von Axel Retz

In meinem Newsletter vom vergangenen Samstag hatte ich ja bereits darauf hingewiesen, dass wenig Grund bestehe, hinsichtlich des Minsker Abkommens allzu optimistisch zu sein. Weder die sgn. ukrainische Armee geschweige denn die "prorussischen Separatisten" stellen einen homogenen Verband dar, der sich bei den Vierergesprächen zum Waffenstillstand umfassend vertreten gefühlt hätte. Ron Paul, 1988 US-Präsidentschaftskandidat und 2008 und 2012 Bewerber für eine Kandidatur beklagte in seinem neuesten Newsletter zudem, dass das Minsker Abkommen zwar die Forderung nach einem Abzug aller ausländischen Streitkräfte aus der Ukraine beinhalte, Präsident Obama dessen ungeachtet schon für März die Entsendung von 600 US-Soldaten ins Land plane. Zusammen mit dem von mir in der letzten Woche angesprochenen "Ukraine Freedom Support Act" (HR5859) verdichtet sich der Eindruck, dass es (auch) den USA keineswegs um die immer wieder beschworene Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine geht, sondern um handfeste wirtschaftliche und vor allem "strategische" Interessen.

Und solange das so ist und alle Beteiligten auch wissen, dass das so ist, sind die Friedensbemühungen eher Beruhigungspillen für besorgte Zeitgenossen. Rücken die USA militärisch immer näher an Russland heran und spielen die Europäer ohne Rücksicht auf das Kräftegleichgewicht, das uns viele Jahrzehnte des Friedens in Europa beschert hat, dieses Spiel mit, kann die Lage irgendwann einmal einen noch dramatischeren Verlauf finden. Dass die Börsen dem Treiben bis jetzt weitgehend gelassen zusehen, zeugt von einem ausgeprägten Pragmatismus, birgt aber auch unübersehbar Risiken. Risiken einer möglichen "Überraschung" birgt vor allem auch der kommende Samstag, an dem in Kiew der "Tag der Revolution" gefeiert wird.

Auf Seite 2: Countdown in Athen



Countdown in Athen

Griechenland spielt mit dem Feuer - aber es kann nicht anders. Griechenland bezeichnete die von der EU gemachten Vorschläge als "verlorene Zeit", denn die Neuauflage des Ende des Monats auslaufenden Hilfsprogramms würde erneute Einschnitte im Sozialbereich bedeuten. Das will die griechische Regierung auf jeden Fall verhindern. Und die EU weiß das. Warum wurde da also nicht modifiziert? Weil es nicht nur um Griechenland an sich geht.

Es ist ein Machtspiel gegen ein Land, das aus der Reihe tanzt. Ginge es um Portugal oder Irland, man würde sich wohl genauso verhalten. Es ist der Versuch der Meinungsführer, den Abweichler in die Knie zu zwingen und vor allem potentielle Nachahmer abzuschrecken.

Griechenland muss die Chance echten Wachstums bekommen, um imstande zu sein, irgendwann seine Schulden abzubauen. Aber die bisherigen Milliarden flossen parallel zu einem Spardiktat, das kurzfristig den Staatshaushalt besser aussehen ließ, jedes Wachstum aber im Keim erstickte. Weniger Staatsgehälter, weniger Renten, weniger Sozialleistungen bedeuten weniger Konsum und damit Rezession. Und zugleich hüpfen die, die immer noch reich sind, weiterhin ungeschoren von einem Steuer-Schlupfloch zum nächsten. Dort will Athen nun ansetzen … aber genau dort wirkt die EU hilflos bzw. seltsam inaktiv. Die griechische Regierung muss kämpfen. Die EU hingegen könnte sich durchaus mehr Flexibilität leisten, will aber nicht. Was, wenn dieses Machtspiel verloren würde, d.h. die Griechen auf das Ultimatum, bis Ende der Woche die Verlängerung des Hilfsprogramms (in der von der EU vorgelegten Form) zu beantragen, nicht reagieren?

Beide Seiten wären Verlierer. Der Euro bekäme ein Vertrauensproblem. Und die Griechen hätten ein Liquiditätsproblem, das nur zu weit höheren Zinsen aus anderen Quellen gedeckt werden könnte. Dann wäre auch der Austritt nicht ausgeschlossen - nur gibt es dafür gar kein Procedere. Die Wiedereinführung der Drachme ohne gleichzeitigen Schuldenschnitt wäre eine Katastrophe, denn die "neue alte" Währung würde stark abwerten, während die Schulden weiter auf Euro lauten. Beide Seiten pokern zurzeit hoch. Griechenland riskiert die Staatspleite. Und die EU riskiert, dass sich eine Allianz zwischen Athen, Moskau und/oder Peking auftut. Das dürfte m. E. Grund genug sein, doch noch eine gemeinsame Basis zu finden, was für die Börsen ausgesprochen positiv wäre.

