Inzwischen waren Ende 2013 zwar 618 Millionen Chinesen online und Mitte 2014 ist die Zahl auf 632 Millionen gestiegen, aber die Penetrationsrate liegt damit noch immer erst bei 46,9 Prozent. Das ist aber noch immer tiefer als die Internet-Penetrationsrate von 84,2 Prozent in den USA und von 86,3 Prozent in Japan. Bei der Investmentbank Jefferies rechnen die Analysten mit einem Anstieg der chinesischen Quote auf 62 Prozent, was einer Internet-Userzahl von 858 Millionen entsprechen würde.
Das ist allerdings nur die eine Seite des möglichen Wachstumspotenzials. Die zweite Option auf Wachstum ergibt sich durch eine stärkere Nutzung des Internets zu E-Commerce-Zwecken. Dafür spricht auch die Jefferies-Annahme, wonach der Anteil der Über-30-Jährigen Internetnutzer in China von 33 Prozent im Jahr 2008 bis 2016 auf 54 Prozent steigen soll. Für das Geld verdienen im Internet ist diese Prognose deshalb von Belang, weil die Gruppe der Über-30-Jährigen über eine größere Kaufkragt verfügt.
Schätzungen zufolge soll der E-Commerce-Markt in China von 2013 bis 2018 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 28 Prozent erzielen können. Das klingt durchaus realistisch, würden damit doch selbst dann erst 10,4 Prozent aller Einzelhandelsumsätze auf den E-Commerce entfallen. Insgesamt sind die Wachstumsperspektiven somit gut und das erklärt, warum nicht nur Alibaba sondern auch andere chinesische Internet-Aktien bei den Anlegern sehr beliebt sind. Auf den nachfolgenden Seiten erklären wir, was vor diesem Hintergrund von den Alibaba-Aktien zu halten ist und bei welchen drei China-Aktien Jefferies zum Kaufen rät.
Chinesische Internet-Aktie Nummer 1: Alibaba Group Holding Ltd. (WKN: A117ME, 69,94 Euro)
Wie bereits eingangs erwähnt hat die chinesische Online-Handelsplattform Alibaba einen bombigen Start am Aktienmarkt hingelegt. Gegenüber dem Ausgabepreis von 68 Dollar bewegt sich der Kurs bei aktuell gültigen 88,71 Dollar mit gut 30 Prozent im Plus. Am ersten Handelstag hat die Notiz mit in der Spitze 99,30 Dollar sogar schon an der 100-Dollar-Marke gekratzt. Gemessen an der Zahl der ausgegeben Aktien wurden gut 25 Milliarden Dollar eingenommen, was dem höchsten Erlös aller Zeiten bei einem Börsengang entspricht.
Wegen der darin zum Ausdruck kommenden Euphorie stellen sich manche skeptische Marktteilnehmer sogar schon die Frage, ob der umjubelte Börsengang von Alibaba rückblickend nicht vielleicht den Höhepunkt im laufenden Bullenmarkt markieren wird. Mit einem Börsenwert von rund 175 Milliarden Euro wird Alibaba nicht nur höher bewertet als Amazon und Ebay zusammen, sondern theoretisch würde man damit auch zu den größten Unternehmen im amerikanischen S&P 500 Index zählen.
Wie anspruchsvoll die Bewertung ist, zeigt sich auch an einem für 2014 auf 37,7 geschätzten KGV. Als Gegenleistung hat das Unternehmen aber auch einiges zu bieten. Wie wachstumsstark die Gesellschaft ist, zeigen die für das zweite Quartal vorgelegten Geschäftszahlen. Der Umsatz stieg da in lokaler Währung um 46 Prozent auf 2,54 Milliarden Dollar und der operative Gewinn um 42 Prozent auf 1,1 Milliarden Dollar. Erfüllen sich die Wachstumshoffnungen (Analysten rechnen in den kommenden fünf Jahren mit einem Gewinnplus je Aktie von im Schnitt jährlich 28,8 Prozent), dann lässt sich die Bewertung vielleicht sogar rechtfertigen. Zumal Alibaba als Pluspunkt auch über eine sehr starke Marktstellung verfügt. In China bewegen sich die eigenen Marktanteile in den Bereichen, in denen sich das Unternehmen tummelt, zwischen 50 und 90 Prozent und die Gesellschaft zeichnet für die Abwicklung von rund 70 Prozent aller E-Commerce-Umsätze in China verantwortlich.
Ein noch ernster zu nehmendes Problem als die Bewertung stellt aber auf jeden Fall die Eigentümerstruktur dar. Denn diese ist so konstruiert, dass Firmengründer Jack Ma letztlich das Sagen hat und wohin solche Konstellationen führen können, haben Negativbeispiele von in Deutschland gelisteten chinesischen Aktien leider bereits mehrfach bewiesen.
