Der globale Produktionsverlust durch das Virus und die damit verbundenen Lockdowns beträgt laut Weltbank allein für das Jahr 2020 4,5 Billionen US-Dollar. Bei 30 Milliarden Dollar jährlichen Prämien für Betriebsunterbrechungsversicherungen bräuchte die Branche 150 Jahre, um nur den Covid-19-Schaden für das Jahr 2020 abzutragen. Zu diesem Ergebnis kommt die Geneva Association, größter internationaler Think Tank der Versicherer, in einer Studie.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) schätzt, dass Kunden deutschlandweit bislang jährliche Beiträge von rund 25 Millionen Euro insgesamt für Betriebsschließungsversicherungen gezahlt haben. Der ganze Versicherungssektor hat 2020 aber schon rund 900 Millionen Euro für Betriebsschließungen geleistet oder zurückgestellt - die Schadenquote ist also ziemlich hoch.

Das alles klingt erschreckend. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite sind diese Zahlen nur die logische Konsequenz daraus, wie eine Versicherung funktioniert, nämlich nach dem "Prinzip der großen Zahl": Viele Menschen zahlen einen vergleichsweise geringen Beitrag ein, damit wenige Betroffene viel Geld bekommen, wenn ihnen ein Schaden zustößt. So kann die Last auf alle Schultern verteilt werden. Bei einer Pandemie greift das Prinzip nicht mehr.

Warum? Damit das Versicherungsprinzip versicherungsmathematisch darstellbar ist, müssen die Risiken statistisch einschätzbar und vor allem hinreichend unabhängig voneinander sein. Nur so kann eine Streuung der Risiken nach Parametern wie Zeitachse, Geografie oder Schadentypus erfolgen, was sich dann in vergleichsweise geringen Beiträgen auswirkt.

Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Risiken

Genau hier wird es problematisch: Das Kriterium der "unabhängigen Risiken" wird bei einer weltweiten Pandemie nicht erfüllt. Die Betriebsunterbrechung und -schließung hat viele Branchen geografisch flächendeckend durch dieselbe Ursache - das Coronavirus - getroffen. Zusätzlich kommt es bei einer Pandemie sogar noch zu Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Risiken wie Betriebsunterbrechungen, Auswirkungen auf die globalen Kapitalmärkte, Anstieg der medizinischen Kosten und Sterblichkeit.

Damit gleicht eine Pandemie einem "Flächenbrand", der sich rasch über viele Länder ausbreitet. Für Versicherer zählt eine Pandemie zu den sogenannten Kumulrisiken - also Gefahren, die gleichzeitig überproportional viele Schäden anrichten. Der mit diesem Risiko verbundene Kapitalbedarf wäre so hoch, dass eine effektive Abdeckung nur durch den privaten Versicherungsmarkt allein Prämien notwendig machen würde, die für die Versicherungsnehmer völlig unattraktiv, wenn nicht sogar unbezahlbar wären.

Gleichzeitig hat die Corona-Krise auch massive Schutzlücken offengelegt, vor allem im Bereich der Betriebsschließungen und -unterbrechungen. Natürlich sind viele Lösungsansätze denkbar, auch dass die Staaten jeweils allein eine Versicherung organisieren. Sinnvoll wäre aber die Zusammenarbeit von Versicherungswirtschaft und dem jeweiligen Staat. Die Gründe: Versicherer wissen, wie man Auszahlungen schnell und reibungslos durchführt. Außerdem erleichtern die vorhandenen Kundenbeziehungen die Identitätsprüfung.

Wir wollen aktiv mitwirken, den Schutz vor allem für kleine und mittlere Unternehmen für mögliche zukünftige Pandemien vorausschauend, von Anfang an berechenbarer und schneller zur Verfügung zu stellen. Die Allianz engagiert sich daher in verschiedenen Initiativen, um eine Lösung zur Abdeckung des Pandemierisikos zu entwickeln. Dabei sind sich alle Beteiligten einig: Lösungen können nur gemeinsam zwischen der Versicherungswirtschaft und den Staaten entwickelt werden, wobei die Versicherungswirtschaft nur einen relativ begrenzten Teil der Last wird tragen können.

Sollte eine Lösung europäischer oder eher nationaler Natur sein?

Vier Kernfragen haben sich herauskristallisiert: Ist eine Kapitalsammelstelle oder eine Versicherung die passendere Option? Sollte das System freiwillig oder obligatorisch sein? Was ist der geeignete Auslöser, um dieses System zum Tragen zu bringen? Und schließlich: Sollte eine Lösung europäischer oder eher nationaler Natur sein?

