Ein Bärenmarkt liegt nämlich per Definition vor, wenn ein vorheriges Hoch um 20 Prozent unterschritten wird. Genau an dieser Schwelle ist die Alphabet-Aktie mit dem Kursrutsch vom Dienstag um über sechs Prozent mittlerweile angelangt, wodurch sich die juristisch bedingte Unsicherheit durch eine markttechnische Komponente zusätzlich erhöht.

Im Jahr 2013 hatte die US-Behörde für Wettbewerb und Verbraucherschutz eine kartellrechtliche Untersuchung gegen den Konzern wieder eingestellt. EU-Kartellwächter hatten weniger Skrupel, das Internet-Unternehmen mit Milliardenstrafen zu belegen. 2017 wurde eine Strafe von 2,42 Milliarden Euro (wegen Online-Suchmaschine) verhängt, im Juli 2018 verlangten die Europäer eine Rekordstrafe in Höhe von 4,3 Milliarden Euro (wegen Android-Betriebssystem) und im März dieses Jahres wurde der Konzern zu einer Zahlung von 1,49 Milliarden Euro (wegen Suchmaschinen-Werbung) verurteilt.

Die große Frage lautet nun: War der Absacker zum Wochenauftakt berechtigt oder möglicherweise übertrieben? Nur zur Erinnerung: Der gestrige Tagesverlust hat den Marktwert des Internetkonzerns auf einen Schlag um über 20 Milliarden Dollar reduziert.

Doch neben den juristischen Problemen, droht dem Unternehmen auch von anderer Seite Ungemach. Wegen der US-Sanktionen hat Alphabet, dessen Tochter das Handy-Betriebssystem Android vermarktet, die geschäftlichen Beziehungen zu dem chinesischen Handy-Herstellers Huawei Anfang Juni abgebrochen. Zwei Huawei-Modelle wurden bereits von der Android-Website gelöscht. Unter dem US-Handelskrieg mit China könnte das künftig China-Geschäft der US-Amerikaner stark leiden. In den Analystenschätzungen hat sich die jüngste Entwicklung bislang nicht sonderlich stark bemerkbar gemacht. Die Prognosen für den Gewinn pro Aktie (2019) haben sich innerhalb von drei Monaten von 47,24 auf 46,38 Dollar lediglich leicht reduziert.

Mit Blick auf 2020 sanken die Prognosen auf Dreimonatssicht lediglich von 54,58 auf 53,34 Dollar. Auch unter den Analystenurteilen dominieren aktuell ganz klar die Ratings mit positivem Tenor. Unter den insgesamt 42 von FactSet Research erfassten Analystenmeinungen raten derzeit 34 Aktienexperten zum Kauf ("Buy") und drei zum Übergewichten ("Overweight") der Alphabet-Aktie. Eine neutrale Haltung ("Hold") nehmen fünf Analysten ein. Ratings mit negativem Touch gibt es derzeit gar keine. Die Bandbreite der ausgesprochen Kursziele reicht von 1.150,00 bis 1.500,00 Dollar. Daraus ergibt sich ein Durchschnittswert von 1.338,72 Dollar (aktuell: 1.038,74 Dollar).

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"Alarmstufe Rot" beim Chart


Seit Ende April verzeichnete die Alphabet-Aktie zwei massive Kursstürze. Letzterer hat die Charttechnik besonders stark eingetrübt. Zum einen wurde nämlich die langfristige 200-Tage-Linie massiv verletzt, was unter Chartisten als klares Ausstiegssignal gilt. Zum anderen drehte dadurch die Durchschnittslinie deutlich nach unten, was als Trendwechselsignal gilt. Mittlerweile befindet sich der Aktienkurs sogar auf Tuchfühlung mit der unteren Begrenzung des seit fünf Jahren intakten Aufwärtstrendkanals. Wird dieser verletzt, droht zusätzlicher chartinduzierter Verkaufsdruck.

Wichtig zu wissen: Mit aktuell 24 Prozent zeigt der Timingindikator Relative-Stärke-Index (RSI) eine stark überverkaufte Lage an. Sollte der RSI die Hürde von 30 Prozent überwinden, wäre dies als Kaufsignal zu sehen. Derzeit drängt sich aber vor allem ein charttechnisches Fazit auf: "Alarmstufe Rot".

Angesichts der zahlreichen Unsicherheitsfaktoren unterschiedlichster Art drängt sich ein Einstieg derzeit nicht auf, Anleger sollten eher eine abwartende Haltung einnehmen.