Doch wie die ausgesprochen rege Nachfrage zum Börsenstart zeigt, spielt dieser Aspekt derzeit im Denken der Anleger keine große Rolle. Derzeit stehen die rosigen Wachstumsaussichten im Fokus und solange der Gesamtmarkt mitspielt, dürfte die damit verbundene Phantasie der Alibaba-Aktie zu mittelfristig noch höheren Kursen verhelfen. Die Analysten von MKM Research beispielsweise sehen die Notiz jedenfalls in den kommenden zwölf Monaten auf 125 Dollar steigen.
Chinesische Internet-Aktie Nummer 2: JD.com Inc. (WKN: A112ST, 20,64 Euro)
Nicht von der Euphorie rund um den Börsengang von Alibaba hat bisher JD.com profitiert. Im Gegenteil: In den vergangenen Wochen musste der Aktienkurs der nach Alibaba zweitgrößten chinesischen Online-Handelsplattform sogar kräftig Federn lassen. Am Markt wurde das mit der Sorge erklärt, durch die neue Option, Geld in die Aktie von Alibaba stecken zu können, könnte Kapital aus den Anteilsscheinen von JD.com abgezogen werden. Spekuliert wird darüber auch deshalb, weil JD.com bisher anders als der Konkurrent nicht profitabel ist. Auch 2014 dürften noch Verluste anfallen und selbst 2015 ist laut Konsensschätzung von Analysten nur mit einem kleinen Gewinn je Aktie von 0,03 Dollar zu rechnen. Auf Basis des aktuellen Aktienkurses von 26,29 Dollar würde sich daraus ein extrem hohes KGV von 876 ergeben.
Allerdings hat das auch mit der bisherigen Fokussierung des Unternehmens auf eine Steigerung des Umsatzes zu tun bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Rentabilität. Was für eine Dynamik man dafür aber auf der Umsatzseite entwickelt, zeigen die Konsensschätzungen der Analysten für den Umsatz. Demnach sollen diese von voraussichtlich 18,35 Milliarden Dollar in diesem Jahr auf 27,27 Milliarden Dollar im kommenden Jahr steigen. Zieht man die Umsatzseite als Kriterium zu Rate, steht JD.com bei einem Bewertungsvergleich auch deutlich besser da als auf KGV-Basis. So veranschlagt Jefferies das Verhältnis von Kurs zum Umsatz für 2015 bei JD.com auf 1,3, während diese Relation für die chinesischen E-Commerce-Anbieter im Schnitt auf deutlich höhere 2,5 beziffert wird.
Laut Jefferies hätte JD.com mit seinen derzeit 38,1 Millionen Kundenkonten und den im zweiten Quartal ausgelieferten Aufträgen von 163,7 Millionen eine höhere Bewertung verdient und als Kursziel werden 38 Dollar genannt. Gegenüber dem aktuellen Kurs bedeutet das theoretisch ein Potenzial von 44,5 Prozent. Die Kurszielprognose basiert dabei auch auf den von dem Marktführer im Online-Direktverkauf im zweiten Quartal erreichten Marktanteil von 54,3 Prozent sowie der Annahme, dass die Gesellschaft vom zunehmenden Einsatz des Mobilfunkstandards der vierten Generation in der Form von steigenden Gewinnmargen besonders profitieren wird.
Chinesische Internet-Aktie Nummer 3: Vipshop Holdings Ltd. (WKN: A1JVJQ, 153,05 Euro)
Mehr als doppelt so hoch wie JD.com ist auf Kurs-Umsatz-Basis für 2015 mit einer Kennziffer von 2,7 Vipshop bewertet. Doch das Shopping-Portal, das Markenartikel zu günstigen Preisen anbietet, macht dafür bei anderen Bewertungsrelationen Boden gut. Bei einem von Jefferies selbst für 2016 noch auf gut 32 geschätzten KGV wird das zwar auch bei dieser Kennziffer nicht sofort ersichtlich. Doch Vipshop punktet mit sehr hohen Wachstumsraten. So rechnen Analysten beim Umsatz in diesem Jahr mit einem Anstieg auf 3,65 Milliarden Dollar, nachdem es im Vorjahr erst 1,7 Milliarden Dollar waren. 2015 sollen es den Prognosen zufolge sogar 5,99 Milliarden Dollar werden. Sehr optimistisch fallen auch die Vorhersagen für den Gewinn je Aktie aus. Nach 1,12 Dollar im Vorjahr werden für 2014 bereits 2,97 Dollar prognostiziert und für 2015 noch einmal deutlich höhere 5,20 Dollar.
