Jeder Zaun, jedes Brückengeländer, jeder Laternenpfahl in Stockholms Innenstadt ist voll geklebt mit Wahlplakaten. Selbst wer kein Schwedisch kann, erkennt mühelos, dass es dabei vor allem um ein Thema geht: Zuwanderung.

Am 9. September wählen die Schweden ein neues Parlament. Dem skandinavischen Land, das als liberal und weltoffen gilt, droht ein Rechtsruck. Zwar dürften die Sozialdemokraten, die seit 1923 den Ministerpräsidenten stellen, erneut stärkste Kraft im Reichstag werden. Doch mit rund 20 Prozent auf Platz 2 liegen jüngsten Umfragen zufolge die rechts-populistischen Schwedendemokraten (SD) unter Führung des jungen, charismatischen Vorsitzenden Jimmie Åkesson.

Mit Wahlslogans wie "Wohlfahrt oder Masseneinwanderung" werben die SD um Stimmen. Mit Erfolg. Dabei geht es den Schweden wirtschaftlich so gut, wie noch nie. Die Wachstumsraten von 2,6 bis 4,1 Prozent in den vergangenen vier Jahren sind für eine entwickelte Volkswirtschaft erstaunlich hoch. Die Arbeitslosenquote ist mit 6,2 Prozent historisch niedrig. Und das, obwohl Schweden pro Kopf gerechnet so viele Flüchtlinge aufgenommen hat wie kein anderes EU-Land.

Wachsende Risiken



Allerdings nehmen die Risiken für eine Abkühlung der schwedischen Wirtschaft zu. Mit den Flüchtlingen hat das nichts zu tun. Vielmehr damit, dass die gute wirtschaftliche Entwicklung vor allem von den exportstarken schwedischen Firmen und der hohen Binnennachfrage, insbesondere im Immobilienbereich, getrieben wird. Letztere ist aber zu großen Teilen kreditfinanziert. Viele Schweden kaufen ihre Immobilie komplett auf Pump und zahlen nur Zinsen, tilgen den Kredit aber nie. Die Verschuldung der privaten Haushalte beläuft sich inzwischen auf 187 Prozent des Haushaltseinkommens.

Die schwedische Zentralbank Riksbank warnt bereits, dass die hohen privaten Schulden das größte Stabilitätsrisiko für das schwedische Finanzsystem seien. Kritisch dürfte es werden, wenn die Riksbank die Zinsen erhöht. Angesichts der steigenden Inflation, die zuletzt bei 2,2 Prozent lag, wird ein Zinsschritt immer wahrscheinlicher. Investoren rechnen schon länger mit einem Ende der ultralockeren Geldpolitik. Weil die Riksbank dies aber hinauszögert, hat die Krone gegenüber dem Euro an Wert verloren.

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Bankaktien meiden



Anleger sollten um schwedische Bankaktien angesichts dessen besser einen Bogen machen. Denn rund 80 Prozent der Finanzierungstätigkeit schwedischer Banken hänge direkt oder indirekt vom Immobilienmarkt ab, mahnt die Riksbank. Darüber hinaus könnte eine Abkühlung der Weltwirtschaft infolge der zunehmenden Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und anderen Ländern oder eines harten Brexit die exportorientierte schwedische Wirtschaft belasten.

Wir raten Anlegern deshalb zu defensiven Werten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Schweden 30 Prozent Steuern auf Dividenden erhebt (und auch auf Kursgewinne, wenn in Stockholm gehandelt wird). Die Hälfte davon können deutsche Anleger zurückfordern, allerdings ist das - abhängig von der jeweiligen Depotbank - mit Gebühren verbunden und lohnt sich nicht immer. Interessant ist deshalb die Aktie des schwedisch-britischen Pharmariesen AstraZeneca, die auch in London notiert ist, wo keine Quellensteuer anfällt. Nach einem Gewinnrückgang zum Jahresauftakt zeigt sich Konzernchef Pascal Soriot optimistisch, dass das Unternehmen die Talsohle durchschritten hat. Vor allem auf den Wachstumsmarkt China setzt er große Hoffnungen. Wir stufen den Wert wieder auf "Kaufen" hoch.

Bei den rein schwedischen Aktien lohnt sich ein Blick auf den auf Sicherheitslösungen spezialisierten Konzern Assa Abloy. Das Unternehmen, das Schließsysteme und Sicherheitstüren herstellt, wächst kontinuierlich und erzielte im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn. Der Konzern hat sich zum Ziel gesetzt, zehn Prozent pro Jahr zuzulegen, und strebt eine Marge von 15 bis 17 Prozent an.

Besonders risikobereite Anleger können auf den Turnaround beim Bekleidungskonzern Hennes & Mauritz (H & M) wetten. Die Aktie befindet sich seit 2015 im Sinkflug, weil H & M bislang mit der wachsenden Onlinekonkurrenz nicht mithalten kann. Zuletzt fiel das Papier auf den tiefsten Stand seit der Finanzkrise. Die Eigentümerfamilie Persson, die 45 Prozent am Unternehmen hält sowie über zwei Drittel der Stimmrechte verfügt, scheint an eine Trendwende zu glauben. Seit Mai kauften sie H & M-Aktien im Wert von mehreren Milliarden Kronen. Der Sohn des H & M-Gründers und amtierende Konzernchef Karl-Johan Persson nannte 2018 ein "Jahr des Übergangs".

Wem Einzelinvestments zu riskant und die Steuerproblematik zu kompliziert sind, der kann mit einem iShares-ETF auf den Leitindex OMX Stockholm 30 setzen. Die größten Positionen sind derzeit Nordea, H & M, Swedbank, Volvo, Svenska Cellulosa (SCA) und Ericsson.





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Auf einen Blick: Schweden