Es kracht wieder in Fernost. Weil Chinas Regierung dem autonom verwalteten Hongkong neue Sicherheitsgesetze aufzwingen will, kam es zu heftigen Demonstrationen in der ehemaligen britischen Kronkolonie. Die Polizei ging gewaltsam gegen die Protestierenden vor und setzte dabei Tränengas, Pfefferspray und Wasserwerfer ein.
Pekings Vorgehen wird von vielen als klarer Bruch des Prinzips "ein Land, zwei Systeme" gewertet, zu dem man sich bei der Rückgabe durch Großbritannien 1997 verpflichtet hatte. Damit hat Hongkong bis 2047 einen Sonderstatus inne. Dies scheint jetzt gefährdet. Dass Peking mit seinem Entscheid das Parlament in Hongkong einfach umging, soll wohl die Grundlage schaffen, in Hongkong eigene Sicherheitskräfte einzusetzen. Für die Märkte sind das beunruhigende Nachrichten. Beobachter fürchten eine erneute Eskalation zwischen den USA und China mit gegenseitigen Strafzöllen und weiteren Sanktionen.
Heftige Verluste, markige Worte
Ohnehin kommt dies alles zur Unzeit. Infolge der Proteste des vergangenen Jahres und der Pandemie hat das Bruttoinlandsprodukt der Sonderverwaltungsregion in den ersten drei Monaten 2020 um 8,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum nachgelassen - so viel wie noch nie, seit 1974 erstmals Quartalsdaten veröffentlicht wurden.
Und es könnte schlimmer kommen. US-Präsident Donald Trump hat bereits eine "harte" Reaktion angekündigt. Und Kevin Hassett, sein Wirtschaftsberater, warnte im Gespräch mit dem US-Fernsehsender CNN vor den wirtschaftlichen Konsequenzen: "Wenn Hongkong nicht mehr der offene Ort ist, der er derzeit ist, dann wird Hongkong nicht mehr der Finanzstandort bleiben, wie wir ihn kennen." Der "Phase-1-Deal" im Handelskonflikt und die weiteren Verhandlungen über eine zweite Vereinbarung scheinen gefährdet. Laut US-Außenminister Mike Pompeo habe "China die Autonomie Hongkongs grundlegend untergraben", sodass eine bevorzugte Behandlung in Handelsfragen nicht mehr gerechtfertigt sei.
Bleibt die Frage, ob man es nur mit markigen Worten zu tun hat oder ob es tatsächlich Maßnahmen seitens der USA gibt. Die USA hatten jedenfalls eine UN-Sicherheitsratssitzung zu Chinas Plänen für das Sicherheitsgesetz beantragt - die Volksrepublik lehnte dies aber ab.
Doch nicht nur das Verhältnis zu den USA wird belastet. Letztlich stellt China mit seiner Aktion den Fortbestand Hongkongs als internationaler Finanzstandort infrage - der de facto auch für das eigene Land von immenser Wichtigkeit ist. In der Volksrepublik gelten nach wie vor strenge Kapitalverkehrskontrollen, wodurch ein Großteil der Direktinvestitionen nach China durch Hongkong fließt. Außerdem sind zahlreiche chinesische Unternehmen an der Hongkonger Börse gelistet.
Dort sind die Kurse seit dem 21. Mai, dem Tag als die chinesischen Pläne bekannt wurden, unter Druck. Der Leitindex Hang Seng verlor bis zu sechs Prozent, der Hang Seng China Enterprises, der Index für große Unternehmen, die überwiegend in der Volksrepublik tätig sind, gab bis zu vier Prozent ab. Zum Vergleich: In Europa und den USA stiegen die Notierungen im selben Zeitraum weiter an.
Wetten gegen den Hongkong-Dollar
Am Devisenmarkt setzen derweil Spekulanten auf eine signifikante Abwertung des Hongkong-Dollar. Dies macht den Finanzstandort noch verletzlicher. Bislang ist die Währung Hongkongs seit 1983 lose an den US-Dollar gekoppelt - im Jargon "Peg" genannt (siehe auch "BO Express", den kostenlosen Mail-Service für Abonnenten). Im Extremfall könnte diese Ankoppelung fallen. Viele Investoren würden dann Hongkong den Rücken kehren, es käme wohl zu einer Kapitalflucht im großen Stil. Schon jetzt wird berichtet, dass sich Hongkong-Kunden nach Alternativen für ihre Gelder in Singapur, Zürich oder London erkundigen.
Parallel zur angespannten Lage an den Märkten wurde bekannt, dass immer mehr Auswanderungsanträge gestellt werden. Taiwan will angeblich Hongkong-Flüchtlingen ein Aufenthaltsrecht gewähren. Die britische Regierung denkt wohl über eine ähnliche Lösung nach.
Investments an der Börse Hongkong bieten sich daher aktuell nur für Hartgesottene an. Wenn überhaupt, dann sollte man sich auf Unternehmen mit solidem Geschäftsmodell in der Volksrepublik konzentrieren - etwa Tencent oder auch Ping An Insurance.