Historisches hat sich am 4. September zugetragen: Die Europäische Zentralbank (EZB) senkte den Leitzins auf rekordtiefe 0,05 Prozent. Damit hat der Italiener Mario Draghi, der das Notenbank-Team seit November 2011 anführt, einen erneuten Überraschungscoup gelandet und die Devisenhändler in Aufruhr gebracht. Der Euro-Wechselkurs zum Dollar fiel binnen Sekunden von 1,31 auf 1,30 und gab danach weiter in Richtung 1,29 ab. Der Tagesverlust von 1,6 Prozent ähnelt am Devisenmarkt einem kleinen Crash.

Mit diesem Kurseinbruch beschleunigte der Euro seinen bereits Mitte Juli eingeläuteten Abwärtstrend. Im dritten Quartal wertete er um insgesamt mehr als sieben Prozent ab. Für Draghi eine perfekte Entwicklung, denn er möchte der lahmenden Wirtschaft in Europa mit einer günstigen Währung auf die Beine helfen. Das Wirtschaftswachstum auf dem Alten Kontinent hinkt dem in den USA klar hinterher.

Während die EZB jüngst ihre Prognose des Bruttoinlandsprodukts für 2014 leicht senkte, nimmt die Konjunktur in den USA Fahrt auf. Satte 4,6 Prozent Wachstum wurden im zweiten Quartal erzielt. Daher wird das EZB-Oberhaupt auch nicht müde, den Euro bei jeder Gelegenheit kleinzureden. Denn ein schwacher Wechselkurs hat für die exportorientierten europäischen Firmen einen großen Vorteil: Für sie wird es leichter, ihre Waren in andere Länder auszuführen, da die Produkte günstiger werden.

Nach Ansicht der Analysten von Goldman Sachs sollte dies auch einen positiven Einfluss auf die Aktienmärkte haben. In erster Linie kurbelt es die Unternehmensgewinne an. "Wir schätzen, dass die Mitglieder des Stoxx Europe 600 nahezu die Hälfte ihrer Erlöse außerhalb Europas generieren. Ein schwächerer Euro führt zu einem höheren Auslandsumsatz und Ergebnis", erklärt Goldman- Sachs-Analyst Matthieu Walterspiler.

Zudem steigt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Alle positiven Faktoren zusammengenommen kommt es letztendlich zu einer Unterstützung des Bruttoinlandsprodukts in der Eurozone. Dabei könnte sich die Euroschwäche sogar noch weiter fortsetzen: Auf Sicht von zwölf Monaten geht die US-Bank von einem Wechselkurs von 1,20 Euro zum US-Dollar aus. Im Umkehrschluss sollte sich das Gewinnwachstum um drei Prozentpunkte erhöhen.

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Schwacher Euro als Gewinntreiber

Wir haben uns auf die Suche nach den Eurogewinnern auf dem Alten Kontinent gemacht und dabei die "glorreichen Sieben" auserkoren. Dazu gehören Fresenius und HeidelbergCement - zwei Aktien, die in den ersten sechs Monaten besonders unter dem starken Euro gelitten haben. Bei dem Gesundheitskonzern aus Bad Homburg reduzierte sich dadurch der operative Gewinn nach den ersten sechs Monaten um drei Prozent zum Vorjahr. "Der negative Währungseffekt aus dem ersten Halbjahr könnte sich in der zweiten Hälfte nun umkehren", meint Ulrich Huwald, Analyst bei Warburg Research. Insbesondere in der Sparte Fresenius Kabi, zu der die Bereiche Ernährung, Infusionen, Arzneimittel und Medizinprodukte zählen, steht eine positive Wende bevor. Deren US-Erlösanteil liegt bei rund 30 Prozent und musste aufgrund des starken Euro im ersten Halbjahr deutlich Federn lassen.

Bei HeidelbergCement zeigt sich ein vergleichbares Bild. Auf operativer Ergebnisbasis stand zum Stichtag 30. Juni eine negative Auswirkung von 110 Millionen Euro zu Buche. Für das Geschäftsjahr 2014 wird mit einer Belastung von insgesamt 150 Millionen Euro gerechnet. Mit der jüngsten Abwertung dürfte sich die Ertragslage des Zementkonzerns nun spürbar erholen.

Ebenso wie bei dem Baustoffunternehmen entfällt auch bei Linde rund ein Viertel des Geschäftsvolumens auf die USA. Zudem verbucht der Gasekonzern den Großteil seiner Kosten in US-Dollar, was letztendlich die Bilanz in der zweiten Jahreshälfte bei einem anhaltend starken Greenback merklich aufbessern sollte.

Eine entscheidende Rolle spielt der Dollar auch für BMW. Nahezu ein Fünftel seiner Erlöse erzielt der Münchner Autobauer in Übersee. "Allein bezogen auf das US-Geschäft führt eine Änderung der Wechselkurse um zehn Prozent zu einem Ergebniseffekt von 440 Millionen Euro", rechnet Warburg-Analyst Marc-René Tonn vor. Dies würde den Vorsteuergewinn im laufenden Jahr um mehr als fünf Prozent nach oben treiben. Dabei ist der Währungsvorteil aus den stark wachsenden China-Erlösen noch gar nicht berücksichtigt.

Mit Softing haben wir auch einen Nebenwert in unsere Euro-Gewinner-Auswahl aufgenommen. Das bayerische Unternehmen entwickelt Programme, die den Austausch von Daten beispielsweise zwischen Sensoren oder Steuerungen in der Autoelektronik ermöglichen, und ist damit im Zukunftstrend "Industrie 4.0" beheimatet. Zuletzt ist Softing mit der Übernahme der US-Firma Online Development ein wichtiger operativer Schachzug gelungen. Die neue Tochter ist ein Partner von Marktführer Rockwell Automation. Mit dem Deal springt der Umsatzanteil von Softing in Übersee auf rund 40 Prozent hoch. Ein starker Dollar sollte sich also zusätzlich positiv auf die Transaktion auswirken.

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Europa gewinnt

Auch bei unseren europäischen Nachbarn sind wir auf der Suche nach potenziellen Gewinnern fündig geworden. Der französische Pharmakonzern Sanofi beispielsweise erzielt drei Viertel seiner Erlöse außerhalb des Euroraums. Mehr als 40 Prozent davon entfallen auf die USA. Darüber hinaus verfügt der Pillendreher über eine ausgezeichnete Produktpipeline. Der Diabetesspezialist hat zum Beispiel den ersten Impfstoff gegen die sich schnell verbreitende Tropenkrankheit Dengue-Fieber entwickelt, der in der zweiten Jahreshälfte 2015 auf den Markt kommen soll. Einige Analysten trauen dem Mittel einen Jahresumsatz von einer Milliarde Euro zu.

Als Nutznießer der Euroschwäche dürfte sich zudem Kering entpuppen. Der Luxusgüterkonzern, zu dem Marken wie Gucci und Puma zählen, ist derzeit attraktiv bewertet. Margenpotenzial verspricht die Zusammenlegung verschiedener Brillenmarken. Mit Blick auf die verbesserte Währungssituation könnte das Gewinnwachstum zusätzlich positiv beeinflusst werden. Die Credit Suisse hat bereits reagiert und aufgrund der zuletzt günstigen Entwicklungen am Devisenmarkt ihre Ergebnisschätzungen für 2014 bis 2016 um ein Prozent angehoben.

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