Nur sieben Aktien aus dem DAX haben in diesem Jahr ihre Bestmarke weiter verbessert. Die Aktionäre der Allianz müssen sich hingegen noch länger gedulden: Das Rekordhoch von rund 440 Euro datiert aus dem Frühjahr 2000, der Abschlag vom Gipfel fällt mit 50 Prozent überdurchschnittlich hoch aus. Wer allerdings in den vergangenen Jahren eingestiegen ist, hat Grund zur Freude. Mit plus 60 Prozent auf Sicht von drei Jahren zählt das Indexschwergewicht zu den Top 6-Aktien im DAX. Und es gibt gute Gründe, dass die Allianz den Abstand zum Rekordhoch weiter verkürzen wird.
Operativ zeigen die Bilanzen der vergangenen Quartale, dass die Münchner die Herausforderungen des Zinstiefs sehr gut meistern. Unterstützt von einer guten Entwicklung des Versicherungsgeschäfts kletterte das operative Ergebnis in der ersten Jahreshälfte um sechs Prozent auf 6,1 Mrd. Euro, der Nettogewinn legte um sieben Prozent zu. Zugleich wurde die Jahresprognose bestätigt: Demnach rechnet der Branchenprimus mit einem operativen Gewinn von elf bis zwölf Mrd. Euro, dies entspricht einer Anhebung der Zielspanne um vier Prozent gegenüber den Vorjahresprognosen. Der nächste Höhepunkt folgt am Freitag, wenn die Zahlen für das dritte Quartal anstehen. Analysten erwarten einen leichten Rückgang beim operativen Ergebnis auf 2,8 Mrd. Euro.
Im Blick stehen neben den Zahlen auch die jüngsten Neuigkeiten. Anfang Oktober hat der Versicherungsriese sein Immobilien-Investment ausgebaut und kaufte für 1,1 Mrd. Euro ein Portfolio von 4600 Wohnungen in 82 Wohnblocks in Japan. Wohnungen machen bisher mit knapp zehn Mrd. Euro einen eher kleinen Teil des Immobilienbestands der Allianz Real Estate aus. Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinspolitik wird der generelle Umschichtungsprozess wohl anhalten: Weniger Staatsanleihen, mehr alternative Investments in Immobilien, Infrastruktur, Energieparks oder Beteiligungen.
Enorme Marktmacht
Mittelfristig sind die Profis zudem optimistisch gestimmt: 13 Mal lautet das Urteil "Kaufen", vier Analysten haben die Allianz auf "Halten", nur RBC Capital senkt den Daumen. Mit 92 Millionen Kunden sind die Münchner einer der größten Versicherungskonzerne weltweit und in über 70 Ländern aktiv. Im Bereich der Schaden-/Unfallversicherung zählt man zu den Top 3, im Leben- und Krankenversicherungsgeschäft zu den größten fünf Anbietern. Das verwaltete Vermögen von 2,2 Bio. Euro führt dazu, dass die Allianz unter den fünf größten Vermögensverwaltern zu finden ist.
Aufgrund der führenden Marktposition und breiten Aufstellung weist der Konzern ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis innerhalb der Branche auf. Schon jetzt zählt die Allianz mit einer Eigenkapitalrendite von konstant mehr als zehn Prozent zu den renditestärksten global agierenden Versicherungskonzernen. Zugleich besteht noch viel Luft nach oben: Mit der laufenden Strategie "Simplicity wins" werden Angebote und Prozesse vereinfacht und die Komplexität reduziert.
Internationalisierung von Produkten, Digitalisierung und somit eine signifikant verbesserte Skalierbarkeit des Geschäftsmodells sollen dazu führen, dass das Ergebnis je Aktie bis 2021 im Schnitt um mindestens fünf Prozent zulegt. Ein weiterer Schritt in diese Richtung war der kürzlich erfolgte Start des Online-Versicherers Allianz Direct. Im nächsten Jahr wird der europäische Markt in Angriff genommen, um so Skaleneffekte zu nutzen.
Attraktiv im Branchenvergleich
Neben der daraus resultierenden Kursfantasie besticht die Aktie auch im Konkurrenzvergleich. Die Dividendenrendite liegt bei 4,3 Prozent, Munich Re mit 3,8 und die Hannover Rück mit 3,4 Prozent bieten weniger. Auf Basis der Bewertung ist die Allianz-Aktie mit einem 2020er-KGV von elf günstiger als die Munich Re mit 12,5, für die Hannover Rück wird sogar ein Faktor von 15 aufgerufen.
Trend zeigt aufwärts
Technisch liefert der von Index Radar entwickelte Prognose-Korridor wertvolle Orientierung. Aktuell ist das Chance-Risiko-Verhältnis wegen des jüngsten Anstieges eher ungünstig, die Aktie steht an der oberen Grenze des aus vergangenen Schwankungen ermittelten Vorhersagekanals (blau). Die Luft reicht kurzfristig nur bis 227 Euro, während Spielraum auf der Unterseite bis 200 besteht. Zuvor bilden die 200-Tage-Linie (violett) und eine Wendezone um 205 Euro Halt. Insgesamt aber zeigt der Trend aufwärts, die Papiere stehen so hoch wie zuletzt im Jahr 2002 - es gibt daher keine relevanten technischen Hürden. Rücksetzer bieten sich zum Einstieg an.
zum Autor: Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse.
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