BERLIN (dpa-AFX) - Deutschland und die USA wollen den Streit um die Gas-Trasse Nord Stream 2 möglichst bald beilegen und damit den letzten Bremsklotz für den Neustart ihrer Beziehungen aus dem Weg räumen. Die Außenminister Antony Blinken und Heiko Maas betonten am Mittwoch nach einem Treffen in Berlin einhellig, dass es dabei vor allem um den Schutz der Ukraine gehe. "Unser Ziel ist, sicherzustellen, dass Russland Energie nicht als Zwangsmittel, als Waffe gegen die Ukraine oder irgendwen sonst in Europa nutzt", betonte Blinken.
Maas sagte, man wolle "sehr zügig" zu Ergebnissen kommen, die von den USA mitgetragen werden könnten. Als möglichen Termin für eine Einigung nannte er den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus am 15. Juli. Falls das nicht zu halten sei, solle es bis August "zu akzeptabelen Ergebnissen für alle Seiten" kommen.
Die deutsch-amerikanischen Beziehungen waren unter US-Präsident Donald Trump auf einem Tiefpunkt. Trump hatte Deutschland vor allem als Konkurrenten und nicht als Verbündeten behandelt. Kaum ein internationales Treffen verging ohne Schimpftirade über mangelnde deutsche Verteidigungsausgaben oder den deutschen Handelsüberschuss. Noch kurz vor seiner Abwahl entschied Trump, Deutschland mit dem Abzug von US-Truppen abzustrafen.
Diese Entscheidung hat Biden gleich zu Beginn seiner Amtszeit rückgängig gemacht. Auch sonst läuft es wieder in den deutsch-amerikanischen Beziehungen - mit einer Ausnahme: Die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland ist der letzte große Störfaktor für die Rückkehr zur Harmonie.
Auch die neue US-Regierung befürchtet eine zu große Abhängigkeit Europas von russischem Gas. Das machte Blinken in seinem Gespräch mit Maas noch einmal deutlich. Aber hier gibt es inzwischen ebenfalls Bewegung. Im Mai verzichtete Biden auf Sanktionen gegen die Betreibergesellschaft und begründete das mit Rücksicht auf die Beziehungen zu Deutschland. Damit stieß er die Tür zu einer Beilegung des jahrelangen Streits unter Verbündeten ein weites Stück auf.
Seitdem laufen Gespräche über das weitere Vorgehen. Im Kern geht es darum, wie der Ukraine langfristig Milliarden-Einnahmen aus dem russischen Gastransit gesichert werden können. Davon, dass die USA die Pipeline stoppen wollen, ist dagegen keine Rede mehr. Blinken wies in Berlin darauf hin, dass die beiden Röhren durch die Ostsee schon zu mehr als 90 Prozent fertiggestellt waren, als seine Regierung ins Amt kam. "Das war die Realität", sagte er. "Wir wollen nun sehen, ob wir etwas Positives aus der schwierigen Situation machen können, die wir geerbt haben."
Blinken ist bereits der dritte hochrangige Vertreter der Regierung Biden nach Verteidigungsminister Lloyd Austin und dem Klimabeauftragten John Kerry, der sich in Berlin blicken lässt. Kurz nach seiner Ankunft startete ein deutscher Regierungsflieger in die entgegengesetzte Richtung: Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) machte sich als erstes Kabinettsmitglied seit Bidens Amtsantritt auf den Weg nach Washington, um Gespräche insbesondere über Handel und Klimaschutz zu führen. "Es gibt eine ausgestreckte Hand der neuen amerikanischen Regierung, diese Hand sollten wir ergreifen", sagte er vor seinem Abflug.
Ganz konfliktfrei wird aber auch diese Reise nicht sein. Erst vor kurzem hatten die EU und die USA vereinbart, Strafzölle auf Produkte wie Flugzeuge, Wein oder Ketchup bis 2026 auszusetzen. Dies soll ermöglichen, den Streit über staatliche Hilfen für den US-Flugzeugbauer Boeing
Zu Nord Stream 2 sagte Altmaier: "Wir diskutieren auch über diese Frage unter Freunden. Unser Ziel besteht darin, dass wir uns nicht auseinanderdividieren lassen." Besonders auf deutscher Seite ist man inzwischen zunehmend genervt, dass Nord Stream 2 immer noch die gute Stimmung zwischen Deutschland und den USA vermiest. Bei der Pressekonferenz von Maas und Blinken im Auswärtigen Amt wurden wieder zwei von vier Fragen zu diesem Streitthema gestellt. Die Antwort auf die zweite Frage begann Maas mit dem Satz: "Wahrscheinlich könnten wir die ganze Welt retten, und es wird trotzdem immer nur um Nord Stream 2 gehen."/mfi/DP/fba
Quelle: dpa-Afx