Die Theorie, die dahintersteckt: Die Teile eines Mischkonzerns sind in den Augen der Investoren oftmals mehr wert als das Ganze. Sparten, die im Großkonzern ein Mauerblümchen-Dasein fristen, sollen als eigenständige Unternehmen aufblühen. Doch dieses Kalkül geht nicht immer auf.

Im Unterschied zum normalen Börsengang einer Tochter, wie ihn Volkswagen mit Traton, Bayer mit Covestro oder Siemens mit der Medizintechnik-Tochter Healthineers durchgezogen haben, kommt beim Spin-off kein frisches Kapital herein. Die Aktionäre der Muttergesellschaft bekommen einfach eine oder mehrere Aktien zusätzlich ins Wertpapierdepot gebucht. Der Vorteil: das Risiko, dass der Börsengang mangels Nachfrage floppt, ist ausgeschaltet. Deshalb erwägt auch Continental für die Getriebe-Tochter Vitesco diesen Schritt.

Wie sich die größten "Spin-offs" der vergangenen Jahre an der Börse geschlagen haben, zeigt folgende Übersicht.

SIEMENS/SIEMENS ENERGY


Für Siemens ging es primär darum, die Energietechnik-Sparte loszuwerden, die mitten in dem großen Umbruch der Energiewende steckt. In den Augen der Investoren passte die renditeschwache Sparte nicht zum Image von Siemens als Technologiekonzern. Daher verteilte Siemens 55 Prozent der Aktien von Siemens Energy Ende September an die eigenen Aktionäre und behielt selbst nur 35,1 Prozent - mit der Aussicht, den Anteil auf Sicht bis auf 25 Prozent zu reduzieren. 9,9 Prozent liegen beim Pensionsfonds von Siemens. Seit dem Börsengang haben sich beide Aktien positiv entwickelt. Siemens Energy legten nach einem Stotterstart um 44 Prozent zu, weil die Anleger dem Kraftwerksbauer den Umbau auf Wind und Wasserstoff zutrauen. Und die Siemens-Aktionäre haben 26 Prozent mehr im Depot als vorher.

SIEMENS/OSRAM


Schon 2013 hatte sich Siemens mittels Abspaltung von einer Sparte getrennt, die vor einem Umbruch stand: Der Leuchtmittel-Hersteller Osram wurde im Juli 2013 an die Börse gebracht. Der erste Kurs leuchtete damals mit 24 Euro auf. Osram schaffte mit großen Mühen den Umbau vom Glühbirnen-Hersteller zum Licht-Technologie-Konzern. Das weckte das Interesse des österreichischen Sensor-Spezialisten AMS, dem der Osram-Vorstand nach langem Abwehrkampf 2019 ein Übernahmeangebot von 41 Euro je Aktie abrang.

E.ON/UNIPER


Kaum eine Branche hat sich unter dem Druck der Politik und Gesellschaft so gewandelt wie die Energieversorger. Der frühere Atom- und Kohle-Dino E.ON sorgte mit der Abspaltung seiner Kraftwerkstochter Uniper für einen Paukenschlag. E.ON brachte die als Resterampe verschriene Kraftwerkstochter im September 2016 an die Börse. Die Erstnotiz lag bei rund zehn Euro. Heute sind die Uniper-Papiere dreimal soviel wert. Uniper war so erfolgreich, dass der Versorger ins Visier des finnischen Konkurrenten Fortum geriet. Nach heftigem Abwehrkampf hält Fortum heute mehr als drei Viertel der Anteile.

BAYER/LANXESS


Bevor der Leverkusener Pharma- und Chemiekonzern mit der Tochter Covestro 2015 einen echten Börsengang wagte, entstand Lanxess 2004 im Zuge einer großen Umstrukturierung durch die Ausgliederung der meisten Chemie-Aktivitäten und etwa einem Drittel des Kunststoff-Geschäfts von Bayer. Lanxess war anfangs in einer wirtschaftlich schwierigen Situation. Zu Beginn als "Bayers Resterampe" oder "Crap Co" verspottet, schaffte Lanxess eine erfolgreiche Sanierung. 2012 stieg das Kölner Unternehmen sogar in die erste Börsenliga Dax auf und hielt sich dort drei Jahre. Heute ist Lanxess an der Börse rund 5,6 Milliarden Euro wert. Für Aktionäre hat sich die Treue gelohnt: Lanxess starteten am 31. Januar 2005 mit einem Kurs von 15,75 Euro - heute ist die Aktie mit 64 Euro das Vierfache wert.

METRO/CECONOMY


Der Handelsriese Metro ging im Juli 2017 in zwei eigenständige Unternehmen auf - den Großhändler Metro und die Elektronikhandels-Holding Ceconomy mit den Ketten Media Markt und Saturn. "Es gibt keine Synergien, im Gegenteil: Ein Konglomerat macht das Unternehmen nur langsamer", begründete der damalige Metro-Chef Olaf Koch die Scheidung, mit der er sich des streitbaren MediaSaturn-Miteigentümers Kellerhals entledigte. Technisch wurde dabei Metro abgespalten, der verbleibende "alte" Konzern wurde in Ceconomy umbenannt. Das erhoffte Kursfeuerwerk blieb aber aus. Die "neue" Metro feierte im Juli 2017 mit 20 Euro ihr Börsendebüt, heute notieren die Anteilsscheine mit 9,74 Euro bei weniger als der Hälfte. Ceconomy eröffneten damals mit 9,32 Euro, nun sind die Anteilsscheine 5,53 Euro wert. Koch kehrte Metro zum Jahreswechsel den Rücken.

rtr