Genährt wurden die Spekulationen durch die Entscheidung der australischen Notenbank, den Schlüsselsatz auf ein Rekordtief zu senken. "Der Markt fordert niedrigere Zinsen als Schutz gegen etwaige konjunkturelle Schwäche", sagte Commerzbank-Analystin Antje Praefcke. "Damit steigt auch der Druck auf die Fed, die Zinsen zu senken." Ein führender US-Notenbanker sprach sich bereits für eine baldige Lockerung der Geldpolitik aus.

Die große Frage sei, ob sich die Europäische Zentralbank (EZB) dem Trend anschließe, sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. "Tut sie das, müsste sie die Zinsen in der Eurozone tief in den negativen Bereich befördern." Für die EZB-Sitzung am Donnerstag halten Börsianer eine Zinssenkung für ausgeschlossen. Angesichts der geringen Inflation werde die Notenbank ihre geplanten Billig-Kredite für Geschäftsbanken aber wohl zu sehr günstigen Konditionen vergeben, sagte Thomas Gitzel, Chef-Volkswirt der VP Bank. "Das dürfte vor allem die italienischen Banken freuen. Letztere zählen zu den Hauptprofiteuren der EZB-Geldspritzen."

Der italienische Bankenindex gewann am Dienstag 2,2 Prozent. Die Finanzwerte profitierten Börsianern zufolge außerdem von den jüngsten Aussagen des Ministerpräsidenten Giuseppe Conte. Der parteilose Regierungschef bekannte sich zur Einhaltung der EU-Haushaltsregeln. Außerdem drohte er mit Rücktritt, sollte die Regierungskoalition von Lega und Fünf-Sterne-Bewegung ihren Streit nicht beilegen. Auch bei italienischen Anleihen griffen Investoren zu und drückten die Rendite der zehnjährigen Titel von 2,574 auf 2,48 Prozent.

KEINE LÖSUNG IM HANDELSSTREIT - TECH-WERTE IM BLICK


Eine baldige Lösung im Streit zwischen den USA und China ist nach Einschätzung von Volkswirt Florian Hense von der Berenberg Bank nicht in Sicht. "US-Präsident Donald Trump schürt die Spannungen und benutzt Strafzölle, um nicht-wirtschaftliche Ziele durchzusetzen. Das ist besorgniserregend." Die Furcht der Anleger vor den Folgen dieser Konflikte für die Weltwirtschaft drückte den Preis für die Rohöl-Sorte Brent 1,3 Prozent ins Minus auf 60,50 Dollar je Barrel. Die "Antikrisen-Währung" Gold war mit 1328,98 Dollar je Feinunze dagegen zeitweise so teuer wie zuletzt vor drei Monaten.

Kopfzerbrechen bereiteten Investoren auch drohende Kartell-Ermittlungen in den USA gegen Internet-Firmen wie Facebook oder Google. Die Aktien von Amazon, Facebook und der Google-Mutter Alphabet, die am Montag bis zu 7,5 Prozent verloren hatten, stabilisierten sich vorbörslich am Dienstag. "Die Rally an der Wall Street wurde in den vergangenen Monaten vor allem von den Technologie-Firmen angetrieben", sagte Marktanalyst Milan Cutkovic vom Brokerhaus AxiTrader. "Addiert man diesen Unsicherheitsfaktor nun noch zu der so schon langen Liste an Risiken für die Aktienmärkte, kommt die Nachricht zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt."

Zu Spitzengruppe der ersten deutschen Börsenliga gehörten mit einem Kursplus von bis zu 5,1 Prozent die Chemiefirmen BASF und Covestro sowie der Industriekonzern Thyssenkrupp. Anleger nutzten Börsianern zufolge vorangegangene Kursverluste zum Einstieg. Diese Werte hätten besonders stark unter den Konjunktursorgen der letzten Wochen gelitten.

rtr