"Wir haben heute Nacht Geschichte geschrieben", erklärte sie. Ihr innerparteilicher Rivale Bernie Sanders gab sich jedoch noch nicht geschlagen. Der Senator kündigte an, seinen Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit bis zum Parteitag im Juli fortzusetzen. Der Druck auf ihn, aus dem Rennen auszusteigen, dürfte allerdings in den kommenden Tagen zunehmen. Clinton und der Republikaner Trump, der einzige verbliebene Bewerber seiner Partei, schossen sich bereits aufeinander ein.

Einer neuen Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters und des Meinungsforschungsinstituts Ipsos zufolge liegt Clinton knapp zehn Prozentpunkte vor Trump. In der Wahl Anfang November stehe viel auf dem Spiel, warnte die frühere First Lady vor jubelnden Anhängern in Brooklyn. "Donald Trump ist vom Temperament her ungeeignet, Präsident und Oberbefehlshaber der Streitkräfte zu sein." Wenn er sage, ein in den USA geborener Richter könne sein Amt wegen seiner mexikanischen Wurzeln nicht erfüllen, oder wenn er einen behinderten Reporter verspotte und Frauen Schweine nenne, so verstoße das "gegen alles, wofür wir stehen".

Trump kündigte im Gegenzug für "wahrscheinlich Montag" eine Rede an, in der er über "all die Dinge" reden werde, "die unter den Clintons passiert sind". Das werde "sehr informativ und sehr, sehr interessant" sein. Der Politik-Quereinsteiger schürte damit Erwartungen, dass es bis zum Wahltag einige Schlammschlachten geben dürfte. In den vergangenen Monaten hat Trump wiederholt Schlagzeilen gemacht mit rechtspopulistischen Äußerungen und Beleidigungen, die auch im Ausland für massive Kritik und Bedenken sorgten.

VERTRAUENSKRISE



Ein Thema der Trump-Rede dürfte Clintons E-Mail-Affäre sein. Als Außenministerin hatte sie einen privaten Server für ihre Kommunikation genutzt. Es laufen deswegen mehrere Untersuchungen gegen sie, auch eine der Bundespolizei FBI. Der Skandal steht stellvertretend für das Misstrauen, auf das die 68-Jährige auch in den eigenen Reihen stößt. Vor allem die zahlreichen Sanders-Anhänger, darunter viele jüngere Wähler, trauen ihr nicht über den Weg und nehmen ihr die Botschaft, für die Mittelschicht einzutreten, nicht ab. Der selbst ernannte Sozialist Sanders punktet dagegen mit den Versprechen, gegen Super-Reiche zu Felde zu ziehen, die großen Wall-Street-Banken zu zerschlagen und ein nach seinen Worten korruptes System zur Wahlkampffinanzierung abzuschaffen, in dem Milliardäre Ergebnisse kauften.

Um Sanders herum entstand eine regelrechte Bewegung. Seit der ersten Vorwahl im Februar in Iowa bot er so der von Anfang an als Favoritin deklarierten Clinton überraschend die Stirn. Auch bei den sechs Vorwahlen am Dienstag schnitt er insgesamt nicht schlecht ab. Letztendlich aber setzte sich Clinton mit ihrem Beharren auf pragmatische Lösungsansätze und der größeren Erfahrung auf höchster politischer Ebene durch. Vor allem ältere Wähler und Minderheiten hielten ihr die Stange. Sanders' erhoffter Triumph im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Kalifornien, dem größten Preis des Tages, blieb so aus. Präsident Barack Obama gratulierte Clinton. Mit Sanders will er sich am Donnerstag treffen.

Gleichwohl kündigte der 74-Jährige an, auch bei der letzten Vorwahl am kommenden Dienstag im Regierungsbezirk Washington D.C. anzutreten und beim Nominierungsparteitag in Philadelphia Ende Juli mitmischen zu wollen. Im Blick hat Sanders dabei die so genannten Super-Delegierten. Deren Unterstützung genießt zu einem Großteil Clinton. Doch die Spitzenfunktionäre können jederzeit ihre Meinung ändern - anders als die Delegierten, die durch den Ausgang der Vorwahlen in ihrem Abstimmungsverhalten festgelegt sind.

Allerdings dürfte Sanders' Rechnung kaum aufgehen, dass die Super-Delegierten sich kurzfristig doch noch hinter ihm scharen. Dazu fiel auch Clintons Sieg in Kalifornien nach Berechnungen diverser Medienanstalten mit etwa 20 Prozentpunkten Vorsprung zu deutlich aus. Eine Niederlage im Golden State hätte dagegen auch Trump eine Steilvorlage geliefert, um seine Widersacherin als schwache Kandidatin darzustellen, die selbst ihre eigene Partei nicht begeistern kann. Gleichwohl bleibt es vorerst eine der wichtigsten Aufgaben Clintons, möglichst rasch die Partei hinter sich zu vereinen. Das Problem aber hat auch Trump, gegen den das Establishment der Republikaner lange Sturm lief, bis der letzte seiner einst 16 parteiinternen Rivalen vor einem Monat aufgab.

Reuters