(Neu: viertletzter Absatz mit Hinweis zu Kostensenkungsprogramm, Impfstoffkapazität im vorletzten Absatz)

MÜNCHEN (dpa-AFX) - Höhere Rohstoffkosten werden das Gewinnwachstum von Wacker Chemie 2021 belasten. So rechnet der Konzern laut einer Mitteilung vom Dienstag wegen gestiegener Rohstoffkosten und negativer Währungseffekte mit einer Belastung von mehr als 100 Millionen Euro. Das Jahresziel für das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) liegt daher unter der mittleren Analystenschätzung. Wacker Chemie hatte bereits Anfang Februar Eckdaten für 2020 vorgelegt. Die Aktien gerieten am Dienstag unter Druck. Experte Markus Mayer von der Baader Bank wies aber darauf hin, dass der Konzern beim Ausblick zum Jahresbeginn meist eher vorsichtig sei.

So traut Mayer dem bayerischen Konzern 2021 deutlich mehr zu als das in Aussicht gestellte Wachstum des operativen Gewinns um 10 bis 20 Prozent. Denn das wäre bestenfalls mit rund 800 Millionen Euro etwas mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Analysten haben im Durchschnitt mehr als 900 Millionen auf dem Zettel. Allein der Unternehmensausblick für das erste Quartal für ein Ebitda deutlich über den 174 Millionen Euro des Vorjahreszeitraums impliziere für das Gesamtjahr einen Wert über dem oberen Ende der avisierten Spanne, erklärte Mayer.

Unter den Investoren überwog aber die Enttäuschung. Die Wacker-Aktien fielen um mehr als sechs Prozent auf 109,05 Euro. Allerdings waren die Papiere bis Anfang Februar auch stark gelaufen. Allein 2020 hatten sie trotz der Corona-Krise um mehr als 70 Prozent zugelegt. Ein Trend, der sich Anfang 2021 mit einem Anstieg bis auf ein Mehrjahreshoch von 131,55 Euro fortgesetzt hatte. Zuletzt strichen Anleger dann erst einmal Gewinne ein.

Für den Überschuss peilt Wacker Chemie 2021 einen deutlichen Anstieg an. Dabei spielt dem Unternehmen aber auch der Verkauf der knapp 31-prozentigen Beteiligung am Hersteller von Halbleiterwafern Siltronic für rund 1,2 Milliarden Euro in die Karten. Im vergangenen Jahr entfiel auf die Aktionäre von Wacker Chemie ein Überschuss von gut 189 Millionen Euro. Die Dividende soll von 0,50 Euro im Vorjahr auf 2,00 Euro je Aktie für 2020 steigen.

Das vergangene Jahr prägten insbesondere in der ersten Hälfte negative Auswirkungen der Corona-Krise auf den Welthandel. Zum Jahresende hin lief es dann aber immer besser. Dank eines Erlösplus im Schlussquartal konnte der Chemiekonzern den Umsatzverlust im Gesamtjahr denn auch eindämmen. Am Ende stand nur ein kleines Minus von 5 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro. 2021 strebt das Unternehmen ein Plus im mittleren einstelligen Prozentbereich an.

Wacker profitiert stark vom Trend hin zu Erneuerbaren Energie. Das Unternehmen liefert mit seinem hochreinen Polysilizium den Grundstoff für Solaranlagen. Der zuletzt deutlich erholte Polysilizium-Preis werde im Durchschnitt gesehen nicht zurückgehen, erklärte der Konzern. Die Münchener haben aber auch Produkte für die Verklebung, die Verankerung und den Witterungsschutz etwa von Windkraftanlagen im Programm.

Zudem kommt dem Konzern ein in vielen Regionen ungebrochener Bauboom sowie die Erholung der Autobranche zugute. Die Geschäfte rund um Materialien für Dicht- und Dämmstoffe sowie mit Zusätzen für Zement, Fliesen und Klebstoffe laufen gut, wenngleich sich gerade hier in einigen Bereichen höhere Rohstoffkosten bemerkbar machen.

Unterstützung für die Gewinnentwicklung soll indes das schön länger laufende Kostensenkungsprogramm liefern, zu dem auch ein Stellenabbau gehört. Ab Ende 2022 sollen die Kosten dadurch um 250 Millionen Euro niedriger ausfallen. 2020 betrug der Effekt mehr 50 Millionen Euro, 2021 sollen es schon mehr als 100 Millionen Euro werden.

Im Fokus steht aber vor allem die kleinste Sparte Biosolutions rund um biopharmazeutische Produkte, die in den kommenden Jahren kräftig wachen soll. So ist Wacker schon länger als Auftragsfertiger und Zulieferer für Pharmaunternehmen aktiv.

Im November wurde eine Kooperation mit dem Biotech-Unternehmen Curevac geschlossen, für das Wacker Chemie dessen Corona-Impfstoffkandidaten herstellen soll. Das Präparat wird vom Tübinger Unternehmen aktuell noch getestet und durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA geprüft, könnte aber bald zugelassen werden. Wenn alles nach Plan läuft, auch beim Okay der Behörden zur Produktion von Wacker Chemie, könnte das Unternehmen die Herstellung schnell steigern. Bereits zur Jahresmitte könnte Wacker Chemie dann die Geschwindigkeit erreichen, um die angepeilten 100 Millionen Dosen pro Jahr zu erreichen.

Rückenwind für das Biopharmageschäft soll künftig auch die im Februar angekündigte Übernahme des Pharma-Auftragsherstellers Genopis liefern. Neben Kompetenzen bei der sogenannten pDNA-Technologie verspricht sich Wacker-Chemie-Chef Rudolf Staudigl viel von der lokalen Präsenz im wichtigen US-amerikanischen Markt für biopharmazeutische Produkte./mis/ssc/eas

Quelle: dpa-Afx