(neu: Aussagen aus der Telefonkonferenz, Konkretisierungen zu den Prognosen, weitere Analystenstimme, aktualisierte Kurse) BAD HOMBURG (dpa-AFX) - Fresenius muss wegen der Corona-Krise seine Ziele für das laufende Jahr eindampfen. Im zweiten Quartal schlugen sich die Folgen der Pandemie in vielen Geschäftsbereichen des Medizinkonzerns und Krankenhausbetreibers nieder. Das Management um Unternehmenslenker Stephan Sturm stellt die Investoren nunmehr für das Gesamtjahr auf ein rückläufiges Ergebnis ein. Nur noch im besten Fall wird ein leichtes Plus erwartet, wie Fresenius am Donnerstag in Bad Homburg mitteilte. Die Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC) hält dagegen nach Umsatz- und Ergebniszuwächsen im zweiten Jahresviertel trotz nun erstmals berücksichtigter Corona-Effekte an ihren Wachstumszielen fest.
Analysten hatten bereits mit einer Senkung der Konzernziele gerechnet. Warburg-Analyst Ulrich Huwald merkte zudem in einer ersten Reaktion an, dass das zweite Quartal bei Fresenius besser ausgefallen sei als gedacht. Laut Berenberg-Analyst Tom Jones entspricht der neue Ausblick den Erwartungen.
An der Börse rutschten dennoch die Papiere beider Unternehmen ab. Die Aktien des Mutterkonzerns gehörten am Nachmittag mit fast sieben Prozent Minus zu den Dax-Schlusslichtern. FMC-Anteile bauten ihre Kursverluste auf zuletzt mehr als fünf Prozent aus.
Fresenius rechnet zwar damit, dass sich das Wachstum der Ergebnisse im zweiten Halbjahr beschleunigt - dennoch dürften weiterhin negative Covid-19-Effekte belasten. Das währungsbereinigte Konzernergebnis inklusive Covid-19-Belastungen wird nun in einer Bandbreite von minus vier Prozent bis plus ein Prozent gesehen.
Nach einem um Sondereffekte bereinigten Vorjahreswert von knapp 1,88 Milliarden Euro würde dies rein rechnerisch rund 1,8 bis 1,9 Milliarden Euro bedeuten. Branchenexperten rechnen zur Zeit mit einem Wert von knapp 1,86 Milliarden Euro. Beim Umsatz wird währungsbereinigt ein Plus von drei bis sechs Prozent angepeilt, vor einem Jahr hatten die Erlöse bei etwa 35,4 Milliarden Euro gelegen. Der neue Ausblick setzt allerdings voraus, dass es zu keiner weiteren großen Infektions-Welle kommt und es bei regionalen Covid-19-Herden bleibt.
Bisher hatte der Konzern einen stärkeren Umsatzanstieg und ein Gewinnplus von bis zu fünf Prozent angepeilt. Das Kappen der Ziele ist schmerzhaft, da Fresenius schon 2018 zweimal die Prognose kürzen musste und nach dem vergangenen Übergangsjahr wieder durchstarten wollte. Doch wie bei so vielen anderen Unternehmen macht Corona auch den Bad Homburgern einen Strich durch die Rechnung. Die Mittelfristziele will Sturm aber nicht antasten, hier bleibe abzuwarten, wieweit der Konzern aufholen könne, sagte er während einer Analystenkonferenz.
Von April bis Ende Juni kletterte der Umsatz von Fresenius um 2 Prozent auf 8,9 Milliarden Euro. Der Betriebsgewinn blieb mit gut 1,1 Milliarden Euro etwa stabil, während das um Sondereffekte bereinigte Konzernergebnis um 13 Prozent auf 410 Millionen Euro nachgab. Analysten hatten allerdings mit noch weniger gerechnet.
Negativ in der Quartalsbilanz schlug sich vor allem die Entwicklung bei der auf Flüssigmedizin, Narkosemittel und klinische Ernährung spezialisierten Tochter Kabi nieder. Ihr Ergebnis ging zurück, weil Kliniken in Europa und den USA planbare Operationen verschoben und etwa Betten für Corona-Patienten freigehalten wurden. Zudem ließ die Nachfrage nach Medikamenten zur Behandlung von Corona-Patienten in Europa und den USA im Lauf des Sommers nach. Im China-Geschäft sprach Fresenius indes nur von einer "schrittweisen Erholung". Die auf Gesundheitsprojekte spezialisierte Tochter Vamed musste Planungen aufschieben und Rehaeinrichtungen schließen und schrieb deshalb einen Verlust.
Besonders hohe Einbußen verzeichnete das Klinikgeschäft Helios, dessen Ergebnis um 17 Prozent sank. Der Klinikbetreiber hatte die Zahl der Intensivbetten für Corona-Patienten im Frühjahr kräftig aufgestockt, ausgelastet wurden sie aber selbst auf dem Höhepunkt der Pandemie bei weitem nicht. Die Zuwendungen des Bundes aus dem Corona-Topf konnten den Effekt fehlender Einnahmen aus aufgeschobenen Operationen nur abmildern. Anders als in Deutschland kann Fresenius für die Kliniken seiner spanischen Tochter Quironsalud bisher aber nicht auf einen finanziellen Ausgleich bauen, dort wird seit Wochen über eine Kompensation verhandelt. Sturm rechnet damit, dass sich die Verhandlungen noch länger in diesem Jahr hinziehen könnten, wie er während einer Analystenkonferenz sagte.
Seit Anfang Juni rüstet sich Deutschlands größte private Krankenhausgruppe, die hierzulande 86 Kliniken betreibt, auf eine Rückkehr zum Regelbetrieb und nimmt die verschobenen Operationen wieder auf. Helios verzeichne dadurch inzwischen eine "allmählich Zunahme" von Behandlungen, hieß es. Auch Vamed sollte im restlichen Halbjahr schrittweise von einer Wiederaufnahme zuvor verschobener Behandlungen profitieren, so Sturm.
Als robuster Stützpfeiler erwies sich hingegen die Dialysetochter FMC. Bei einem Umsatzplus von 5 Prozent auf knapp 4,6 Milliarden Euro kletterte das Ergebnis abseits von Sondereffekten und Wechselkursen um 40 Prozent. Trotz der Corona-Krise konnte die ebenfalls im Dax notierte FMC den Betrieb in den weltweit mehr als 4 000 Dialysezentren ohne nennenswerte Unterbrechungen aufrechterhalten. Dabei profitierte FMC auch vom Trend zur Heimdialyse, die Nierenpatienten eine komfortablere Blutwäsche zu Hause ermöglicht. Im zweiten Quartal stieg so die Zahl der Heimdialyse-Behandlungen in Nordamerika nach der Übernahme des US-Konzerns NxStage kräftig um 15 Prozent. FMC will unverändert in diesem Jahr mittlere bis hohe einstellige Wachstumsraten bei Umsatz und Ergebnis erzielen./tav/als/zb/mne/he
Quelle: dpa-Afx