Auf Sicht von fünf Jahren wird von Analysten das Gewinnplus je Aktie auf 100,85 Prozent per anno beziffert. Das ist ein Brett und erklärt, warum die Anleger diesen Titel mit ihren Käufen seit August 2012 von 4,80 Dollar bis in der Spitze auf 229,18 Dollar nach oben getrieben haben. Angelockt werden die Investoren auch durch eine ansehnliche Eigenkapitalrendite. Für 2014 rechnen die Analysten von Jefferies hier mit einem Wert von 30,6 Prozent und in den beiden kommenden Jahren soll die Eigenkapitalrendite dann sogar auf 34,8 Prozent und 36,3 Prozent steigen.
Basis dafür bildet das attraktive Geschäftsmodell, eine begrenzte Anzahl von preislich erheblich reduzierten Markenartikeln (die Abschläge bewegen sich typischerweise bei 30 bis 70 Prozent gegenüber dem Originalpreis) für eine vordefinierte Zeit (meistens drei bis fünf Tage) zum Verkauf anzubieten. Angeboten werden dabei derzeit von dem erst 2008 gegründeten Unternehmen Kleidung und Schuhe sowie Kosmetika, Haushaltsgüter und andere Lifestyle-Produkte von rund 10.000 in- und ausländischen Herstellern. Die Analysten von Jefferies halten derzeit für dieses Geschäftsmodell ein Kursziel von 280 Dollar für angemessen. Geht diese Rechnung auf, würde sich daraus gemessen am aktuellen Kurs von 193,98 Dollar ein Gewinn von gut 44 Prozent einfahren lassen.
Chinesische Internet-Aktie Nummer 4: Baidu Inc. (WKN: A0F5DE, 173,66 Euro)
Ebenfalls bereits eine sehr rasante Kursentwicklung auf das Börsenparkett gezaubert hat Baidu. Das chinesische Google-Pendant, das mit Onlinesuche und -werbung ein ähnliches Geschäftsmodell verfolgt wie der US-Konkurrent hat den eigenen Aktienkurs seit Dezember 2008 von 10,45 Dollar auf den am 18. September erreichten Rekordstand von 228,45 Dollar verbessert. Bei dem aktuell gültigen Kurs von 220,095 Dollar beziffern Analysten das geschätzte KGV für 2014 auf 35,5.
Wie bei chinesischen Internet-Aktien üblich ist auch das optisch hoch, doch auch in diesem Fall wird es relativiert durch die guten Wachstumsaussichten. So rechnen Analysten in diesem Jahr mit einem Umsatzplus von 54,3 Prozent auf 49,3 Milliarden Dollar und von 40,3 Prozent auf 69,14 Milliarden Dollar im kommenden Jahr. Beim Gewinn je Aktie wird zudem in den nächsten fünf Jahren mit einem jährlichen Durchschnittsplus von 36,44 Prozent vorhergesagt.
Wuchern kann der Suchmaschinenbetreiber außerdem mit dem Pfund, auf dem großen Heimatmarkt die Nummer eins zu sein. Gas gibt man aber auch im Ausland. Weltweit kommt man inzwischen auf einen Marktanteil von 18 Prozent, was mehr ist, als das was Yahoo (6,7 Prozent) und Microsoft Bing (5,6 Prozent) im Suchmaschinengeschäft erreichen.
Außerdem mangelt es Baidu nicht an Ideen, die eigenen Aktivitäten immer weiter auszubauen. Unter anderem wird gerade beispielsweise zusammen mit dem Internet-Konzern Tencent an einem Joint Venture mit dem Immobilien- und Unterhaltungskonzern Dalian Wanda Group gearbeitet. Dabei geht es darum, eine Brücke zwischen der Online-Technologie auf der einen und physischen Einkaufszentren auf der anderen Seite zu bauen. Kunden soll es so ermöglicht werden, die Online-Karten und Suchfunktionen von Baidu und Tencent zu nutzen, um ihren Weg in die Luxushotels, Shopping-Center und Kinos von Wanda in ganz China zu finden. Zudem soll das Joint Venture auch neue Möglichkeiten schaffen, wie Kunden mit ihrem Mobiltelefon für Waren aus der Offline-Welt bezahlen können.
Noch ist das zwar nur eine Idee, zeigt aber den Elan, mit der Baidu versucht immer weiter nach oben zu kommen. Geht es nach Jefferies, hat auch der Aktienkurs längst noch nicht seinen Zenit gesehen. Als Kursziel werden derzeit jedenfalls 283 Dollar genannt, was theoretisch immer noch ein Potenzial von fast 29 Prozent lässt.
Auf Seite 6: Daten zur Internetnutzung in China
Zahl und Wachstum der Internetnutzer in China (2008A-2018E)
Chinesische Internet-Penetrationsrate nach Altersgruppen (2011A-2018E)