BERLIN (dpa-AFX) - Konnte Porsche-Chef Oliver Blume dank eines guten Drahtes zu FDP-Chef Christian Lindner Einfluss auf Entscheidungen der Ampel-Koalition nehmen? Oder hat der erfolgsverwöhnte Manager, der ab September auch den Volkswagen
Nach einiger Aufregung hat sich der Porsche-Chef am Wochenende dafür entschuldigt. Er habe in einer firmeninternen Veranstaltung in Bezug auf Kontakte zum Thema synthetische Kraftstoffe "falsche Worte" gewählt, sagte der 54-Jährige der "Bild am Sonntag". "Dadurch ist ein falscher Eindruck entstanden. Das tut mir leid." Die FDP hatte die Darstellung eines engen Austausches zwischen Blume und Parteichef Lindner bereits zuvor klar zurückgewiesen.
Dass Manager und Politiker miteinander sprechen, ist nichts Ungewöhnliches. Dass ein Manager danach intern darüber berichtet und vielleicht sogar ein bisschen mit seinem Einfluss prahlt, auch nicht. Dass sich ein Firmenchef Wochen später öffentlich für seine Wortwahl entschuldigt, hat dagegen Seltenheitswert. Blumes Entschuldigung dürfte auch damit zu tun haben, wie stark Finanzminister Lindner - selbst Porsche-Fahrer - deswegen in die Kritik geraten ist.
Auslöser war ein Bericht des ZDF-Satiremagazins "Die Anstalt" vom Dienstag, in dem Äußerungen Blumes bei einer Betriebsversammlung am 29. Juni wiedergegeben wurden. Demnach soll der Chef vor Mitarbeitern gesagt haben, dass Porsche "sehr großen Anteil" daran gehabt habe, dass eine weitere Nutzung von synthetisch hergestellten E-Fuels für Verbrennungsmotoren "in den Koalitionsvertrag miteingeflossen" sei.
"Da sind wir Haupttreiber gewesen, mit ganz engem Kontakt an die Koalitionsparteien. Der Christian Lindner hat mich in den letzten Tagen fast stündlich auf dem Laufenden gehalten", wurde Blume vom ZDF zitiert.
Ende Juni hatte es innerhalb der Ampel-Koalition Streit über ein Verbot für die Neuzulassung von Verbrennerautos ab 2035 auf EU-Ebene gegeben. Lindner lehnte das Verbot ab. In den Koalitionsverhandlungen im Herbst 2021 hatte sich die Ampel darauf geeinigt, Neuzulassungen für Verbrennermotoren ab 2035 zu verbieten - für Autos, die nur mit E-Fuels betrieben werden können, sollte es aber eine Ausnahme geben.
Ein FDP-Sprecher erklärte am Samstag, Lindners Position zu E-Fuels sei "seit Jahren bekannt" und stamme noch aus der Zeit der FDP in der Opposition. Es habe "im Oktober 2021 lediglich ein kurzes Telefonat zwischen Herrn Blume und Herrn Lindner zu Fragen der Verwendung von E-Fuels" gegeben. Solche Gespräche hätten auch die übrigen Verhandler der Koalitionspartner geführt, was angesichts der Bedeutung der deutschen Automobilindustrie auch richtig sei.
Mit Blick auf Lindners Vorgehen Ende Juni erklärte die FDP, dass es vor dieser Entscheidung "keinerlei Kontakt in der Sache mit Herrn Blume und auch danach keinerlei Versuch einer Einflussnahme auf die lange bestehende Position von Herrn Lindner gegeben" habe.
Die Erklärungen folgten auf tubulente Tage. Nach Ausstrahlung der ZDF-Sendung hatte es im Laufe der Woche auf Twitter Tausende Posts mit dem Hashtag "LindnerRücktritt", teilweise auch mit "PorscheGate" gegeben. Das ZDF teilte nach der Sendung mit, für Blumes Äußerungen gebe es verifizierte Belege. Diese lagen dpa nicht vor.
Am Freitag dann erklärte ein Porsche-Sprecher auf Anfrage, den fraglichen Austausch habe es "so nicht gegeben" - kurz bevor am Abend die Nachricht bekannt wurde, dass Blume zum 1. September Herbert Diess als Vorstandschef des Volkswagen-Konzerns ablösen soll.
Am Samstag zeigte man sich bei Porsche zerknirscht. "Im Rahmen einer internen Veranstaltung im Juni ist überspitzt formuliert worden, dafür entschuldigen wir uns", so ein Sprecher. "Die Wortwahl entspricht nicht den Tatsachen. Der Austausch hat so nicht stattgefunden und es gab keine Einflussnahme." Zur genauen Wortwahl Blumes machte der Sprecher keine Angaben. Schließlich: die Entschuldigung Blumes persönlich.
Die Linke warnte angesichts der Berichte vor einer Gefährdung der Demokratie. "Es kann nicht sein, dass der Porsche-Chef augenscheinlich besser über den Stand der Koalitionsverhandlungen informiert wurde als der Rest der Bevölkerung. Das wäre eine weitere Aushöhlung der Demokratie", sagte Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte der "Welt am Sonntag". Christina Deckwirth von Lobby Control sagte: "Es ist hochproblematisch, wenn es bei Koalitionsverhandlungen Sonderzugänge für große finanzstarke Konzerne gibt."
Bei E-Fuels handelt es sich um Treibstoffe für Benzin- oder Dieselmotoren, die durch ein schwieriges chemisches Verfahren hergestellt werden. Kritiker führen gegen die synthetischen Kraftstoffe an, die Herstellung brauche extrem viel Energie und sei deswegen sehr teuer und ineffizient. Umweltschützer sehen E-Fuels daher nicht als sinnvolle Alternative zur Elektromobilität.
SPD, Grüne und FDP hielten im Herbst 2021 in ihrem Koalitionsvertrag fest, dass sich die Regierung für E-Fuels einsetzen wolle. Porsche engagiert sich seit Längerem in der Entwicklung von E-Fuels - im Herbst etwa fiel der Startschuss für eine Pilotanlage zur Produktion der Kraftstoffe in Chile./jbz/DP/he
Quelle: dpa-Afx