"Solange der Anstieg mit einer Wirtschaftsbelebung verknüpft ist, dürfte er die Finanzmärkte wenig belasten", sagt Ibrahima Kobar, Chef-Anlegerin beim Vermögensverwalter Ostrum. "Sollten die Zinsen aber aus Angst vor einer Überhitzung oder vor Inflation weiter steigen, könnten die Märkte ins Straucheln geraten." Steigende Anleiherenditen bedeuten höhere Finanzierungskosten und schmälern die Gewinne der Unternehmen.

Luca Paolini, Chef-Anlagestratege des Vermögensverwalters Pictet, rät zur Gelassenheit. "Inflationsbedenken halten wir für verfrüht. Ein Überschießen der Inflationsziele der Zentralbank dürfte nur vorübergehend sein." Martin Lück, Chef-Anlagestratege für Deutschland, Österreich und Osteuropa beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock, weist zudem darauf hin, dass die Bond-Renditen im Vergleich zu den Inflationserwartungen bislang unterdurchschnittlich gestiegen seien. "Die im Ergebnis weiter gesunkenen Realzinsen sprechen somit weiterhin für eine Übergewichtung von Aktien." Unter Realzinsen verstehen Ökonomen den Nominalzins abzüglich der Inflationsrate.

AKTIENKURSE UND BOND-RENDITEN ZIEHEN AN


In der alten Woche verdrängten Fortschritte bei den Corona-Massenimpfungen und ein Etappensieg bei der Verabschiedung des knapp zwei Billionen Dollar schweren Corona-Hilfspakets in den USA die Inflationssorgen zugunsten von Konjunkturhoffnungen. Der Dax stieg zeitweise auf ein Rekordhoch von 14.197,49 Punkten und gewann unter dem Strich rund ein Prozent.

Gleichzeitig ging der Rendite-Anstieg an den Anleihemärkten weiter. Die weltweit richtungsweisenden zehnjährigen US-Bonds rentierten mit etwa 1,5 Prozent rund einen halben Prozentpunkt über dem Niveau vom Jahresbeginn. Die Rendite ihrer deutschen Pendants stieg in diesem Zeitraum auf minus 0,3 von minus 0,6 Prozent.

Vor diesem Hintergrund warten Börsianer gespannt auf das Treffen der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag. Dabei dürfte die EZB ihrer Besorgnis über die Entwicklung am Bondmarkt Ausdruck verleihen, prognostizierte Commerzbank-Analyst Michael Schubert. "Sie wird wohl das wöchentliche Volumen ihrer Anleihekäufe erhöhen - und damit womöglich nicht erst bis zur Sitzung warten." In den vergangenen Tagen hatten führende EZB-Banker betont, sich bei Bedarf einem unerwünschten Anstieg der Anleiherenditen mit verstärkten Wertpapierkäufen entgegenzustemmen.

WENIGE KONJUNKTURDATEN UND FIRMENBILANZEN


Relevante Konjunkturdaten stehen in der neuen Woche nur wenige auf dem Terminplan. Den Anfang machen am Montag die Zahlen zur deutschen Industrieproduktion. Am Freitag folgen die entsprechenden Daten zur Euro-Zone. Jenseits des Atlantik werden am Mittwoch die US-Verbraucherpreise veröffentlicht.

Gleichzeitig neigt sich die Bilanzsaison ihrem Ende zu. Aus dem Dax legen die Deutsche Post, der Autozulieferer Continental und der Sportartikel-Hersteller Adidas Geschäftsergebnisse vor. Im Ausland öffnet unter anderem der SAP-Rivale Oracle seine Bücher. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank, zieht eine positive vorläufige Bilanz der US-Berichtssaison. "Das erste Mal seit zwei Jahren sind die Gewinne je Aktie schneller gestiegen als die entsprechenden Umsatzerlöse. Offensichtlich ist es vielen Firmen gelungen, ihre Effizienz in der Krise zu steigern."

rtr