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BERLIN (dpa-AFX) - Baldige Corona-Impfungen in Arztpraxen und mehr Tests in Unternehmen sollen ein neues Hochschnellen der Infektionszahlen in den nächsten Wochen verhindern. Die Wirtschaftsspitzen appellierten am Dienstag an die Betriebe, Schnelltests für Beschäftigte anzubieten - sie bleiben für Firmen aber freiwillig. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) pochte auf eine breite Beteiligung. Virologen mahnen, Fortschritte beim Testen und Impfen könnten möglicherweise zu langsam sein. Es droht demnach eine große dritte Corona-Welle. Der Start der generellen Impfungen in Arztpraxen ist für Anfang April vorgesehen.
Das genaue Datum wollen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern an diesem Mittwoch in einer Schalte klären, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Bis Montag wurden laut Bundesgesundheitsministerium 10,4 Millionen Impfdosen der Hersteller Biontech
Die seit Montag verstärkten Corona-Schnelltests sollen immer neue Infektionsketten und -herde verhindern. Erschwert wird das, weil die britische Virusmutante seit Wochen immer stärker um sich greift. Gleichzeitig öffneten in den meisten Regionen Deutschlands in dieser Woche weitere im Lockdown geschlossene Bereiche. Schnelltests durch geschultes Personal etwa in Apotheken und Testzentren waren zunächst erwartungsgemäß noch nicht überall verfügbar, Tests zum eigenen Einsatz zum Verkaufsstart am Wochenende schnell vergriffen.
Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung sei nach wie vor "sehr hoch", teilte das Robert Koch-Institut (RKI) mit. Binnen sieben Tagen steckten sich pro 100 000 Einwohner 67,5 Menschen neu an. In Sachsen und Sachsen-Anhalt liegt diese Inzidenz leicht, in Thüringen deutlich darüber. 66 von 412 Kreisen liegen über 100. Die Zahl der Todesfälle wegen oder mit Covid-19 stieg bundesweit auf 71 934.
DIE SCHNELLTEST-OFFENSIVE: Parallel zu Schnelltests für alle Bürger will der Bund die Wirtschaft stärker in die Pflicht nehmen. Gespräche dazu stockten zunächst. Nun verkündeten die Spitzenverbände einen Appell an die Firmen, ihren Beschäftigten Selbsttests und wo möglich Schnelltests anzubieten. "Wir wollen in dieser Zeit unsere gesamtgesellschaftliche Verantwortung durch eine vorübergehende substanzielle Ausweitung der Testung realisieren", erklärten Industrie (BDA), Arbeitgeberverbände (BDA), Handwerk (ZDH) und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK).
Genauere Zusagen machten sie vorerst nicht. Dabei hatten Merkel und die Ministerpräsidenten konkret gefordert, dass die Unternehmen "als gesamtgesellschaftlichen Beitrag ihren in Präsenz Beschäftigten pro Woche das Angebot von mindestens einem kostenlosen Schnelltest machen". Merkel begrüßte den Appell, forderte aber zugleich: "Wir erwarten, dass wirklich substanziell die Wirtschaftsunternehmen daran teilnehmen." Die Teststrategie sei "ein Muss für die Möglichkeit von Öffnungen". Um Verbindlichkeit zu erreichen, solle Anfang April eine erste Überprüfung der Beteiligung vorliegen. DGB-Chef Reiner Hoffmann mahnte ebenfalls, es dürfe nicht bei Appellen bleiben.
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sprach von einem guten Signal. "Um zu einem wirksamen Instrument gegen die Pandemie zu werden, müssen Beschäftigte zwei bis drei Mal pro Woche durchgetestet werden", sagte er der dpa. Die Wirtschaft müsse Teil eines Kraftakts gegen die dritte Welle sein. Dazu zählten auch Impfungen durch Betriebsärzte, flächendeckend FFP2-Masken am Arbeitsplatz und kurzfristiges Schnelltesten auf dem Weg zur Arbeit. Schnelltests am Arbeitsplatz müssten dort zum Standard werden, wo Homeoffice keine Option ist. Sie seien aber kein Freifahrtschein für die Rückkehr ins Büro. "Wenn wir das Homeoffice jetzt aufgeben, steigt sprunghaft die Mobilität, und die dritte Welle könnte außer Kontrolle geraten."
Für mindestens einen Gratis-Schnelltest pro Woche für alle Bürger übernimmt der Bund seit Montag die Kosten, wie eine am Dienstag verkündete Verordnung festlegt. Der Vizechef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Stephan Hofmeister, kritisierte das Vorgehen von Minister Jens Spahn (CDU). Zwar kämen nun vermehrt Schnelltests zum Einsatz, "doch leider in einer absolut kurzfristigen, ja formal sogar rückwirkenden Umsetzung, die direkt beim Start zum Chaos geführt hat", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag).
IMPFUNGEN IN DEN PRAXEN: Ab April soll Impfstoff für so viele Menschen kommen, dass die regionalen Impfzentren der Länder die Impfungen nicht mehr allein schaffen würden. Die bis zu 75 000 Praxen sollen dann den Großteil der Impfungen übernehmen. Bei einer Schalte der Fachminister am Mittwoch sollen genauere Weichen dafür gestellt werden. Dabei soll es auch darum gehen, wie die erwarteten Dosen auf die Impfzentren und die Praxen verteilt werden.
Wie am Vortag verlautete, soll der Impfstoff auf dem von anderen Impfstoffen bekannten Weg über Großhandel und Apotheken in die Praxen kommen. Der bürokratische Aufwand für die Arztpraxen soll auf ein Minimum reduziert werden. Die Impfzentren sollen vorerst bestehen bleiben. Vereinbarte Termine dort sollen erhalten bleiben. Laut KBV kann die gesamte Bevölkerung durch Impfen in Praxen im August Impfschutz habe, wenn Impfstoff-Lieferungen wie erhofft eintreffen./sam/bw/DP/mis
Quelle: dpa-Afx