(neu: mehr Hintergrund, Aussagen aus der Analystenkonferenz und Aktienkurs aktualisiert.)

BAD HOMBURG (dpa-AFX) - Der Krankenhaus- und Medizinkonzern Fresenius treibt die Stärkung seiner Flüssigmedizintochter Kabi voran. Mit Zukäufen im Wert von zusammengenommen mehr als 700 Millionen Euro baut der Dax -Konzern das Portfolio des auf Infusionen und Nachahmerpräparaten spezialisierten Anbieters aus. Dafür übernimmt das Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung an der Biotechfirma mAbxience und verleibt sich zudem komplett den US-Infusionsspezialisten Ivenix ein. An der Börse kamen die Nachrichten gut an, die Aktie legte deutlich zu.

"Mit diesen Akquisitionen stärken wir die Position von Fresenius Kabi in zwei wichtigen Wachstumsmärkten. Denn sie ergänzen unser Geschäft bei den Biopharmazeutika und in der Medizintechnik sehr sinnvoll", sagte Fresenius-Chef Stephan Sturm laut Mitteilung vom Donnerstag in Bad Homburg. In den kommenden Jahren sollen beide Übernahmen wesentliche Beiträge liefern, um das Wachstum des Konzerns zu beschleunigen.

Das Fresenius-Papier notierte am Donnerstagnachmittag zuletzt mit mehr als 3 Prozent Kursplus an der Dax-Spitze und erreichte damit den höchsten Stand seit mehr als einem Monat. Mit der Übernahme von mAbxience dürfte Fresenius bei Kabi künftig Synergien bei der Produktion von Nachahmerpräparaten heben, merkte ein Händler an. Diese Produktion hätte das Unternehmen ansonsten möglicherweise auslagern müssen. Zudem kurbele Fresenius das stark wachsende Geschäft mit Biopharmazeutika an. Die Übernahme der US-Firma Ivenix dürfte ebenfalls Synergien und Wachstum im Infusionsgeschäft nach sich ziehen, ergänzte der Börsianer.

Fresenius steht an der Börse allerdings seit längerem unter Druck und hatte in den vergangenen beiden Jahren mit der Corona-Pandemie zu kämpfen. Im vergangenen Frühjahr brachte der Vorstand in Sparprogramm auf den Weg, um die Konzernergebnisse zu verbessern. Darüber hinaus hatte der Konzern erst vor wenigen Wochen nach einer Überprüfung des Geschäftsmodells angekündigt, künftig eigenes Kapital vorrangig in Kabi zu investieren. "Wir werden die im Februar vorgestellte Wachstumsstrategie (...) weiter konsequent verfolgen", bekräftigte Sturm am Donnerstag.

Kabi will zunächst 55 Prozent an mAbxience übernehmen, einem Anbieter biotechnologisch hergestellter Nachahmerarzneien (Biosimilars). Dies lässt sich Fresenius zunächst 495 Millionen Euro kosten. Hinzu kommen mögliche Meilenstein-Zahlungen, die an bestimmte Ziele geknüpft sind. Fresenius baut damit das eigene Biosimilar-Portfolio aus und hat erstmalig Zugriff auf eigene Produktionskapazitäten. Zudem hat sich der Konzern die Option gesichert, die restlichen Anteile an mAbxience zu übernehmen.

Fresenius war selbst erst 2017 in das Geschäft mit Biosimilars eingestiegen, das die Firma vom Darmstädter Pharma- und Spezialchemiekonzern Merck KGaA übernommen hatte. Noch ist der Beitrag des Bereichs überschaubar, im vergangenen Jahr steuerte das Biopharmazeutika-Geschäft lediglich ein Prozent des Kabi-Umsatzes bei. Fresenius-Chef Sturm hatte das Geschäft indes bereits als Wachstumsbereich ausgerufen.

Erst zur Wochenmitte erhielt das zweite Präparat aus dem Biosimilar-Portfolio der Hessen eine Marktzulassung in der Europäischen Union. Mit mAbxience holt sich Fresenius nach eigenen Angaben nunmehr eine "perfekte" Ergänzung für das auf Krebs und Immunkrankheiten ausgerichtete Produktportfolio ins Haus. Durch die zusätzlichen Fertigungskapazitäten rechnet der Dax-Konzern dabei mit "signifikanten Kostensynergien" auch für seine bestehenden Biosimilars.

Die Firma mAbxience mit rund 600 Beschäftigten verfügt den Angaben zufolge über Labore und Fertigungsanlagen in Spanien und Argentinien und habe auch Möglichkeiten im wachstumsstarken Markt für Auftragsfertigung. So habe das Unternehmen jüngst einen Vertrag für die Herstellung der Arzneimittelsubstanz für den Corona-Impfstoff von Astrazeneca in Lateinamerika abgeschlossen. Daneben hat das Unternehmen bereits zwei Biosimilars im Markt und plant weitere Einführungen in den kommenden Jahren.

Für den auf Infusionstherapien spezialisierten US-Anbieter Ivenix legt Fresenius unterdessen 240 Millionen Dollar (knapp 216 Mio Euro) auf den Tisch plus etwaige Meilenstein-Zahlungen. Die Firma ist auf Schlauchsysteme und Software zu deren Analyse und Steuerung spezialisiert, was einfacher zu handhabende und sicherere Infusionen ermögliche. Kabi-Chef Michael Sen verspricht sich durch die Übernahme mit Blick auf den US-Markt viel. "Dies öffnet uns den Weg, in der vernetzten Pflege ein Hauptpartner für Kliniken zu werden", sagte er.

Beide Transaktionen, die Fresenius aus eigenen Mitteln finanziert, sollen bis Jahresmitte abgeschlossen sein. Während sich die Übernahmen voraussichtlich im laufenden Jahr noch weitgehend neutral auswirken, dürften sie 2023 einen positiven Einfluss auf das bereinigte Bar-Ergebnis je Aktie haben, hieß es vom Dax-Konzern weiter.

Mit der Konzentration der eigenen Investitionen auf Kabi erhält die Gesellschaft Priorität vor den übrigen Konzernbereichen. Für die Kliniktochter Helios und das Servicegesellschaft Vamed hatte Sturm zuletzt auch eine Beteiligung von Investoren und einen späteren Börsengang ins Spiel gebracht. Auch einen Verkauf von Anteilen der Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC ) schloss er vor einigen Wochen nicht mehr aus./tav/jcf/mis

Quelle: dpa-Afx