Die als überraschend wahrgenommene Abwertung der chinesischen Landeswährung hat in der Vorwoche einige Schockwellen über die internationalen Finanzmärkte gejagt. Wie so häufig wieder einmal mit am volatilsten zeigte sich dabei der DAX. In der Spitze verlor der deutsche Leitindex in all der Aufregung über dieses Ereignis 5,9 Prozent. Inzwischen hat sich die erste Aufregung rund um dieses Thema international gesehen zwar wieder beruhigt, das dicke Tagesminus von gut sechs Prozent an der chinesischen Börse am Dienstag dieser Woche wurde aber weiter auch mit den Nachwehen der beiden Abwertungsschritte in Verbindung gebracht.

Nervös reagierten die Marktteilnehmer vor allem deshalb, weil Unsicherheit darüber herrscht, wie die Maßnahme grundsätzlich einzuordnen ist. Denn es ist bei der Einordnung ein wichtiger Unterschied, ob es sich nur um einen weiteren vorbereitenden Schritt zu einer freien Konvertibilität des Yuan handelt, oder ob weitere Abwertungsschübe folgen werden und folglich vom Auftakt zu einem Währungskrieg gesprochen werden muss.

Letzteres wäre sehr negativ zu werten, weil aus einem Währungskrieg am Ende die Weltwirtschaft als Verlierer hervorgehen dürfte. Über deren Zustand machen sich viele Anleger aber ohnehin bereits zunehmend Sorgen, weil einige Daten zuletzt wieder einen konjunkturellen Schwächeanfall signalisierten. Deutschland reagiert auf das jüngste nachrichtliche Umfeld besonders sensibel, weil das Land als Exportnation besonders stark am Tropf der Weltwirtschaft hängt und über die Währungsscheine günstiger werdende China-Produkte das Geschäfte machen erschweren.



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Experten geben sich relativ gelassen



Etliche professionelle Marktteilnehmer äußerten sich zuletzt aber eher beschwichtigend zu den Auswirkungen der jüngsten Abwertung in China. So räumten die Analysten bei der österreichischen Raiffeisen Zentralbank zwar einerseits ein, dass China für viele europäische Unternehmen ein sehr wichtiger Absatzmarkt darstelle. Andererseits dürfe aber auch nicht vergessen werden, dass der Yuan zuvor etwa gegenüber dem Euro deutlich aufgewertet habe und dementsprechend die jüngste Gegenbewegung keine großartige Verschlechterung für die Exporteure aus der Eurozone darstellen sollte.

Auch laut Schroders-Fondsmanager Martin Skanberg wird eine schwächere chinesische Währung den europäischen Aktienmarkt insgesamt nicht gefährden und die Auswirkungen sollten sich in Grenzen halten. Er beziffert den Anteil von China an den gesamten Ausfuhren der Eurozone auf rund sechs Prozent und ihm zufolge kommen zehn Prozent der Importe von dort. Eine weitere Renminbi-Abwertung würde zwar auf die Preise für exportierte Waren drücken. Das könnte aber durch billigere Importe ausgeglichen werden und den Binnen-Konsum in der Eurozone sogar unterstützen. Exporteure aus der Eurozone hätten zudem auch beim aktuellen Renminbi-Wechselkurs immer noch Rückenwind. Wie Skanberg weiter ausführt, erzielen Schätzungen zufolge die im Euro STOXX 50 Index enthaltenen Unternehmen rund zwölf Prozent ihrer Umsätze im asiatisch-pazifischen Raum. Davon würden nur zwei Prozent direkt auf China entfallen.

Die anfänglich sehr negative Kursreaktion am deutschen Aktienmarkt auf die Geschehnisse in China stuft Investment Manager Robert Smith vom Baring German Growth Trust als übertrieben ein. Er sieht vielmehr in der jüngsten Marktschwäche eine Kaufgelegenheit für deutsche Aktien. Baring identifiziere nach wie vor interessante Anlagechancen und erkenne für das dritte Quartal Potenzial für stärkere Ertragszuwächse und Korrekturen nach oben. In diesem Zusammenhang erinnert er auch daran, dass der Yuan gegenüber dem Euro seit Jahresbeginn um 13,5 Prozent aufgewertet hat.

