"Die Anleger haben ihre Zurückhaltung aufgegeben. Gestern war der wochenlange Knoten in den späten Handelsstunden plötzlich geplatzt", sagte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG.
Das 1,9 Billionen Dollar schwere Corona-Hilfspaket von US-Präsident Joe Biden und die Aussicht auf einen Konjunkturaufschwung hatten dem Dax zum Wochenstart zu einem Plus von 3,3 Prozent auf 14.380,91 Zähler verholfen. Erst Anfang Januar hatte der Index erstmals die Latte von 14.000 Zählern übersprungen, sich im Anschluss aber schwer getan, sich von dieser Marke abzusetzen.
RENDITEN GEBEN NACH
Vor allem die Furcht vor Inflation und steigenden Renditen hatte bislang für Vorsicht gesorgt. Die Renditen der richtungsweisenden zehnjährigen US-Staatsanleihen gaben am Dienstag um sieben Basispunkte auf 1,523 Prozent nach. Die Rendite ihrer deutschen Pendants fiel um vier Basispunkte auf minus 0,322 Prozent. Auch in weiteren Ländern der Eurozone sanken die Renditen von Staatsanleihen.
Dazu trugen revidierte Wirtschaftsdaten bei. Die Wirtschaft der Euro-Zone schrumpfte inmitten der zweiten Corona-Welle Ende 2020 etwas mehr als zunächst gedacht. Die Quartalszahlen könnten eine Erinnerung daran sein, dass die Eurozone im Jahr 2021 ein Nachzügler in Sachen Wachstum sein werde, sagte ING-Zinsstratege Antoine Bouvet. Analysten gehen aber davon aus, dass die wirtschaftliche Eintrübung und der Renditerückgang nicht von Dauer sein werden, da die Impfungen in Europa und den USA voranschreiten.
ZYKLIKER GEFRAGT
"Die Anleger wetten auf eine florierende Post-Covid-19 Wirtschaft und kaufen zyklische Aktien", sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. "Die Stimmung am Aktienmarkt ist wieder exzellent." Die neue US-Finanzministerin Janet Yellen sei der Furcht vor zu stark steigenden Preisen entschieden entgegen getreten.
Von den nachgebenden Renditen profitierte auch die Technologiebranche. Der Future auf den Technologie-Index Nasdaq stieg mehr als zwei Prozent. Elektroautobauer Tesla beendete eine fünftägige Verluststrecke und legte vor US-Börsenstart sechs Prozent zu. Steigende Anleiherenditen erhöhen die Finanzierungskosten sowohl für Staaten als auch Unternehmen. Das hatte vor allem Technologietitel zuletzt hart getroffen.
Vor allem die Geschwindigkeit des Rendite-Anstiegs sei problematisch gewesen, sagte Nick Nelson, Leiter der europäischen Aktienstrategie bei UBS. "Der europäische Markt ist viel weniger technologielastig als der S&P 500, viel weniger wachstumsdominiert, so dass höhere Anleiherenditen nicht so negativ sind."
BERGBAUWERTE UNTER DRUCK
Zu den Kursgewinnern in Europa gehörten vor allem Öl- und Versorgungsunternehmen. Bergbauwerte gaben dagegen rund zwei Prozent nach, nachdem Umweltauflagen in Chinas führender stahlproduzierender Stadt Tangshan den Preis für Eisenerz drückten. Der chinesische Terminkontrakt fiel um das Tageslimit von zehn Prozent auf 1031,50 Yuan (158 Dollar) je Tonne. Die Behörden erließen mehrere Notfallmaßnahmen, um die starke Umweltverschmutzung nach den Feiertagen des Mondneujahrs anzugehen, teilte der chinesische Datenanbieter SMM mit.
Bei den Einzelwerten stand der Autozulieferer Continental im Fokus. Die Aktien des durch einen Konzernumbau stark belasteten Konzerns brachen mehr als sieben Prozent ein und waren damit größter Verlierer im Dax. Anleger waren vor allem vom Ausblick enttäuscht. Conti rechnet damit, dass der Engpass bei Computerchips noch eine Weile anhalten wird und dies vor allem im ersten Quartal spürbar ist.
rtr