Nach der jüngsten, fulminanten Aufholjagd an den Aktienmärkten sei es nun Zeit für eine Atempause, schrieb Analystin Claudia Windt von der Landesbank Helaba. Die Diskussionen rund um den "Brexit" dürften wohl verhindern, dass der DAX in der neuen Woche an seinen starken Lauf seit Februar anknüpft.

Im Falle eines "Brexits" rechnen manche Experten nicht nur mit Verwerfungen am Aktienmarkt, sondern auch mit massiven weltwirtschaftlichen Folgen. In der verbleibenden Zeit bis zur Abstimmung versucht nun jede Seite, unentschlossene Wähler mit TV-Debatten und Kampagnen auf ihre Seite zu ziehen.

Auch die Experten der WGZ Bank schauten skeptisch in die neue Woche: "Die klar für die Aktienmärkte sprechenden Faktoren wie die stark ausgeprägte relative Attraktivität im anhaltenden Niedrigzinsumfeld sowie der Mangel an Anlagealternativen verführen momentan nicht zum Einstieg." Als zu groß würden die politischen Risiken angesehen.

Andererseits gibt es für die Anleger aber auch etwas Grund zur Hoffnung. Denn die zu erwartenden Turbulenzen im Falle eines "Brexits" könnten die US-Notenbank (Fed) von einer allzu schnellen Fortsetzung der Leitzinswende abhalten, schrieb Analyst Thorsten Hampe von der Weberbank.

Nach den jüngsten, enttäuschenden Daten vom US-Arbeitsmarkt erscheint es sogar sehr wahrscheinlich, dass die Fed erst in einigen Monaten ihre Geldpolitik weiter strafft und damit die Attraktivität von Aktien gegenüber Anleihen wieder ein Stück weit schmälert. Ein Zinsschritt schon in diesem Juni ist wohl erst einmal vom Tisch, heißt es unisono von Analysten. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass damit der Euro gegenüber dem US-Dollar (Dollarkurs) weiter an Wert gewinnen könnte, was wiederum die Aktien der stark exportorientierten Unternehmen unter Druck setzten würde.

Zudem könnte sich die deutsche Wirtschaft als Stütze des hiesigen Aktienmarktes erweisen. So werde ein spürbares Plus der Industrieproduktion im April vermutlich Hoffnungen auf ein weiteres starkes Quartal wecken, schrieben die Experten der Commerzbank.

Die Daten zur Industrieproduktion werden am Dienstag vor Börsenbeginn veröffentlicht. Bereits zum Wochenstart berichtet das Statistische Bundesamt über den Auftragseingang in der deutschen Industrie im April. Mit Blick auf die US-Konjunkturdaten steht am Freitag das Konsumklimaindex der Universität Michigan für Juni auf der Agenda.

Darüber hinaus sollten die Anleger in der neuen Woche die Aktien von Bayer im Blick behalten. Die Leverkusener hatten sich für die angepeilte Übernahme des US-Agrarchemieriesen Monsanto Kreisen zufolge eine Riesenfinanzierung gesichert. Angeblich steht Bayer kurz davor, sein Kaufangebot nachzubessern, nachdem die Amerikaner die erste Offerte als zu niedrig abgelehnt hatten.

Derweil läuft die Hauptversammlungssaison weiter auf vollen Touren. Anleger sollten sich dabei vor allem den Mittwoch vormerken. Dann lädt neben dem Technologiekonzern JENOPTIK und dem Klinikbetreiber RHÖN-KLINIKUM auch der Versorger Eon seine Aktionäre zur Aussprache ein. Die Bundesregierung hatte jüngst bei der Finanzierung des Atomausstiegs mögliche Schlupflöcher für Energiekonzerne geschlossen. Es soll verhindert werden, dass sich Betreiber der Atomkraftwerke durch eine Aufspaltung bei der Nachhaftung davonstehlen./la/jkr/he/fbr

--- Von Lutz Alexander, dpa-AFX ---