AMSTERDAM (dpa-AFX) - Hohe Rückstellungen für gefährdete Kredite haben der niederländischen Großbank ING im Corona-Jahr 2020 einen herben Gewinneinbruch eingebrockt. Weil außerdem Kosten für einen Stellenabbau anfielen, sackte der Nettogewinn um fast die Hälfte auf knapp 2,5 Milliarden Euro nach unten, wie das Institut am Freitag in Amsterdam mitteilte. Im vierten Quartal fielen die Belastungen aber geringer aus, so dass das Geldhaus unter dem Strich mehr verdiente als von Analysten im Schnitt erwartet.

An der Börse kamen die Nachrichten gut an. Kurz nach Handelsbeginn in Amsterdam legte die ING-Aktie um bis zu rund sechs Prozent auf 8,295 Euro zu und war mit Abstand der stärkste Wert im niederländischen Leitindex AEX . Damit liegt ihr Kurs aber immer noch fast ein Viertel niedriger als vor einem Jahr, als die Corona-Krise die Wirtschaft und die Finanzmärkte noch nicht erfasst hatte. Die Branchenexperten von JPMorgan, Goldman Sachs und dem Analysehaus Jefferies zeigten sich von den jüngsten Geschäftszahlen angetan.

ING legte im vergangenen Jahr fast 2,7 Milliarden Euro für ausfallgefährdete Darlehen zurück, fast zweieinhalb Mal so viel wie im Vorjahr. Die Bank habe in der Pandemie jede Woche mit tausenden Kunden gesprochen und bei Krediten Zahlungsaufschübe im Umfang von 19,4 Milliarden Euro gewährt, sagte der neue ING-Chef Steven van Rijswijk. Er hatte das Ruder im Sommer von Ralph Hamers übernommen, der inzwischen an die Spitze der schweizerischen Großbank UBS gerückt ist.

Unterdessen zogen die verschärften Niedrigzinsen und eine gesunkene Nachfrage nach neuen Krediten die Erträge der Bank nach unten. Privatkunden und Unternehmen hätten sich wegen der Unsicherheit durch die Pandemie weniger Geld geliehen, hieß es. Zudem hätten die Menschen während der Lockdowns weniger Geld ausgegeben und höhere Beträge auf ihren Konten angespart, berichtete van Rijswijk.

Im Gesamtjahr sanken die Erträge der ING in der Folge um fast vier Prozent auf 17,6 Milliarden Euro. Im vierten Quartal lagen sie sogar sechs Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Dabei konnten gestiegene Provisions- und Gebührenerträge den Rückgang beim Zinsüberschuss nicht wettmachen.

Die Anteilseigner sollen sich zunächst mit einer Dividende von 12 Cent je Aktie begnügen, da die Europäische Zentralbank (EZB) die Gewinnausschüttungen der Branche wegen der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie begrenzt hat. Die ING-Führung stellte den Aktionären aber einen Nachschlag für die Jahre 2019 und 2020 in Aussicht, wenn die EZB die Beschränkungen im Herbst aufhebt. Dabei könnte es um eine weitere Dividende gehen oder auch um einen Aktienrückkauf.

Auch wenn der Aktienkurs der ING im vergangenen Jahr deutlich gelitten hat, ist das Institut an der Börse immer noch deutlich mehr wert als die Deutsche Bank . So kommt das Amsterdamer Geldhaus derzeit auf eine Marktkapitalisierung von rund 32 Milliarden Euro, während der Frankfurter Dax-Konzern mit etwa 18 Milliarden Euro bewertet wird./stw/tav/men

Quelle: dpa-Afx