Die wenigen Kritiker mahnen, aus den jetzt nötigen Maßnahmen dürfe kein Dauerzustand werden. Die weltweite Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren hat aber gezeigt, wie schwierig das ist. Ein Verkauf der Beteiligung des Bundes an der Commerzbank ist weiterhin nicht in Sicht.
Ende November hatte Altmaier seine Industriestrategie vorgestellt, mit der er Schlüsseltechnologien notfalls auch mit staatlichen Mitteln vor Übernahmen schützen wollte. Die sogenannte Rückgriffoption - eine Art Staatsfonds - lehnte der Präsident des Industrieverbands BDI, Dieter Kempf, dabei aber ab: "Eine Ermächtigung der Bundesregierung zur Kapitalbeteiligung des Staates an einzelnen Unternehmen ist mit den Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft nicht leicht in Einklang zu bringen." Auch innerhalb der Regierung und Altmaiers CDU waren die Pläne umstritten. Aus dem Strategiepapier werde nicht mehr werden, hieß es damals sowohl in weiten Teilen der Regierung als auch im Bundestag.
Doch wegen der Pandemie stehen nun reihenweise Unternehmen mit dem Rücken zur Wand. Als mögliche Kandidaten für staatliche Beteiligungen gelten wegen der Reisebeschränkungen vor allem TUI, Lufthansa, Condor und Fraport. Im eilig und im Parlament ungewohnt geschlossen verabschiedeten Gesetz zum Aufbau eines Wirtschaftstabilisierungsfonds (WSF) sind dafür allein 100 Milliarden Euro vorgesehen. Und der BDI kommt zu ganz anderen Schlüssen: "Die Beteiligungsmöglichkeiten für den Staat sind in dieser Situation vertretbar, wenn Unternehmen nur so vor der Insolvenz gerettet werden können", sagt Hauptgeschäftsführer Joachim Lang jetzt.
Altmaier versicherte zuletzt, die ganze Bundesregierung stehe für Marktwirtschaft. "Wir werden sehr sorgfältig mit diesem Instrumentarium umgehen." Bei Bedarf werde aber gehandelt. "Wir werden diese Eingriffe so dimensionieren, dass wir so wenig wie möglich in Märkte eingreifen." Mit einer Welle von Verstaatlichungen rechnet Altmaier nicht.
WANN STEIGT DER FONDS WIEDER AUS?
Doch noch bevor die ersten Beteiligungen über die Bühne gegangen sind, wird bereits über den richtigen Ausstieg gestritten. CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach verweist darauf, dass der WSF bis Ende 2021 begrenzt ist - "damit daraus nicht ein Dauerinstrument zum schleichenden Einstieg in eine Staatswirtschaft wird". Ab 2022 müsse damit begonnen werden, Unternehmensbeteiligungen Schritt für Schritt und zügig wieder aufzulösen. "Ich gehe davon aus, dass dies auch realistisch ist."
Dem stellvertretenden Unions-Fraktionschef Carsten Linnemann reicht das nicht: Staatsbeteiligungen dürfe es nur bei systemrelevanten Firmen geben, wenn zudem alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft seien. "Und auch dann müssen wir etwa mit Hilfe eines Expertenrates schon mit dem Einstieg den Ausstieg vorbereiten", sagt der Wirtschaftsexperte der Nachrichtenagentur Reuters. "An der Commerzbank ist der Staat auch über zehn Jahre nach der Finanzmarktkrise noch beteiligt." Das dürfe nicht die Regel sein.
STILLE BETEILIGUNGEN?
Die FDP fordert von der Bundesregierung, sich auf Stille Beteiligungen zu beschränken, bei der es kein Mitspracherecht gäbe. "Der Staat sollte sich keinesfalls ins operative Geschäft einmischen", sagt FDP-Finanzpolitiker Karsten Klein. "Die Krisenmaßnahmen dürfen nicht zum Dauerzustand werden." Die Krise müsse genau beobachtet werden. "Sobald sie sich abschwächt, muss der Staat auch schrittweise aus Staatsbeteiligungen wieder raus. Vor allem mit dem Mittelstand muss man dann prüfen, wann die Firmen Anteile zurückkaufen können."
Auch die Wirtschaftsweisen empfehlen in ihrem Corona-Sondergutachten für die Bundesregierung Stille Beteiligungen, also Eigenkapitalzuschüsse, mit denen Geldgeber nicht offiziell Eigentümer von Unternehmen werden, sondern im Erfolgsfall nur eine Gewinnbeteiligung bekommen. Das Instrument könne einen späteren Ausstieg erleichtern, so die Ökonomen. Keinesfalls dürften Unternehmen künstlich am Leben gehalten werden, die bereits vor der Corona-Krise ein Sanierungsfall gewesen seien.
rtr