Auf Seite 3: Buffett-Indikator negativ



Buffett-Indikator negativ

In dieser Woche geistert er nun wieder übers Parkett - der sgn. Buffett-Indikator. Zugeschrieben wird er der Investmentlegende Warren Buffet. Und er ist denkbar einfach: Bei der "Market Cap to GDP"-Methode wird der Quotient aus dem Gesamtwert der Marktkapitalisierung der an der Wall Street gelisteten Aktien und dem US-Bruttoinlandsprodukt gebildet. Liegt dieser Quotient über 100, bedeutet das, dass der Börsenwert der Unternehmen über dem Bruttoinlandsprodukt liegt. Und je höher er ausfällt, umso größer ist die "Überbewertung" des Aktienmarktes.

Aktuell notiert der Buffet-Indikator" bei 1,23. Das klingt nicht dramatisch, liegt aber über dem Wert aus den Hoch-Zeiten der US-Immobilienblase. Allein daraus zu schließen, dass nun der Crash vor der Türe steht, verbietet sich allerdings. Denn im vergangenen Sommer lag der Wert sogar noch etwas höher als heute - was die Wall Street aber bekanntermaßen nicht daran hinderte, munter weiter zu steigen.

Dass Indikatoren, die uns eine Über- oder Unterbewertung des Marktes anzeigen, durchaus eine Daseinsberechtigung haben, steht außer Frage. Zum Timing taugen sie allerdings gar nicht. Das gilt auch für den nachfolgenden Chart:



Quelle: www.querschuesse.de

Er zeigt uns den Baltic Dry Index, der die Frachtkosten für Basisrohstoffe auf den Weltmeeren anzeigt und damit ein mittelbarer Indikator der Weltwirtschaft ist. Gestern landete der BDI bei 522 Punkten und damit auf einem neuen 29-Jahrestief. Zusammen mit dem "Buffett-Indikator" ergibt sich damit das Bild einer schwachen Weltwirtschaft und einer im historischen Vergleich deutlich überbewerteten Wall Street. Natürlich wird sich das auch diesmal wieder korrigieren. Aber den Startpunkt dafür kann uns nur die Charttechnik liefern. Und die werde ich Ihnen zur Wall Street am kommenden Wochenende in meinem pp-Newsletter einmal etwas genauer vorstellen.

Auf Seite 4: Kupfer: Vor 900-Dollar-Bewegung



Kupfer: Vor 900-Dollar-Bewegung

Mit Kupfer hatten wir zuletzt einen schönen Shorttrade mit einem Gewinn von über 70 Prozent eingetütet. Mit dem Bruch der horizontalen Unterstützung hatte sich der Einstieg auf der Shortseite dabei geradezu aufgedrängt.



Quelle: www.private-profits.de

Im Zuge der Waffenstillstandsvereinbarung von Minsk und der damit verknüpften Hoffnungen auf ein Comeback der Rohstoffe zog der Kupferpreis dann ein wenig an. Positiv dabei zu werten ist, dass sich im Wochen-Candlestickchart dabei eine bullishe Formation in Form eines sgn. "Morning Star" bildete. Ein Wochenschlusskurs über 5.740 US$/to. an der Londoner Metallbörse würde signalisieren, dass sich die Erholung fortsetzt, wobei ein Rücklauf in Richtung 6.600/6.700 aus technischer Sicht realistisch wäre. Kommen aus der Ukraine und/oder dem "Grexit"-Thema neue Belastungsfaktoren auf den Tisch, geht der Schuss vermutlich in die andere Richtung los - mit allerdings mindestens gleich großem Potential. In meinem wöchentlich erscheinenden, kostenlosen pp-Newsletter werde ich Sie auf dem Laufenden halten https://www.private-profits.de/newsletter.html . Kupfer hat die Chance, uns nun ein zweites Mal zu bescheren. Und diese Chance wollen wir auch nutzen!

Viel Erfolg und beste Grüße

Axel Retz

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt die Portale www.private-profits.de und www.moneyversum.de .

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt die Portale www.private-profits.de und www.moneyversum.de .