von Index Radar




Chart 1 - Tageschart des DAX


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Zu den besten Kaufsignalen der klassischen Charttechnik zählen frische Rekordhochs. Die Idee dahinter ist einleuchtend: Wenn der Kurs in neues Terrain vorstößt, kann es keine bereits bestätigten Widerstände mehr geben. Der Weg nach oben ist dann frei, zugleich bleibt das Angebot eher gering. Denn kein Anleger schielt auf seinen Einstandskurs, um noch mit einem blauen Auge aussteigen zu können. Wer dabei ist, freut sich an Buchgewinnen und lässt die Position laufen. Die spannende Frage lautet nur, wann der perfekte Zeitpunkt zum Verkauf gekommen ist. Ab einem bestimmten Kursniveau nimmt die Versuchung zu, wenigstens einen Teil der Buchgewinne zu realisieren. Auf der anderen Seite lockt die Gier, schließlich möchte jeder die Rally so lange ausreizen, bis das Maximum erreicht ist. Nur wo liegt die magische Grenze, ab der die Kurse wieder abwärts rauschen?

Eine schwierige Frage, die mit den Mitteln der normalen Charttechnik nicht beantwortet werden kann. Auch die Analyse einzelner Kerzen hilft nur selten weiter. Dazu liefert der gestrige Handelstag ein gutes Beispiel. Der erste Chart zeigt den DAX auf Tagesbasis seit Ende 2014. Die zur Wochenmitte ausgebildete lange weiße Kerze ist sehr bullisch, weil der Eröffnungskurs zugleich dem Tagestief entsprach und das Tageshoch zur Schlussglocke erzielt wurde. Besser geht es nicht, zumal auch die Umsätze mit 4,8 Mrd. Euro auf Xetra deutlich über dem 6-Monatsdurchschnitt von 3,7 Mrd. Euro lagen.

Der gestrige Handelstag verlief hingegen trotz überdurchschnittlichem Handelsvolumen recht ruhig in einer Range von nur 76 Zählern. Im Chart bildete sich ein sogenannter Northern Doji. Diese Art von Kerzen entstehen, wenn der Kurs sich auf und ab bewegt und wieder da schließt, wo er eröffnet hat. Dojis werden von einigen Experten als gutes Umkehrsignal eingeordnet. Der Grund für diese negative Einschätzung liegt in der Unschlüssigkeit und Unsicherheit der Käufer, die Rally am Leben zu halten. Vor allem wenn der Markt zuvor kräftig gestiegen ist - was derzeit eindeutig der Fall ist - sollen die Kerzen als Warnsignal beachtet werden und schon frühzeitig auf einen ausgepowerten Markt hinweisen. Da die Kerze unter Charttechnikern sehr verbreitet ist und ein negatives Image hat, sollte die damit einhergehende psychologische Komponente nicht unterschätzt werden. Glauben viele Akteure an einen Umschwung, wird er sich eher bestätigen - eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Soweit zur Theorie, in der Praxis sieht die Welt oft anders aus. Wie die jüngere Vergangenheit zeigt, muss das Erscheinen eines Dojis nicht unbedingt einen Kursrückgang bedeuten (zuletzt wurde am 25. Februar ein Doji ausgebildet). Er kann auch eine gesunde Atempause signalisieren, bei dem der Markt seitwärts läuft und so seinen überkauften Zustand abbaut. Anschließend setzt sich der übergeordnete Trend fort. Schauen wir uns einige statistische Daten an. Der amerikanische Statistik-Experte Thomas Bulkowski analysierte das Kursverhalten nach 20.000 Dojis und kam zu dem Ergebnis, dass die Kerzen als Umkehrsignal nicht funktionieren. In 51 Prozent der Fälle setzte sich die Aufwärtsbewegung fort, die Quote ist nicht besser als der klassische Münzwurf. Nach einem Doji kann also alles geschehen.

Solange keine klaren Umkehrsignale erkennbar sind, ist die Wahrscheinlichkeit für eine Fortsetzung der Rally als leicht erhöht einzustufen. Allerdings dürfte der größte Kurszauber inzwischen vorbei sein, denn der DAX hat sich in den vergangenen Tagen gefährlich weit von seinen Signallinien entfernt. Während die mit 19,5 Prozent historisch große Differenz zur 200-Tage-Linie eine überhitzte Lage im langfristigen Bereich anzeigt, gilt ähnliches auch für den kurzfristigen Horizont.

Hier hat sich der Monatsmittelwert (21-Tage-Linie) als Gradmesser bewährt, aktuell notiert der DAX rund 4,6 Prozent höher. In den vergangenen Monaten erfolgte häufig eine Wende ab einem Abstand von 3,6 Prozent, selten kam es auch zu Übertreibungen von 5,6 Prozent. Demnach wäre für heute noch Platz bis knapp über 11.900. Voraussetzung dafür sind zunächst Anschlusskäufe über den Hochs der vergangenen zwei Tage bei 11.830.

Fällt der Markt zum Wochenschluss hingegen unter die jüngsten Tiefs um 11.750, dürfte die Reise bis 11.700 weitergehen. Bleibt auch hier die Nachfrage schwach, rückt die nächster Hundertermarke ins Visier. Da der Anstieg zwischen 11.600 bis 11.750 sehr dynamisch erfolgte und kaum Umsätze vorhanden sind, könnte der Impuls Richtung Süden ebenfalls etwas kräftiger ausfallen.


Chart 2 - Fünf-Minuten-Chart des DAX





Chart 3 - Tageschart mit Abstand zur 21-Tage-Linie in %



Gemessen am Abstand zur 21-Tage-Linie verbleibt aktuell ebenfalls nicht mehr viel Potenzial nach oben. Von den Extremwerten zwischen 8 und 9 Prozent ist der DAX zwar noch etwas entfernt. Doch die meisten Wendepunkte erfolgten bereits, wenn der Index zwischen 3,6 und 3,8 Prozent über seinem Monatsdurchschnittskurs kletterte - dieser Schwellenwert wurde inzwischen deutlich überschritten. Eine Konsolidierung ist daher nur eine Frage der Zeit.





Chart 4 - Wochenchart mit Abstand zur 200-Tage-Linie



Wie weit kann es langfristig nach den neuen Allzeithochs nun noch gehen? Die Statistik hilft, diese Frage zu beantworten: Unter dem Kursverlauf des DAX haben wir im Wochenchart den Abstand der Kurse zur 200-Tage-Linie (entspricht etwa dem 40-Wochen-Durchschnitt) abgebildet. Mit dieser Methode lässt sich ein Kursziel auf der Oberseite bei maximal rund 11.900 Zählern errechnen - dieser Wert entspricht den in der Vergangenheit im Idealfall gemessenen 20/21 Prozent Abstand des Index zu seinem langfristigen Durchschnittspreis.

Zu Beginn des Jahrtausends waren es auch mal 33 Prozent und mehr - doch das sollten sich Anleger lieber nicht wünschen, auch wenn der DAX dadurch noch rechnerisches Potenzial bis an die 13.000er-Marke hätte. Denn anschließend startete damals der dreijährige Abwärtstrend, im Zuge dessen sich der Indexstand fast viertelte.



Chart 5 - Kerzenchart auf Tagesbasis





Unterstützungen und Widerstände





















































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Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily.

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