Gute Nachrichten für die zuletzt wenig glücklichen Aktionäre von Boeing: Qatar Airways kauft mehr als 100 Maschinen des US-Flugzeugherstellers. Die Fluggesellschaft gab den Angaben zufolge 50 Frachtversionen des neuen Großraumfliegers 777X sowie zwei Maschinen der aktuellen Modellserie in Auftrag. Zudem habe die Airline mit dem US-Konzern vorläufige Kaufvereinbarungen für 25 Mittelstreckenjets vom Typ 737 Max sowie Optionen für weitere 25 abgeschlossen, so Boeing.

Laut Listenpreisen könnte der Deal ein Volumen von 34 Milliarden US-Dollar (30,3 Milliarden Euro) erreichen. Allerdings sind bei Aufträgen dieser Größenordnung starke Rabatte üblich. Außerdem handelt es sich nur bei 34 der 777X-Frachter um feste Kaufvereinbarungen. Das Frachtflugzeug soll 2027 erstmals ausgeliefert werden.

Die Frachtversion der Boeing 777X war in der Branche schon länger erwartet worden. Die 777X ist die modernisierte und weniger spritdurstige Neuauflage der Boeing 777, die dem US-Konzern sowohl als Passagierjet als auch als Frachter große Marktanteile eingebracht hat. "Wir sind stolz darauf, dass 90 Prozent der weltweiten Frachterflotte aus Boeing-Flugzeugen besteht", sagte Stan Deal, Chef der Boeing Commercial Airplanes-Sparte. "Angesichts der unter Druck stehenden globalen Lieferketten und der hohen Nachfrage nach E-Commerce sind die Leistung und die Fähigkeiten der Flotte wichtiger denn je."

Bei der 777X hatte Boeing jedoch Probleme bei Entwicklung und Zulassung. Bei der Passagierversion musste der Konzern die Auslieferung des ersten Exemplars bereits auf Ende 2023 verschieben und liegt damit rund drei Jahre hinter dem ursprünglichen Plan.

Der Großauftrag mit Boeing wurde am Montag im Rahmen eines Besuchs des Staatsoberhaupts von Qatar, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, feierlich im Weißen Haus in Washington verkündet. US-Präsident Joe Biden kam zwar nicht zur Vertragsunterzeichnung, doch Handelsministerin Gina M. Raimondo pries in einer Pressemitteilung die florierenden Geschäftsbeziehungen zwischen den Ländern und sprach von einem "Deal mit historischer Bedeutung". Es sei die am finanziellen Volumen gemessen größte Kaufabsichtserklärung, die Boeing je von einem Kunden für Frachtflugzeuge erhalten habe.

Boeing mit Milliardenverlust


In der vergangenen Woche legte der US-Flugzeugbauer Geschäftszahlen vor. Die Corona-Krise und Probleme beim Langstreckenjet 787 "Dreamliner" brockten Boeing 2021 einen weiteren Milliardenverlust ein. Mit 4,3 Milliarden US-Dollar (3,8 Mrd Euro) fiel das Minus aber fast zwei Drittel niedriger aus als ein Jahr zuvor. Obwohl der Umsatz nach dem ersten Corona-Jahr nun um sieben Prozent auf 62,3 Milliarden Dollar stieg, schnitt das Unternehmen deutlich schlechter ab als von Analysten erwartet.

Das dritte Geschäftsjahr mit tiefroten Zahlen in Folge zeigt, wie tief Boeing nach wie vor in der Krise steckt. Hatten die beiden Abstürze des Mittelstreckenjets 737 Max mit 346 Toten und anderthalb Jahren Flugverbote den Konzern schon schwer getroffen, folgte wenig später die Corona-Pandemie, die die gesamte Luftfahrtbranche noch immer schwer belastet. Boeing-Chef Dave Calhoun bezeichnete 2021 angesichts der vielen Probleme als "Jahr des Wiederaufbaus". Doch es gibt immer noch große Baustellen.

Negativ wirkte sich zuletzt vor allem der "Dreamliner" aus. Das Modell kann wegen verschiedener Mängel nicht ausgeliefert werden, Boeing wartet seit Monaten auf grünes Licht der US-Flugaufsicht. Doch der Zeitplan bleibt ungewiss und für Boeing wird es immer teurer. Milliardenschwere Sonderbelastungen - etwa für Kompensationen wegen verzögerter Auslieferungen an Airlines - rissen die Bilanz im Schlussquartal mit 4,2 Milliarden Dollar ins Minus. Auch Boeings Erlöse sanken zum Jahresende um drei Prozent auf 14,8 Milliarden Dollar.

Die Sonderkosten wegen der "Dreamliner"-Probleme dürften Boeing zufolge auf zwei Milliarden Dollar klettern - das ist doppelt so viel wie zuletzt veranschlagt. Der Großteil davon dürfte den Angaben zufolge bis Ende 2023 anfallen.

Obwohl die Quartalszahlen weit unter den Markterwartungen blieben, äußerte sich Boeing-Chef Calhoun in einem Memo an die Mitarbeiter zuversichtlich. "Zwar haben wir noch viel Arbeit vor uns", hieß es in dem Schreiben. Doch die Luftfahrtindustrie stehe 2022 vor einem Comeback und Boeing sei dafür gut aufgestellt. So erzielte der Konzern im vierten Quartal trotz der hohen Sonderkosten erstmals seit 2019 einen Mittelzufluss. Analysten hatten hingegen mit einem weiteren Mittelabfluss gerechnet.

So reagiert die Boeing-Aktie


Für den krisengeschüttelten Boeing-Konzern ist die Auftragspremiere des mit Spannung erwarteten Fliegers ein Meilenstein. Zudem erholt sich das Geschäft mit der 737 Max immer mehr, die nach zwei verheerenden Abstürzen 20 Monate lang mit Startverboten belegt war. Die Boeing-Aktien stieg am Montag zeitweise um knapp fünf Prozent.

Die Baustellen bei Boeing - insbesondere beim "Dreamliner" - bleiben. Ein Einstieg drängt sich nicht auf. Beobachten.

fh/rtr/dpa-FX