BERLIN (dpa-AFX) - Mit wachsender Ungeduld hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Bundesregierung an ihr Versprechen erinnert, eine praxistaugliche Regelung für die Speicherung von Daten durch Telekommunikationsanbieter zu schaffen. Die Uneinigkeit zwischen Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei diesem Thema dürfe nicht auf dem Rücken der Opfer von Straftaten ausgetragen werden, mahnte die Gewerkschaft. Die aktuelle Situation sei unbefriedigend. "Unsere Ermittlungsarbeit wird nahezu unmöglich gemacht", kritisierte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende, Alexander Poitz. "Wir müssen die Täter identifizieren, bekommen dazu aber nicht die richtigen Möglichkeiten."
SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, sie wollten "die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung so ausgestalten, dass Daten rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können". Laut dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) dürfen Kommunikationsdaten von Bürgerinnen und Bürgern - das heißt, wer wann wo mit wem telefoniert, SMS oder E-Mails ausgetauscht hat - nicht ohne Anlass gespeichert werden. Eine gezielte und zeitlich begrenzte Speicherung der Daten ist aber bei einer ernsten Bedrohung für die nationale Sicherheit möglich. Zur Bekämpfung schwerer Kriminalität könne auch eine Vorratsspeicherung der IP-Adressen möglich sein, hielt das Gericht im September 2022 fest.
Wenig später legte Buschmann dann einen Vorschlag für ein auf konkrete Verdachtsfälle beschränktes Verfahren zur Sicherung von Telekommunikationsdaten vor. Sein Entwurf zur Einführung von "Quick Freeze" wurde im Oktober zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung verschickt. Faeser findet allerdings, das von Buschmann vorgeschlagene Verfahren sei "kein adäquater Ersatz für eine Speicherung von IP-Adressen".
Seit dem EuGH-Urteil sei sehr wenig passiert, kritisierte die GdP. Das von Buschmann vorgeschlagene "Speichern und Einfrieren der Verkehrsdaten zu einem bestimmten Zeitpunkt limitiert die Möglichkeiten der Polizei", sagte Poitz. Insbesondere bei komplexen Verfahren ergäben sich oft im Laufe der Ermittlungen Erkenntnisse, die bei "Quick Freeze" ins Leere laufen würden.
"Es besteht Einigkeit zwischen dem Bundesjustizministerium und dem Bundesinnenministerium, dass die Ermittlungsbehörden gegenüber dem Status Quo gestärkt werden sollen", sagte ein Sprecher des Justizressorts auf Anfrage. Das Bundesjustizministerium habe einen Vorschlag vorgelegt, "mit dem die Befugnisse der Ermittler schnell, rechtssicher und grundrechtsschonend verbessert werden können". Die Gespräche dazu seien "konstruktiv und dauern gegenwärtig noch an".
Auch im Haus von Nancy Faeser betont man, das Vorhaben sei keineswegs begraben. "Das Bundesinnenministerium befindet sich weiterhin mit dem Bundesjustizministerium im Austausch, um eine Lösung zu finden, die sowohl datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten als auch den Bedarfen der Sicherheitsbehörden gerecht wird", teilt eine Sprecherin mit. Nicht ohne zu betonen, wo die Ministerin hier den Schwerpunkt sieht: "IP-Adressen und Portnummern spielen bei der Ermittlung von Straftaten, die über das Internet oder mithilfe des Internets begangen werden, eine sehr wichtige Rolle", sagte die Sprecherin. Innerhalb der Bundesregierung wird darüber beraten, wie die Rechtsprechung des EuGH, der eine anlasslose Speicherung von IP-Adressen zum Zwecke der Bekämpfung schwerer Kriminalität ausdrücklich zugelassen habe, umgesetzt werden könne.
Die Gewerkschaft der Polizei hofft jetzt auf Brüssel. Spanien habe angekündigt, es wolle das Thema der Mindestspeicherfristen während seiner EU-Ratspräsidentschaft anpacken und für eine europaweite Harmonisierung der polizeilichen Befugnisse sorgen, sagte Poitz. Dies sei ein "Silberstreif am Horizont"./abc/DP/ngu
Quelle: dpa-Afx