BERLIN (dpa-AFX) - Die rot-grüne Minderheitsregierung will Unternehmen bei den hohen Stromkosten entlasten. Das Bundeskabinett beschloss in einem Umlaufverfahren einen Vorschlag für einen Bundeszuschuss zu den Netzkosten im kommenden Jahr, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte, die Netzentgelte sollten kurzfristig schon für das Jahr 2025 gedämpft werden. "Jetzt hat das Parlament die Grundlage, die Entlastung schnell zu beschließen. Ich werbe dafür, dass wir hier schnell eine Einigung finden - im Sinne der Wirtschaft und der Verbraucher."

Rot-Grün hat nach dem Scheitern der Ampel-Koalition mit der FDP keine Mehrheit mehr im Bundestag. Habeck sowie Kanzler Olaf Scholz (SPD) machen sich vor dem Hintergrund massiver Forderungen aus der Wirtschaft seit längerem dafür stark, die Netzentgelte zu senken. Sie sind ein Bestandteil des Strompreises und steigen wegen der hohen Kosten für den Stromnetzausbau.

Tausende Kilometer neuer Stromleitungen sind teuer

Tausende Kilometer neue Stromleitungen sind notwendig, damit der vor allem im Norden produzierte Windstrom in große Verbrauchszentren im Süden gelangt. Das kostet viele Milliarden. Steigende Netzentgelte belasten laut Ministerium die Endkunden, da diese Kosten auf den Strompreis umgelegt werden. Besonders einkommensschwache Haushalte litten unter den hohen Energiekosten. Ein staatlicher Zuschuss mildere diese Belastung ab.

Rot-Grün will Gesetzesänderung

Konkret geht es bei dem Kabinettsbeschluss um Änderungen des Energiewirtschaftsrechts - technisch handelt es sich um eine Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen. Der Zuschuss zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten in Höhe von bis zu 1,32 Milliarden Euro für das Kalenderjahr 2025 solle durch Mittel des Bundes finanziert werden, so ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Der Zuschuss werde die Höhe der Übertragungsnetzkosten, die über die Netzentgelte zu refinanzieren seien, senken und damit allen Verbrauchern zugutekommen.

Denkbar ist, dass zur Finanzierung ein Teil von eigentlich vorgesehenen Intel -Fördermitteln genutzt wird. Die Gelder werden durch die Verschiebung beim Intel-Chipwerk in Magdeburg frei.

Standort unter Druck

Die Wirtschaft beklagt seit langem im internationalen Vergleich hohe Stromkosten. Eigentlich war für dieses Jahr ein Bundeszuschuss zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten von bis zu 5,5 Milliarden Euro geplant. Als Folge eines Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts hatte die Bundesregierung diesen Zuschuss aber aus Spargründen gestrichen. Der fehlende Zuschuss belastet vor allem die energieintensive Industrie.

Habeck sagte, eine Dämpfung der Netzentgelte im kommenden Jahr sei wichtig für Unternehmen, aber auch die Verbraucher. "Der deutsche Industriestandort steht unter Druck und wir sollten alles daran setzen, seine Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Dafür müssen ganz besonders die Strompreise runter. Die Netzkosten sind ein Teil davon."

Grundlegende Reform gefordert

Mittelfristig müssten die Netzentgelte umfassend neu finanziert werden, so Habeck. "Die hohen Anfangskosten des klimaneutralen Stromsystems sollten nicht einseitig auf die aktuellen Verbraucher umgelegt werden. Denn hier wird eine Aufbauleistung auch für die kommenden Generationen geleistet."

Habeck hatte bereits vorgeschlagen, Kosten für den Ausbau der Stromnetze zeitlich zu strecken. Mit einem "Amortisationskonto" ließen sich die Kosten für Investitionen in den Netzausbau auf aktuelle und zukünftige Nutzer wesentlich gleichmäßiger verteilen. Ein solches Konto gibt es bereits beim Aufbau eines Wasserstoffnetzes./hoe/DP/ngu

Quelle: dpa-Afx