Die beiden Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin gelten als genial, aber auch eigenwillig. Jahrelang pflegte der Konzern etwa ein freundschaftliches Verhältnis mit Apple und entsandte mit Verwaltungsratschef Eric Schmidt auch ein eigenes Mitglied ins Aufsichtsratsgremium nach Cupertino. Doch dann entschied sich der Suchmaschinenbetreiber eines Tages, eine eigene Software für Handys zu entwickeln und damit Apples iPhone frontal anzugreifen. Apple-Legende Steve Jobs war über die Android-Attacke 2008 so erbost, dass er erst Schmidt aus dem Apple-Aufsichtsrat schmiss und anschließend den "dritten Weltkrieg" gegen Android ankündigte.
Auch um die Wall Street kümmerten sich Page und Brin lange Zeit eher halbherzig, wenn überhaupt. Der an der Wall Street üblichen Telefon-Konferenz mit Analysten blieben beide nach dem IPO 2004 gerne fern, oder wählten sich zwar ein, überließen die Antwortrunde aber lieber dem Personal.
Dabei gibt es bei dem traditionell verschwiegenen Tech-Giganten reichlich Erklärungsbedarf. Auf der Suche nach dem nächsten großen Ding hatten die - je nach Sichtweise - weitsichtigen oder paranoiden - Google-Twins zuletzt etwa ein neues Geschäftsfeld nach dem anderen aufgemacht. Die kostspieligen Star-Wars-Projekte reichten von der Datenbrille Google Glass über selbstfahrende Autos, Nest Thermostaten bis zum Internet per Heißluftballons auch für die entlegensten Ecken der Erde.
Die milliardenschweren Ausflüge in teils fragwürdige Felder sorgten für wachsende Unruhe bei Investoren. Immer drängender fragten Investoren nach den Kosten. Doch Page und Brin saßen die notorischen Wall-Street-Nörgler einfach aus - bis zum vergangenen Sommer. In einer selbst für Google-Insider überraschenden Volte kündigte das Duo für den Herbst einen groß angelegten Konzernumbau an.
Seither gibt es eine Dachholding namens Alphabet. Darunter hat der Konzern bei Google das klassische Suchmaschinen-Geschäft, die Videoplattform YouTube und das Mobil-Geschäft um Android zusammengefasst. Die Star-Wars-Wetten rund um Roboter, selbstfahrende Autos oder Heißluftballons fürs Internet firmieren unter "other bets" (andere Wetten).
Bis gestern tappten die Analysten bei den neuen Geschäftsfeldern im Dunkeln
Gestern gewährte der Konzern erstmals einen Einblick ins laufende Geschäft und der hatte es in sich. Beim Netto-Umsatz ging es im vierten Quartal um 19 Prozent auf 17,27 Milliarden Dollar nach oben. 17,12 Milliarden Dollar davon entfielen auf Google, Youtube und Co. Die restlichen 151 Millionen kommen aus dem Wettgeschäft. Dafür ist der operative Verlust dort vergleichsweise heftig. 3,57 Milliarden Dollar hat Alphabet in seinen neuen Geschäftsfeldern versenkt nach 1,94 Milliarden Dollar im Vorjahresquartal. Damit lag der Konzern etwa in der Mitte der Analysten-Schätzungen. Die Analysten hatten mangels fehlender Anhaltspunkte zuletzt Miese in der ungewöhnlich breiten Range zwischen 500 Millionen Dollar und fünf Milliarden angesetzt.
Aber trotz des Milliarden-schweren Verlusts blieb bei Alphabet - Google sei Dank - unterm Strich ein Gewinn von 8,67 Dollar je Aktie. Analysten hatten der Holding lediglich 8,08 Dollar zugetraut.
Zur Begründung für die starken Ergebnisse verwiesen Analysten auf die verschärfte Kostendisziplin bei Google. Dort schrumpften etwa die Investitionen vor Weihnachten um rund die Hälfte auf 2,1 Milliarden Dollar. "Das Kerngeschäft ist sehr gesund", lobte etwa Josh Olson von Edward Jones. Dies werde helfen, "bei Investoren das nötige Vertrauen für die übrigen Wetten aufzubauen".
Auf Seite 2: Unsere Einschätzung zur Aktie
Investoren tappten bei Google lange im Dunkeln und rätselten: Wie teuer sind die Wetten auf das nächste große Ding wirklich und wie ertragreich ist das Kerngeschäft? Seit Montag Abend ist klar: Die Wetten sind teuer - aber die Suchmaschine und das übrige Werbegeschäft auf Youtube sind noch viel gewinnbringender als gedacht. Satte 32 Prozent operative Marge macht Google mit seinen Text- und Display-Anzeigen. Davon können die meisten Unternehmen nur träumen. Und das Geschäft wächst dank des steigenden Mobil-Geschäfts und Youtube.
Ein Ende ist derzeit nicht in Sicht. Wer als Werbungtreibender den Massenmarkt erreichen will, kommt an Google (und Facebook) nicht mehr vorbei. Auch Analysten sind zuversichtlich. Bis 2018 dürfte der Konzern-Umsatz laut UBS um rund 60 Prozent auf knapp 100 Milliarden Dollar steigen (siehe Grafik). Der Gewinn soll überproportional zulegen. Finanziell ist der Konzern schon heute auf Rosen gebettet. Die Netto-Liquidität liegt aktuell bei rund bei 67,8 Milliarden Dollar. Damit können sich Brin und Page noch ein paar andere Wetten leisten.
Charttechnisch ist ohnehin alles im grünen Bereich. Zum US-Handelsstart hat Alphabet Apple heute auch offiziell den Titel als teuerstes Unternehmen der Welt abgeknöpft. Wir bleiben bei unserer Kaufempfehlung. Ziel: 875 Dollar, Stopp: 670 Dollar.