Der GDV hat zwei Möglichkeiten für eine staatlich-privatwirtschaftliche Lösung vorgestellt: Eine Option wäre eine Kapitalsammelstelle, die bei einer Infektionswelle pauschalierte Leistungen abhängig vom Unternehmensumsatz auszahlt. Die Zielgröße des Kapitalstocks orientiert sich am Leistungsfall und einem Zielszenario, dessen Parameter vorab festgelegt werden müssen, zum Beispiel Anteil der generalpräventiv geschlossenen Betriebe, Dauer des Selbstbehalts in Tagen oder die konkrete Höhe der pauschalen Leistungen.

Eine andere Option ist ein stärker risikoorientiertes, von der Wahrscheinlichkeit eines Schadeneintritts geprägtes System ähnlich einer freiwilligen Versicherung, in dem Betriebe auf einen festgelegten Zielschaden einzahlen, den sie ersetzt bekommen wollen. Jeder Betrieb bestimmt damit selbst, welche Leistungen er im Infektionsfall erhalten möchte. Beide Modelle erfordern eine erhebliche staatliche Mitwirkung, um das System bezahlbar zu halten.

Wir als Allianz befürworten für alle Länder in Europa die Entwicklung einer speziellen Pandemie-Absicherung, jeweils in Kooperation mit Versicherungswirtschaft und Regierung. Die Versicherer würden im definierten Pandemiefall Leistungen bis zu einer definierten Höhe leisten, wobei sich die Kalkulation etwa an der angenommenen Wiederkehrwahrscheinlichkeit einer Pandemie orientieren könnte. Eine solche Prämie wäre, da sie die vollumfängliche Risikosituation widerspiegeln würde, jedoch prohibitiv hoch. Wenn den Versicherten schon für diese Absicherung vergünstigte Prämien ermöglicht werden sollen, könnte der Staat diese bezuschussen. Der Staat kann - sofern erforderlich - natürlich auch noch weitergehende staatliche Leistungen oberhalb der definierten Höhe festlegen.

Für eine verpflichtende Lösung spricht, dass es bei einer freiwilligen Versicherungslösung nicht zu einer flächendeckenden Absicherung käme - vielmehr würde man eine Art "Flickenteppich" vorfinden. Eine Konsequenz könnte sein, dass Druck auf die Staaten ausgeübt würde, einzuspringen, auch und gerade in Fällen, in denen kein Versicherungsschutz besteht. Damit werden diejenigen benachteiligt, die selbst Verantwortung übernommen und vorgesorgt haben. Außerdem ist es bei einer freiwilligen Lösung schwieriger, die Prämien bezahlbar zu halten. Das wollen wir unbedingt vermeiden. Eine verpflichtende Lösung müsste trotzdem sicherstellen, dass eine schlanke und unbürokratische Absicherung besteht und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen nicht außer Acht gelassen werden.

Schnell den Rahmen schaffen für eine Pandemie-Absicherung

Der Fokus einer solchen Absicherung sollte zunächst nur auf den Pandemiefall gerichtet sein und nicht weitere systemische Risiken wie Terror, Cyberattacken oder dergleichen umfassen, da sonst die Preisgestaltung durch die Vermischung mehrerer Risiken äußerst komplex wäre. Sie sollte außerdem zunächst auf kleine und mittlere Unternehmen und Selbstständige abzielen, um diese besonders von pandemiebedingten Betriebsschließungen betroffenen Unternehmen zu schützen. Darüber hinaus sind für Großunternehmen spezifische und auf das einzelne Unternehmen zugeschnittene Versicherungslösungen denkbar.

Aus unserer Sicht kommt es jetzt darauf an, dass in Deutschland und in den anderen europäischen Märkten möglichst zügig von der Politik die Rahmenbedingungen festgelegt werden, wie die jeweilige Pandemie-Absicherung gestaltet werden soll. Erst wenn dieser Rahmen steht, können Versicherer mit der Produktentwicklung beginnen.
 


Klaus-Peter Röhler:
Vorstandsmitglied der Allianz SE

Röhler ist verantwortlich für das Versicherungsgeschäft in Deutschland, der Schweiz, Zentral- und Osteuropa sowie das globale Sachversicherungsgeschäft.

Die Allianz ist im Versicherungsgeschäft in Deutschland Marktführer und bedient weltweit mehr als 100 Millionen Kunden in mehr als 70 Ländern. Zudem ist die Allianz einer der größten Assetmanager der Welt.