Überraschende Kehrtwende: Mit der VW-Lastersparte Traton könnte der erste große Börsengang des Jahres 2019 in Deutschland doch noch vor der Sommerpause über die Bühne gehen. VW hatte das Traton-Projekt erst vor wenigen Wochen mit Blick auf das angespannte Marktumfeld auf Eis gelegt. Nun hat die Konzernführung beschlossen, den Börsengang anzupacken. Konkrete Gründe für den Sinneswandel wurden nicht genannt. Details soll es laut LKW-Spartenchef Andreas Renschler "in naher Zukunft" geben.
"Den idealen Zeitpunkt für den Gang aufs Parkett gibt es wegen der unsicheren geopolitischen und handelspolitischen Lage nicht mehr", sagte Börsengangsexperte Martin Steinbach von der Beratungsfirma EY gegenüber boerse-online.de. "Aber der Börsengang könnte ein Zeichen dafür sein, das der Markt grundsätzlich aufnahmefähig ist."
Laut VW soll eine formelle Ankündigung (Intention to Float) "zu gegebener Zeit" folgen. Danach dauert es bis zur Erstnotiz normalerweise noch etwa vier Wochen. Früheren Angaben zufolge sollten 25 Prozent der Anteile platziert und ein Emissionvolumen von bis zu sechs Milliarden Euro erzielt werden.
Im weiteren Jahresverlauf könnten sich damit auch die Börsenpläne der Aufzugsparte von Thyssenkrupp und der Antriebssparte von Conti konkretisieren. "Große Börsengänge sind oft Eisbrecher für den IPO-Markt und beflügeln andere Kandidaten, zu folgen - besonders in unsicheren Zeiten", erläutert Steinbach. Megaemissionen bewirkten demnach hohe internationale Aufmerksamkeit. "Zudem stehen solche Unternehmen als Kandidaten für große Auswahlindizes auf dem Kaufzettel passiv ausgerichteter Index-Investoren."
Ende vergangener Woche hatte auch Thyssenkrupp weitreichende Beschlüsse in diese Richtung getroffen - allerdings aufgrund einer strategischen 180-Grad-Kehrtwende. Der angeschlagene Essener Traditionskonzern hatte eine geplante Konzernaufteilung sowie die Stahlfusion mit Tata Steel Europa abgesagt. Stattdessen wird nun unter anderem ein Börsengang der Aufzugssparte vorangetrieben. Ein Minderheitsanteil könnte demnach ab dem nächsten Geschäftsjahr, also bereits ab Oktober platziert werden. Einen genauen Zeitpunkt hat der Konzern aber noch nicht genannt. Dem Aufzuggeschäft trauen Börsianer einen Marktwert von bis zu 14 Milliarden Euro zu - deutlich mehr, als der gesamte Thyssenkrupp-Konzern derzeit auf die Waage bringt (ca. acht Milliarden Euro). Die Sparte geriet allerdings im ersten Halbjahr 2018/2019 (30.9.) ertragsmäßig unter Druck, wie der Konzern heute mitteilte.
Mit Traton, der Aufzugsparte von Thyssenkrupp und der Antriebssparte von Conti stünden damit insgesamt drei große Börsengänge in Deutschland auf der Startrampe, nachdem die Milliardenemissionen Siemens Healthineers und Knorr-Bremse das Börsenjahr 2018 geprägt haben. Conti hatte den Börsengang seiner Antriebssparte ursprünglich für das zweite Halbjahr 2019 ins Auge gefasst, aber kürzlich ebenfalls wegen des schwachen Marktumfelds auf frühestens 2020 verschoben. Ein Conti-Sprecher bestätigte diese Planung gegenüber boerse-online.de: "Voraussichtlich gegen Ende des zweiten Halbjahrs liegen die technischen Voraussetzungen vor, um den Kapitalmarkt über weitere Details zu informieren", sagte der Sprecher. "Mit dem Handelsstart ist je nach Marktlage ab 2020 zu rechnen."