Smith kommt deshalb zu dem folgenden Schluss: "Bei Unternehmen mit umfangreichem Exportabsatz nach China, in die wir investiert sind, zeigen unsere Analysen, dass die Wechselkursveränderungen den Ausblick für unsere Investitionseinschätzungen nicht wesentlich verändert haben. Wir gehen also nicht davon aus, dass der stärkere Wechselkurs von Euro zu Yuan ein Niveau erreicht hat, das die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen signifikant schädigen könnte." Optimistisch stimme dabei auch ein im Vergleich zum breiteren europäischen Markt überdurchschnittlich hohes Ertragswachstum. Die Ertragsprognose der kommenden zwölf Monate für den HDAX Index betrage 15,9 Prozent, verglichen mit 8,7 Prozent für den MSCI Europe Index. Mit einem erwarteten KGV über zwölf Monate von 15,3 im Vergleich zu 16,7 würden deutsche Aktien trotz dieser Tatsache aktuell mit einem Abschlag zu europäischen Aktien gehandelt.



Landesbank Baden-Württemberg-Investmentanalyst Berndt Fernow erinnert außerdem an den weiteren wichtigen Aspekt, dass trotz abgeschwächtem Wachstum in China der Konsum dort weiterhin zweistellig wachse. Das eröffne den deutschen Exportunternehmen unverändert großes Potenzial. Auch die nun abgeschlossene Berichtssaison der DAX-Unternehmen gebe in dieser Hinsicht Entwarnung. Denn die die meisten Konzerne würde in China weiterhin mehr Chancen als Risiken sehen. Auch die hauseigenen Analysten würden wie die meisten Konzerne im Reich der Mitte weiterhin mehr Chancen als Risiken erkennen, so dass die China-Turbulenzen bislang keine Auswirkungen auf Gesamtausblick hätten, wie LBBW-Investmentanalyst Wolfgang Albrecht ergänzt.

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Bestimmte Branchen besonders betroffen



Trotz dieser insgesamt beschwichtigenden Einschätzungen sollten Anleger aber natürlich dennoch ihre Hausaufgaben machen und wissen, welche Branchen und Unternehmen besonders betroffen sein dürften. Das ist auch deshalb wichtig, weil selbst ohne echten Währungskrieg die Abwertung des Yuan noch nicht abgeschlossen sein könnte. Manche Auguren können sich jedenfalls bei einem frei sich am Markt bildenden Yuan-Wechselkurs eine weitere Abwertung von bis zu zehn Prozent vorstellen. Sollte Chinas Währung anhaltend zur Schwäche neigen, wird das Thema in den Köpfen der Investoren präsent gehalten. Das wiederum könnte zu einer größeren als normalerweise üblichen Zurückhaltung gegenüber Branchen führen, die als die besonders Leidtragenden einer solchen Entwicklung eingestuft werden.

Nach Angaben der Raiffeisen Zentralbank sind vor allem Firmen aus den Bereichen Halbleiter, Grundstoffe wie auch Hersteller von langlebigen Wirtschaftsgütern besonders exponiert. Schroders-Manager Martin Skanberg sieht umfangreiche Engagements in China in folgenden Branchen: Luxusgüter-, Technologie-, Automobil-, Investitionsgüter- und Grundstoff-Sektor (vor allem Bergbau und Chemie). "In diesen Branchen werden die in Euro umgerechneten Gewinne in Mitleidenschaft gezogen", warnt er. Der wieder auflebende Wettbewerb könnte Nachteile für europäische Unternehmen mit sich bringen. Industrie- und Chemie-Firmen könnten betroffen sein, so Skanberg. Denn diese seien intensivem Wettbewerb von Seiten chinesischer Unternehmen ausgesetzt. "Das Ausmaß der Belastung einzelner Wirtschaftszweige in der Eurozone ist somit sehr unterschiedlich", resümiert der Fondsmanager. Doch er weist auch darauf hin, dass es auch eine ganze Reihe von Branchen mit definitionsgemäß begrenzten oder gar keinen direkten Engagements in China gebe. Dazu gehörten etwa Banken und Versicherer, die Reise- und Medienbranche, Versorgungsunternehmen und Telekommunikationsdienstleister.

