(neu: aktueller Kurs, weitere Details, Analystenstimmen)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Deutsche Börse hat nach gut laufenden Geschäften in den meisten Sparten, den hohen Zinsen und der Simcorp-Übernahme wie erwartet zum dritten Mal in diesem Jahr ihre Prognose für 2023 erhöht. Bei den Nettoerlösen werde ein Anstieg um circa 15 Prozent auf rund 5 Milliarden Euro angepeilt, teilte das Unternehmen am Mittwochabend nach Börsenschluss in Frankfurt mit. Bisher hatte Konzernchef Theodor Weimer einen Anstieg von mindestens 8 Prozent auf mehr als 4,7 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.

Das Ziel für das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) wurde von mehr als 2,8 Milliarden Euro auf rund 2,9 Milliarden Euro aufgestockt. Experten hatten mit einer Anhebung in dieser Höhe gerechnet. Das wären knapp 15 Prozent mehr als 2022. Die im deutschen Leitindex Dax notierte Aktie verlor am Donnerstag trotz der erhöhten Prognose zunächst kräftig, kletterte aber im weiteren Handelsverlauf ins Plus.

Ein Grund für die deutliche Anhebung des Erlösziels ist der Beitrag des dänischen Softwareanbieters Simcorp, dessen Übernahme vor Kurzem abgeschlossen wurde. Hinzu kommen den Angaben zufolge ein starkes strukturelles Wachstum und höhere Zinseinnahmen. Die Latte für den Gewinn wurde dagegen nicht so stark erhöht, da in der aktualisierten Prognose Kosten für die Übernahme und Sonderbelastungen zur Hebung von Synergiepotenzial enthalten sind.

Die Prognose für den Erlös liegt im Rahmen der bisherigen Durchschnittsschätzung der von Bloomberg erfassten Experten. Beim Gewinnziel liegt die Deutsche Börse im Rahmen der Erwartungen. Allerdings hatten noch nicht alle Analysten die Folgen der Simcorp-Übernahme in ihren Schätzungen berücksichtigt.

Im dritten Quartal zogen die Erlöse um 9 Prozent auf 1,19 Milliarden Euro an. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen legte um 7 Prozent auf 685 Millionen Euro zu - ohne Sondereffekte wäre er um 13 Prozent nach oben geklettert. Die Kosten für die Simcorp-Transaktion, die mit 3,9 Milliarden Euro bisher teuerste Übernahme der Unternehmensgeschichte, bezifferte die Deutsche Börse auf 18 Millionen Euro.

Weitere 19 Millionen Euro entfielen auf Kosten zur Hebung von Synergiepotential im neu geschaffenen Segment Investment Management Solutions. "In diesem berichten wir ab dem vierten Quartal über die Aktivitäten von Simcorp sowie des bisherigen Segments Data & Analytics", teilte das Unternehmen mit.

Die Deutsche Börse will mit dem dänischen Softwareanbieter ihr Geschäft mit Daten stärken und sich unabhängiger von Schwankungen an den Finanzmärkten machen. Weimer hatte Ende Juni gesagt, er sehe die Simcorp-Übernahme als letztes großes Geschäft seiner Ende 2024 auslaufenden Amtszeit.

Unter dem Strich verdiente der Konzern im dritten Quartal 400 Millionen Euro und damit rund 7 Prozent mehr als vor einem Jahr. Das Ergebnis fiel damit im Großen und Ganzen wie erwartet aus. Beim operativen Ergebnis hatten die Analysten im Schnitt etwas mehr auf dem Zettel; hier dürften aber nicht alle die Sonderposten für die Akquisition und Integration von Simcorp berücksichtigt haben.

Die Deutsche Börse profitierte im dritten Quartal im Verwahrgeschäft der Tochter Clearstream von den höheren Zinsen. Dies trieben den Zinsüberschuss nach oben. Dies habe den zyklischen Gegenwind in den Bereichen Wertpapiere und Finanzderivate überkompensiert, in denen eine niedrige Volatilität die Handelsentgelte und Margin-Erlöse geschmälert habe, hieß es zur Begründung. Die Kosten legten um 13 Prozent auf 505 Millionen Euro zu, wovon fünf Prozent organisch bedingt waren. "Haupttreiber waren neben einer höheren Anzahl von Mitarbeitenden hauptsächlich Inflationseffekte."

Die Aktie legte am Nachmittag um rund ein Prozent auf fast 159 Euro zu, nachdem sie im frühen Handel noch um fast drei Prozent auf 152,60 Euro und damit den tiefsten Stand seit Sommer 2022 gefallen war. Das Deutsche-Börse-Papier steht seit einiger Zeit vor allem wegen der teuren Simcorp-Übernahme unter Druck. Seit dem Rekordhoch von etwas mehr als 186 Euro im April dieses Jahres ging es um rund 15 Prozent nach unten. Im bisherigen Jahresverlauf zählt das Papier - anders als in den vergangenen Jahren - mit einem Minus von rund zwei Prozent zu den Verlierern im Dax.

Anders sieht es bei der mittelfristigen Betrachtung aus: Seit Weimers Amtsantritt Anfang 2018 zog der Börsenwert des Unternehmens um circa 60 Prozent auf rund 30 Milliarden Euro an. Damit zählt die Deutsche Börse in diesem Zeitraum zu den 10 besten der 40 Dax-Werte. Für den JPMorgan-Experten Enrico Bolzoni lieferten weder die Zahlen für das dritte Quartal noch der Ausblick große Überraschungen.

Bolzoni bestätigte in einer ersten Einschätzung seine Einstufung für die Aktie mit "Neutral" bei einem Kursziel von 183 Euro. Jefferies-Analyst Tom Mills war von den Zahlen und dem Ausblick alles in allem auch nicht überrascht. Er bestätigte seine "Hold"-Empfehlung. Das Kursziel setzt er auf 190 Euro fest. Der JPMorgan-Analyst erhofft sich von dem Kapitalmarkttag am 7. November Aussagen zu den Zielen für das kommende Jahr und die danach. Diese wird es nach den Worten Weimers in der Analystenkonferenz auch geben.

Nach der Vorlage der Quartalszahlen bestätigte Weimer seine bisherigen Ziele aus der Simcorp-Übernahme. Demnach soll das dänische Softwareunternehmen im kommenden Jahr 600 Millionen Euro zu den Erlösen beitragen. Der Ergebnisbeitrag soll bei rund 200 Millionen Euro liegen - wobei hier die erhofften Synergieeffekte aus der Integration noch nicht enthalten sind.

Für den Jefferies-Experten Mills hängt die weitere Entwicklung der Aktie auch davon ab, wie die Investoren die beim Kapitalmarkttag präsentierten Ziele aufnehmen werden. Der Markt müsse wahrscheinlich erst davon überzeugt werden, dass die neuen Ziele glaubwürdig seien, insbesondere weil ein Teil davon für eine Zeit gelten werde, die Weimer nicht mehr zu verantworten habe. Derzeit sucht Aufsichtsratschef Martin Jetter nach einem Nachfolger.

Weimer ist es gelungen, die Deutsche Börse nach den turbulenten Jahren unter seinem Vorgänger Carsten Kengeter wieder in ruhigere Bahnen zu lenken und dabei das operative Geschäft voranzutreiben. Dieser hatte Ende 2017 wegen des Verdachts auf Insiderhandel im Zusammenhang mit dem wieder einmal gescheiterten Versuch, mit der Londoner Börse zusammenzugehen, nach nicht einmal drei Jahren im Amt gehen müssen./zb/la/he/stw/he

Quelle: dpa-Afx