"Offenbar setzt sich langsam die Ansicht durch, dass die Titel genug abgestraft wurden und man nun auf Besserung setzen kann," sagte ein Händler.

Beim Bilfinger tun sich immer größere Löcher auf. Mit 439 Millionen Euro verbuchte der Konzern den größten Halbjahresverlust der Firmengeschichte und steuert auch im Gesamtjahr auf einen Rekord-Fehlbetrag zu. Hauptgrund für die roten Zahlen sind hohe Abschreibungen und operative Verluste im Kraftwerksgeschäft, wie der Konzern am Mittwoch mitteilte. Die Krisensparte soll verkauft werden, aber auch der größte Bereich, das Industriegeschäft, schwächelt. Der neue Chef Per Utnegaard will den Mannheimer Traditionskonzern mit einer harten Sanierung und einer kleineren Führungsspitze in die Spur bringen.

Der Norweger plant, das aus mehr als 600 Einheiten bestehende Unternehmen schlanker zu machen und die Kosten zu senken, um die Rendite wieder zu steigern. "Wir werden mehr aus weniger machen", sagte Utnegaard. Sämtliche Bereiche sollen auf Herz und Nieren geprüft werden, um zu entscheiden, was künftig zum Kerngeschäft gehört oder verkauft werden soll. "Ich will alles wissen - ob es gut oder schlecht geht." Eine neue Strategie will Utnegaard am 15. Oktober präsentieren.

Das Kraftwerksgeschäft (Power), nach Industrieservice sowie Bau und Immobiliendienste die kleinste der drei Sparten, leidet unter der Energiewende in Deutschland und dem Ölpreisrückgang. 2014 musste der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch deshalb als Vorstandschef seinen Hut nehmen. Binnen eines Jahres sprach der MDax-Konzern sechs Gewinnwarnungen aus. Die Aufträge von Energiekonzernen für die Power-Sparte brachen weiter ein: Der Auftragsbestand lag im ersten Halbjahr mit gut einer Milliarde Euro ein Viertel unter Vorjahresniveau. Zugleich machte Power 75 Millionen Euro operativen Verlust. Neben einer nicht zahlungswirksamen Abschreibung von 330 Millionen Euro kalkuliert Bilfinger 60 Millionen Euro Restrukturierungskosten ein, um das Geschäft verkaufen zu können.

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INDUSTRIEGESCHÄFT SCHWÄCHELT AUCH



Power ist nicht die einzige Baustelle für Utnegaard. Auch das größte Geschäftsfeld "Industrial" steht nicht gut da mit einem operativen Gewinnrückgang um 36 Prozent auf 49 Millionen Euro im ersten Halbjahr. Die Rendite sank um anderthalb Prozentpunkte auf 2,8 Prozent. Grund sei die angespannte Lage im Öl- und Gassektor in Europa und den USA durch den Ölpreisrückgang. Utnegaard plant deshalb einen Kapazitätsabbau und hat die Leitung der Sparte selbst übernommen. Die jetzigen Chefs von Industrial und Power sollen gehen, der Vorstand wird auf drei Personen verkleinert: Neben Utnegaard und dem neuen Finanzchef Axel Salzmann, die der Bilfinger-Großaktionär Cevian installierte, wird nur der für das Bau- und Immobiliengeschäft verantwortliche Jochen Keysberg im Vorstand bleiben.

Bessere Geschäfte mit Gebäudedienstleistungen stabilisierten den taumelnden Konzern. Das um das Kraftwerksgeschäft und andere verkaufte Aktivitäten bereinigte operative Ergebnis (Ebita) ging im zweiten Quartal um fünf Prozent auf 53 Millionen Euro zurück. Die Leistung stieg bereinigt um sieben Prozent auf 1,64 Milliarden Euro, der Auftragseingang schnellte um 48 Prozent auf 1,87 Milliarden Euro. Utnegaard gab einen neuen Ausblick auf das Gesamtjahr ohne das defizitäre Kraftwerksgeschäft: Bei einer Leistung auf Vorjahresniveau von 6,2 Milliarden Euro soll das bereinigte Ebita um bis zu 42 Prozent sinken auf 150 bis 170 Millionen Euro.

Reuters