Frau Ho, die Börse in Shenzhen hat sich in diesem Jahr bereits mehr als verdoppelt, der Aktienmarkt in Shanghai bringt es auf ein Plus von 52 Prozent, in Hongkong sind die Kurse um über 16 Prozent gestiegen. Wie erklärt sich die starke Entwicklung?
Die Rally ist in erster Linie politisch gewollt. Unter anderem motivierte die Regierung chinesische Anleger zum Einstieg in den Aktienmarkt, um ihnen eine Alternative zu Immobilieninvestments zu bieten. Auf dem Immobilienmarkt hatte sich zuvor eine Spekulationsblase gebildet, mittlerweile sinken die Preise wieder. Die Regierung eröffnete zudem ausländischen Investoren mit dem "Shanghai-Hong Kong Stock Connect" den Zugang zu chinesischen Unternehmen, die in Shanghai notieren.
Der Finanzplatz Shanghai wird dadurch liquider?
Ja, das sollte langfristig auch zu einer stabileren Preisentwicklung am Aktienmarkt führen. Die Regierung ist zudem der Ansicht, dass das verstärkte Investoreninteresse börsennotierte Staatsunternehmen zwingt, die Produktivität zu erhöhen und wesentlich effizienter zu wirtschaften. Ausländische Investoren wiederum nutzen verstärkt die neuen Möglichkeiten eines Engagements, weil ihnen die strukturellen Reformen der Regierung zur Ankurbelung der Wirtschaft gefallen. Sie vermuten, dass sich die Maßnahmen positiv auf den Aktienmarkt auswirken.
Dürfen sich ausländischen Investoren demnächst auch in Shenzen engagieren?
Möglicherweise werden die Börsen in Shenzhen und Hongkong noch in diesen Jahr miteinander vernetzt. Ob ausländische Anleger dann aber sofort massiv einsteigen werden, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. In Shenzhen sind deutlich mehr Small-Cap-Unternehmen gelistet als an der Börse in Shanghai, die von Staatsunternehmen mit hoher Marktkapitalisierung dominiert wird. Die Aussicht auf zusätzliches Interesse ausländischer Investoren hat jedoch chinesische Privatanleger zum Kauf motiviert. Zumal ja auch der Indexanbieter MSCI erwägt, Aktien, die in Shanghai oder in Shenzhen notieren, in den MSCI Emerging Markets aufzunehmen.
Um Aktienkäufe zu finanzieren, haben viele chinesische Privatanleger Kredite aufgenommen. Ist das nicht ein klares Zeichen für eine Überhitzung des Marktes?
Es ist nicht unüblich, dass chinesische Anleger sich Geld leihen und es in den Aktienmarkt stecken. Allerdings sind die Kurse schon sehr stark gestiegen.
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Börse in Shenzhen ist mittlerweile auf über 50 gestiegen.
Richtig. Kräftige Korrekturen, wie wir sie zuletzt Ende Mai gesehen haben, sind daher künftig nicht auszuschließen. Doch bislang wurden die Verluste immer wieder schnell aufgeholt. Der Bullenmarkt könnte daher noch eine Weile anhalten oder anders gesagt - es ist noch zu früh für einen Crash. Die Schwankungen dürften aber in den kommenden Monaten zunehmen und intensiver ausfallen.
Auf Seite 2: Börsenboom von der Regierung gewünscht?
Ist der Börsenboom von der Regierung gewünscht?
Grundsätzlich ja, denn ein Teil der Aktiengewinne wird konsumiert. Das ist im Sinne der Regierung. Sie will den Binnenmarkt stärken und die Abhängigkeit vom Export reduzieren. An einem Crash ist die Regierung dagegen nicht interessiert. Um Übertreibungen an den Börsen künftig vorzubeugen, erwägt die Regierung, es Anlegern zu ermöglichen, auch auf fallende Kurse zu setzen. Zudem dürfte eine ganze Reihe von Neuemissionen den Kursanstieg bremsen.
Das Bruttoinlandsprodukt Chinas wächst nur noch um sieben Prozent. Wird die chinesische Notenbank daher die Zinsen weiter senken, um die Wirtschaft zu stimulieren?
Ich denke schon, das ein weiterer Zinsschritt erfolgen wird, auch wenn die Notenbank in den vergangen sechs Monaten bereits drei Mal die Zinsen gesenkt hat.
Die Kurse werden dann noch weiter steigen?
Eine allzu große Bewegung nach oben erwarte ich nicht mehr. Künftige Zinssenkungen sind meiner Meinung nach zum großen Teil schon in den Kursen enthalten.
Nutzen auch Sie die Möglichkeiten des Shanghai Hongkong Stock Connect?
Der Fonds konnte schon vorher in sogenannte AAktien investieren, die in Renmimbi notieren. Wir sind aber überwiegend in Aktien chinesischer Unternehmen investiert, die in Hongkong gelistet sind. Die Titel sind liquider und werden mit einem deutlichen Abschlag zu den in Shenzhen und Shanghai notierten Werten gehandelt.
Hätte ein Crash in Shenzhen oder Shanghai auch negative Konsequenzen für die Börse in Hongkong?
Die Vernetzung der drei Börsenplätze wird immer enger. Abschwünge bei A-Aktien sind auch in Hongkong deutlich zu spüren.
Wie schützen Sie das Portfolio vor möglichen Korrekturen? Der Fonds kann ja nur auf steigende Aktienkurse setzen.
Wir haben einen sehr disziplinierten Investmentansatz und prüfen die für ein Investment infrage kommenden Unternehmen sehr genau. Zudem ist der Fonds breit über Sektoren diversifiziert. Das schützt vor Turbulenzen.
Welche Branchen sind für Sie interessant?
Der Fonds investiert in günstig bewertete Wachstumsaktien. Die finden wir unter anderem im Technologiebereich. Auch in der verarbeitenden Industrie finden wir trotz der starken Kursentwicklung weiterhin attraktiv bewertete Unternehmen.
Was können Anleger, die in den Nestor China investiert haben, noch bis zum Ende des Jahres erwarten?
Eine konkrete Prognose will ich nicht treffen. Ich rechne mit Schwankungen, aber am Ende des Jahres sollte der Fonds noch einmal zugelegt haben.