimpften, Gesunden und Genesenen nicht pauschal die Grundrechte vorenthalten, weil eine immer kleinere Gruppe nach wie vor durch das Virus gefährdet ist."
Derzeit ist noch unklar, inwieweit eine Corona-Impfung mit dem Biontech
Aus der SPD kamen Vorwürfe gegen Gesundheitsminister Jens Spahn. Der Parlamentarische Geschäftsführer Carsten Schneider forderte den CDU-Politiker auf, die Anlaufschwierigkeiten bei den Impfungen schnell zu beheben. "Er verantwortet die Impfstoffbeschaffung und -verteilung. Das, und nur das, muss für ihn jetzt Priorität Nummer eins sein", sagte Schneider der dpa. Der Bundestag habe Spahn die notwendigen Kompetenzen und finanziellen Mitteln gegeben.
Am Mittwoch hatte es Wirbel um die Impfstoff-Lieferungen an die Länder gegeben. Zuletzt teilte das Gesundheitsministerium mit, die nächste Lieferung komme am 8. Januar. Mehrere Bundesländer hatten zuvor gegen eine kurzfristig drohende Lieferlücke in der ersten Kalenderwoche des neuen Jahres protestiert. Spahn versicherte, es werde alles dafür getan, schnellstmöglich so viel Impfstoff für Deutschland zur Verfügung zu haben, wie es gehe.
Auch die Debatte um die Kosten der Krise schwelt weiter. Nach Angaben des Finanzministeriums könnten Staatshilfen und andere Ausgaben zur Krisenbewältigung Bund und Länder im Jahr 2020 bis zu 1,3 Billionen Euro gekostet haben. Allerdings sind in dieser Summe auch Garantien von rund 826,5 Milliarden Euro enthalten, die Bund und Länder gewährleisten und von denen man nicht weiß, in welcher Höhe sie überhaupt greifen müssen.
Bartsch sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Corona-Krise werde "historisch teuer", die Bundesregierung kümmere sich aber nicht darum, wer die Kosten tragen solle. Er forderte erneut eine einmalige Abgabe auf das Vermögen von Multimillionären und Milliardären. Auch SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hatte sich zuletzt für eine Beteiligung von "Krisengewinnern" und Vermögenden stark gemacht.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sprach sich gegen einen "Corona-Soli" für vermögende Menschen aus. "Die theoretische Debatte, ob ein Milliardär etwas abgeben kann, mag sympathisch klingen", sagte er der dpa. "Der Weg zu einem solchen Soli führt aber nur über generelle Steuererhöhungen." Jetzt Steuern zu erhöhen, schwäche Mittelständler und sei daher falsch./tam/DP/jsl
Quelle: dpa-Afx