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China-Umsatzanteile ausgewählter Unternehmen im Einzelnen



Auch auf Ebene der Einzelwerte gilt es zu differenzieren, gefährdet sind natürlich am meisten jene Unternehmen mit nennenswerten China-Aktivitäten. In den USA trifft das vor allem auf den Hersteller von Speicher-, Telekommunikations- und Halbleiter-Produkten Marvell Technologies (WKN: 930131) zu, die KFC, Pizza Hut und Taco Bell-Mutter Yum Brands (WKN: 909190) sowie den Halbleier-Hersteller Qualcomm (WKN: 883121). Nach Angaben von Julius Bär belaufen sich die aus China stammenden Umsatzanteile mit 55, 52 und 50 Prozent hier jeweils mindestens auf die Hälfte am Gesamtumsatz.

In der Julius Bär-Liste für Europa weist mit 57 Prozent nur der niederländische Logistiker TNT Express (WKN: A1JJP8) einen China-Umsatzanteil von mehr als 50 Prozent auf. Beim Zweit- und Drittplatzierten, dem Rohstoffkonzern Rio Tinto (WKN: 852147) und dem Schweizer Uhren-Hersteller Swatch Group (WKN: 865126) fallen die Umsatzanteile mit 38 und 37 Prozent bereits deutlich geringer aus.

Als erster Wert aus Deutschland rangiert in dieser Liste auf Platz acht mit 19 Prozent der Autobauer BMW (WKN: 519000). Auf Platz zwölf wird dann auch noch der Sportartikel-Anbieter Adidas (WKN: A1EWWW) geführt.

Breiter gefächert, da auch mehr Nebenwerte enthaltend, ist ein China-Exposure Basket von Morgan Stanley. Darin liegt der deutsch-britische Halbleiter-Hersteller Dialog Semiconductor (WKN:927200) mit 85 Prozent ganz vorne. Des Weiteren werden für den Kupfer-Produzenten Aurubis (WKN: 676650), den Maschinenbauer Aixtron (WKN: A0WMPJ), den Chemiekonzern Wacker Chemie und den Halbleiter-Hersteller Infineon die China-Umsatzanteile auf 50, 30, 21 und 20 Prozent beziffert. Der Autobauer Volkswagen (WKN: 766403) und der Spezialist für Robotik und Automationstechnologie Kuka (WKN: 620440) kommen demnach auf 14 und 13 Prozent.

Das sind zwar alles nennenswerte Umsatzanteile aus China, selbst bei diesen Unternehmen sollte dies aber nicht den Blick auf einen Aspekt verstellen, auf den Albrecht hinweist: "Vor allem die Automobil- und Investitionsgüterhersteller gehen zwar von einem Ende der jahrzehntelangen Sonderkonjunktur aus, allerdings bleibt das Reich der Mitte für die meisten Konzerne weiterhin ein zentraler Wachstumsmarkt." Auch Smith fällen viele deutsche Qualitätsunternehmen ein, die weltweit und auch in China expandieren, obwohl sich die Konjunktur dort abschwächt. Als Beispiel dafür nennt er Daimler. Der deutsche Autohersteller verfüge über eine attraktive, gefragte Produktpalette, die auf dem chinesischen Markt nach wie vor erfolgreich sei. Mercedes verbuchte dort im Juli einen Umsatzanstieg von 35,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Erfolg von Mercedes beruhe dabei nicht auf gesamtwirtschaftlichen Trends, sondern vielmehr auf der Tatsache, dass es ein gut geführtes Unternehmen mit einer attraktiven Produktpalette ist, die gefragter ist als die von vielen Mitbewerbern.

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Anlage-Fazit



Beruhigt sich die Lage wieder, sollte sich das auch wieder stärker auf die Anlageentscheidungen niederschlagen. Insbesondere dann, wenn sich unsere Einschätzung als richtig erweisen sollte, dass die jüngsten Abwertungsschritte eher als weitere Liberalisierungsmaßnahmen auf dem Weg hin zu einer freier handelbaren Währung sind denn als Vorbote für einen Devisenkrieg.

Aktuell ist es allerdings noch so, dass Aktien, die mit China in Verbindung gebracht werden, tendenziell eher gemieden werden. Das spiegelt sich an der Performance wie etwa dem erwähnten China Exposure Market von Morgan Stanley wider. Seit Mai fällt die relative Wertentwicklung besonders schwach aus und erst wenn hier wieder relative Stärke gegenüber dem Gesamtmarkt aufgebaut werden kann, ist die Zeit gekommen für Neupositionierungen im größeren Stil.