HAMBURG (dpa-AFX) - In dem seit Monaten schwelenden Konflikt um den geplanten Konzernumbau bei Airbus droht die IG Metall nun offen mit Arbeitskampf. Dazu hat die größte deutsche Gewerkschaft dem Flugzeugbauer am Freitag Forderungen nach einem Sozialtarifvertrag auf den Tisch gelegt, über den von Mittwoch an in Hamburg verhandelt werden soll. Darin sollen Bedingungen für die Beschäftigten geregelt werden, die bei den Töchtern Airbus Operations und Premium Aerotec von dem Umbau betroffen sind. IG Metall und Betriebsräte verlangen - aus ihrer Sicht bislang vergeblich - konkrete Zusagen zur Absicherung der Beschäftigung an den Standorten in Norddeutschland und Augsburg bis ins nächste Jahrzehnt.

"Wenn Airbus weiter mit dem Kopf durch die Wand will, dann werden wir uns entsprechend wehren und das machen, was wir machen können, nämlich durch Warnstreiks, durch Arbeitskampf ökonomischen Druck auf das Unternehmen auszuüben", sagte IG-Metall-Bezirksleiter Küste Daniel Friedrich am Freitag. Friedrich ist vom Vorstand der Gewerkschaft mit der bundesweiten Verhandlungsführung beauftragt worden. Sein bayerischer Kollege, der Münchner Bezirksleiter Johann Horn, beklagte, Airbus lasse die Beschäftigten "am ausgestreckten Arm verhungern", habe "durch Nichtstun die Situation eskaliert" und zwinge "die Beschäftigten zum Kampf um ihre Zukunftsperspektive".

Der französische Chef des Dax-Anwärters Airbus, Guillaume Faury, hatte im April angekündigt, dass Anfang 2022 Teile von Airbus Operations und große Teile von Premium Aerotec in einer neuen Tochter aufgehen, die sich um die Strukturmontage kümmert. Dabei geht es zum Beispiel um große Rumpfteile. Zudem soll eine neue Einheit entstehen, die sich auf die Fertigung von Einzelteilen und Kleinkomponenten konzentriert. Für dieses Unternehmen, das auch andere Kunden bedienen soll, strebt Airbus die Verbindung mit einem "starken, externen Partner" an. Betroffen sind in der einen oder anderen Form nach aktuellen Angaben der IG Metall knapp 13 000 Beschäftigte an den Airbus-Standorten in Hamburg, Bremen und Stade sowie bei der Airbus-Tochter Premium Aerotec in Nordenham, Varel und Augsburg.

In Frankreich gibt es vergleichbare Pläne. Ein rotes Tuch ist für die deutschen Belegschaften aber, dass Airbus seine französische Tochter Stelia in den Konzern integrieren, in der Teilefertigung seine deutsche Tochter Premium Aerotec aber aufspalten wolle. Gewerkschaft und Betriebsräte haben bereits mehrfach in Betriebsversammlungen und Protestaktionen ihren Unmut über die Umbaupläne vorgebracht. Eine weitere Eskalation käme für Airbus ungelegen, weil der Flugzeugbauer vor allem bei seinen Bestsellern aus der A320-Familie auf prall gefüllten Auftragsbüchern sitzt und nach der Vollbremsung in der Coronakrise vor einem Hochlauf der Produktion steht.

"Airbus wird durch die neue Struktur nicht stärker, sondern schwächer", argumentiert IG-Metall-Bezirksleiter Friedrich. "Eine Abspaltung und einen möglichen Verkauf der Einzelteilefertigung, zu der die Premium-Aerotec-Werke in Varel ganz und Augsburg teilweise gehören, lehnen wir ab. Der Bereich gehört mit in die neue Struktur." Außerdem bestehe die Gewerkschaft auf "klare Zusagen für zukünftige Arbeitsanteile, die Beschäftigung und Standorte langfristig sichern".

Die IG Metall geht den Umweg über förmliche Tarifgespräche, weil nur so in letzter Konsequenz ein Streik möglich ist. Bislang hatten die Betriebsräte mit dem Management über die Umbaupläne gesprochen. Allerdings haben die nur ein begrenztes Druckpotenzial: Zum Arbeitskampf aufzurufen, ist Betriebsräten gesetzlich verwehrt.

Die Verhandlungen sollen am Mittwoch (1.9.) in einem Hamburger Hotel beginnen. Für den folgenden Dienstag (7.9.) haben Gewerkschaft und Airbus einen weiteren Verhandlungstermin vereinbart. In Gewerkschaftskreisen wird allerdings nicht damit gerechnet, dass dann schon eine Einigung erzielt wird.

Die konkreten Forderungen für den Sozialtarifvertrag sollen Beschäftigte im Falle eines Falles absichern: So verlangt die IG Metall eine Abfindung von drei Bruttogehältern je Jahr der Betriebszugehörigkeit, mindestens jedoch 25 000 Euro, sollten Beschäftigte ihren Job verlieren. Zudem sollen eine Härtefallregelung sowie zweijährige Qualifizierungsmaßnahmen vereinbart werden. Weil die Umbaupläne aus Sicht der Gewerkschaft langfristige Folgen haben dürften, verlangt sie eine Laufzeit von 12 Jahren. Bei Airbus steht in den nächsten Jahren eine Entscheidung für ein A320-Nachfolgemodell an, das im kommenden Jahrzehnt auf den Markt kommen dürfte./kf/DP/nas

Quelle: dpa-Afx