Als wahrscheinlich gelten auch weitere Ermittlungen zum Steuer- und Geschäftsgebaren des 72-Jährigen sowie zum Vorwurf der Wahlkampfhilfe aus Russland. Trump twitterte dennoch zufrieden: "Riesiger Erfolg heute Nacht. Danke an alle." Im US-Senat bauten die Republikaner ihre Mehrheit aus. In Europa wurde das Ergebnis am Mittwoch mit verhaltenen Reaktionen aufgenommen.
Pelosi kündigte in der Wahlnacht an, die Demokraten würden kompromissbereit sein, wo möglich, und hartnäckig, wo nötig. "Wir tragen die Verantwortung, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, wo wir dies können", sagte sie: "Wo dies nicht möglich ist, werden wir für unsere Position kämpfen." Zwei Jahre nach Trumps Sieg bei der Präsidentenwahl war die Abstimmung vom Dienstag auch ein Referendum über seine bisherige Amtszeit. Im Wahlkampf wurde erneut die tiefe Spaltung des Landes offenbar, es kam zu heftigen Zusammenstößen über Themen wie Rasse und Zuwanderung. Der neue Kongress tritt im Januar zusammen.
ABWARTEN ALS DEVISE
Bundesaußenminister Heiko Maas geht davon aus, dass sich jegliche Auswirkungen der US-Wahl erst in den kommenden Wochen zeigen werde. Er rechne jedoch nicht mit allzu großen Veränderungen in Trumps Politik. Ähnlich äußerte sich der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer. "Ich glaube, wir sollten nicht zu viele Erwartungen in dieses Ergebnis setzen in den Auswirkungen auf uns", sagte der CDU-Politiker dem ZDF mit Blick auf die Nato und den Handel. Bei beiden Themen sei der Senat mit seiner Mehrheit der Republikaner federführend. Der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel, Steffen Seibert, wollte die Wahl nicht kommentieren.
Die deutsche Wirtschaft erwartet, dass Trump seine harte Handelspolitik fortsetzen wird. "Die deutsche Industrie muss sich auch zukünftig auf rauen Gegenwind aus Washington einstellen", sagte der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dieter Kempf. "Wir haben wenig Zuversicht, dass sich an der protektionistischen Ausrichtung der amerikanischen Handelspolitik etwas ändern wird." Ähnlich äußerten sich die Wirtschaftsweisen und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag.
Kühl reagierte die russische Führung. "Wir gehen ganz stark davon aus, dass die Aussichten für eine Normalisierung der russisch-amerikanischen Beziehungen nicht rosig sind", erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.
TENDENZ ZU UNSTRITTIGEN VORHABEN - ODER BLOCKADE
Die US-Demokraten erringen mit dem Sieg erstmals seit 2010 wieder die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Trump dürfte sich durch die neuen Mehrheitsverhältnisse gezwungen sehen, besonders umstrittene Vorhaben abzumildern oder aufzugeben und stattdessen auf Themen zu setzen, bei denen Einigkeit zwischen Republikanern und Demokraten herrscht. Als weitgehend unstrittig gelten etwa ein Paket zur Verbesserung der Infrastruktur sowie Maßnahmen, die einen Anstieg der Medikamentenpreise verhindern sollen. Der gespaltene Kongress stellt damit Trumps Fähigkeit auf die Probe, Kompromisse zu schließen. In den vergangenen beiden Jahren, als die Republikaner die Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus hatten, zeigte er dazu allerdings wenig Neigung.
Die verschiedenen Mehrheiten im Kongress könnten daher auch bedeuten, dass das Land noch tiefer in die Spaltung gleitet und die Gesetzgebung weitgehend blockiert wird. In den USA sind die beiden Kammern des Parlaments bei den meisten Gesetzesvorhaben gleichberechtigt. Bei Haushaltsfragen hat das Repräsentantenhaus die Oberhand - damit haben sie nun einen Hebel in der Hand, um etwa den Bau einer Mauer zu blockieren. Die kommenden Monate dürften zeigen, wie stark Trumps Rückhalt bei den Republikanern im Repräsentantenhaus nach den jüngsten Verlusten noch ist. In der Außen- und Handelspolitik ist allerdings der Senat federführend, wo die Republikaner ihre bisherige Ein-Stimmen-Mehrheit wahrscheinlich ausbauen konnten.
DEMOKRATEN VERDANKEN IHREN ERFOLG DEN FRAUEN
Innenpolitisch könnte es jedoch für Trump unangenehmer werden. Mehrere Demokraten hatten vor der Wahl erklärt, man werde sich im Fall eines Sieges im Repräsentantenhaus schnell und tiefgreifend mit mehreren Vorwürfen gegen ihn befassen, etwa seinem Steuergebaren und seinen Geschäftsbeziehungen zu Russland. Die Demokraten könnten dafür die Ergebnisse der Untersuchung von Sonderermittler Robert Mueller als Grundlage nehmen. Im Repräsentantenhaus genügt eine einfache Mehrheit für ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten. Der Amtsenthebung müsste allerdings eine Zwei-Drittel-Mehrheit im republikanisch dominierten Senat zustimmen.
Die Demokraten verdanken ihren Sieg im Repräsentantenhaus einer Umfrage zufolge vor allem Wählerinnen, jungen Leuten und Menschen hispanischer Abstammung. Nach einer Reuters/Ipsos-Umfrage votierten 55 Prozent der Wählerinnen für die Demokraten, vor vier Jahren waren es nur 49 Prozent.
rtr