"Sollte es zu einem zweiten Lockdown kommen, dürften Anleger früher oder später das Handtuch werfen." Dax und EuroStoxx50 stiegen am Freitag jeweils rund ein Prozent auf 12.831 beziehungsweise 3228 Punkte, nachdem sie am Donnerstag 2,5 Prozent verloren hatten. Damit steuern sie aber immer noch auf einen Wochenverlust von etwa 1,5 Prozent zu. In den USA signalisierten die Futures ebenfalls einen festeren Handelsauftakt.
In der Corona-Pandemie sorgten Berichte aus der Medizin für Gesprächsstoff: Das deutsche Biotechunternehmen BioNTech und sein US-Partner Pfizer kündigten an, bei positiven Studienergebnissen Ende November eine Notfallgenehmigung für ihren Corona-Impfstoff beantragen zu wollen. Ende Oktober könnten die beiden Partner wissen, ob der Impfstoff wirke, in der dritten Novemberwoche könnten ausreichend Sicherheitsdaten für einen Zulassungsantrag vorliegen. BioNTech-Aktien legten in Frankfurt sechs Prozent zu. Ein Impfstoff gilt als wichtiger Baustein, um das öffentliche und soziale Leben wieder voll hochfahren zu können und so auch die Wirtschaft in Schwung zu bekommen.
Bei Medikamenten für die Behandlung von Covid-19-Patienten gab es derweil einen Dämpfer. So hat das Mittel Remdesivir des US-Unternehmens Gilead einer WHO-Studie zufolge keinen substanziellen Einfluss auf die Gesundung der Patienten. "Es ist ein Tauziehen zwischen den Risiken wie der Pandemie, der US-Wahl und dem Brexit und gleichzeitig der Hoffnung, dass diese Risiken binnen Wochen oder Monaten verschwinden", sagte Emmanuel Cau, Chefstratege für Europa bei Barclays.
Der britische Premierminister Boris Johnson schwor sein Land unterdessen auf einen harten Brexit ohne Freihandelsabkommen ein. Es werde wohl auf eine Situation wie in den Handelsbeziehungen zu Australien hinauslaufen, sagte er in London. Diese sind auf einfache Grundprinzipien für den gegenseitigen Warenaustausch beschränkt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, ein Abkommen sei im beiderseitigen Interesse, man müsse aber einen harten Brexit mitdenken. Am Devisenmarkt wurde das nicht gut aufgenommen: Das Pfund sackte um 0,4 Prozent auf 1,2861 Dollar beziehungsweise 1,0974 Euro ab.
SICHERE HÄFEN GEFRAGT
Vor diesem Hintergrund blieben "sichere Häfen" wie Bundesanleihen beliebt. Dadurch hielt sich die Rendite der zehnjährigen Titel mit minus 0,637 Prozent nahe ihres jüngsten Sieben-Monats-Tiefs. Die "Antikrisen-Währung" Gold verteuerte sich auf 1913,61 Dollar je Feinunze.
LIBERTY STEEL GREIFT NACH THYSSEN-STAHLSPARTE
Bei den Unternehmen stach Thyssenkrupp mit einem Kursplus von zeitweise fast 25 Prozent heraus. Liberty Steel legte ein unverbindliches Angebot für die schwächelnde Stahlsparte des Industriekonzerns vor. Eine Summe nannte das britische Unternehmen zunächst nicht. "Das wäre faktisch die Zerschlagung von Thyssenkrupp", kommentierte ein Börsianer. Die anderen Geschäftsbereiche wie das Aufzugsgeschäft seien entweder schon verkauft oder stünden davor.
Gefragt waren auch Papiere von Daimler, die sich um bis zu 5,5 Prozent verteuerten. "Nach dem katastrophalen zweiten Quartal hat Daimler in die Gewinnspur zurückgefunden", schrieb NordLB-Analyst Frank Schwope. "Auch auf Jahressicht sollte der Konzern noch deutlich schwarze Zahlen schreiben, sofern Corona dem nicht erneut in die Quere kommt." In dieses Bild passte der erste Anstieg der europäischen Pkw-Zulassungen im laufenden Jahr. Diese Faktoren verhalfen den deutschen Daimler-Rivalen BMW und Volkswagen zu Kursgewinnen von jeweils mehr als ein Prozent. Der Index der europäischen Automobilbranche gewann sogar 3,2 Prozent.
rtr