Eine Beruhigung ist vorerst nicht in Sicht. "Die Investoren versuchen, sich auf das Schlimmste einzustellen", sagte John Lau, Aktienexperte beim Finanzdienstleister SEI Investments. "Das sind höchst unsichere Zeiten, keiner kennt die Antwort und die Märkte sind in Panik."

Der Dax lag am Freitagnachmittag 3,6 Prozent im Minus bei 11.938 Punkten - zwischenzeitlich hatte er noch rund 200 Stellen tiefer gelegen. Der EuroStoxx50 verlor 3,2 Prozent auf 3344 Zähler. Seit Wochenauftakt haben beide Barometer etwa zwölf Prozent an Wert verloren. "Innerhalb weniger Tage wurden die Kursgewinne der vergangenen Wochen und Monate pulverisiert", sagte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG. Vor eineinhalb Wochen hatte der Dax mit 13.795 Zählern noch ein Rekordhoch markiert.

Auch in den USA dürften sich die Verluste fortsetzen. Die Futures signalisierten einen schwächeren Handelsauftakt , lagen aber ebenfalls über ihren Tagestiefs. Am Donnerstag war der Dow um 4,4 Prozent eingebrochen, das ist der größte Rückgang in seiner Geschichte.

"Die Börse preist gerade einen Tsunami an Gewinnwarnungen aus den Unternehmen ein", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. Kurzfristig könne es noch weiter nach unten gehen, schrieben die Experten der Helaba. Die Sorglosigkeit der vergangenen Wochen sei in Panik umgeschlagen. Für mittelfristig orientierte Anleger böten die derzeitigen Kursrückgänge aber die Gelegenheit, wieder Positionen aufzubauen. "Es ist verlockend anzunehmen, dass mit dem wärmeren Wetter und der abnehmenden Virus-Angst die Märkte zur Normalität zurückkehren", sagte Mark Dowding, Chefinvestor bei der Fondsgesellschaft BlueBay. "Die Panik kann noch für einige Zeit anhalten, aber das Comeback der Wirtschaft könnte stark ausfallen, wenn genau mit dem Frühling auch die unterstützenden Maßnahmen der Politik greifen."

GELDSPRITZEN ALS HEILMITTEL FÜR CORONAVIRUS-FOLGEN Dabei hoffen die Anleger auch auf die Notenbanken als Retter in der Not. "Die Märkte preisen nun mindestens zwei Zinssenkungen der Fed ein", sagte Seema Shah, Chef-Anlagestrategin des Vermögensverwalters Principal Global Investors. Einige Börsianer halten schon im März einen Schritt nach unten für möglich. Das spiegelte sich auch im Dollar-Kurs wider: Zu einem Währungskorb fiel der Greenback auf den niedrigsten Stand seit gut drei Wochen.

ROHSTOFFE UNTER DRUCK - STAATSANLEIHEN GEFRAGT


Am Rohstoffmarkt dominierten aber Sorgen vor einer schwindenden Nachfrage, weil wegen des Coronavirus Reisen gestrichen werden und Fabriken stillstehen. Der Preis für die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee fiel um bis zu 4,1 Prozent und war mit 50,05 Dollar je Barrel (159 Liter) so niedrig wie zuletzt vor mehr als einem Jahr. Das wichtige Industriemetall Kupfer verbilligte sich um 1,1 Prozent auf 5552 Dollar je Tonne. Auch der Goldpreis gab nach und kostete mit 1620,31 Dollar je Feinunze 1,3 Prozent weniger. Börsianer sprachen von Gewinnmitnahmen bei dem Edelmetall, das üblicherweise besonders in Krisenzeiten gefragt ist.

Stattdessen flüchteten Anleger in andere "sichere Häfen" wie Staatsanleihen. Dies drückte die Rendite der zehnjährigen US-Bonds auf bis zu 1,155 Prozent. Das ist der fünfte Tag in Folge mit einem Rekordtief. Ihre deutschen Pendants rentieren mit minus 0,621 Prozent auf einem Fünf-Monats-Tief.

FLUGGESELLSCHAFTEN LEIDEN


Zu den Hauptleidtragenden der Coronavirus-Epidemie gehören wegen zahlreicher Reisebeschränkungen und abgesagter Groß-Ereignisse die Airlines. Der Branchenindex brach binnen Wochenfrist zeitweise um rund 19 Prozent ein, das ist der größte Wochenverlust seit 2001, als der Anschlag auf das World Trade Center die Welt in erschütterte. Zahlreiche Firmen wie die British Airways-Mutter IAG und der Billig-Flieger EasyJet stemmen sich mit Sparprogrammen gegen die Virus-Folgen. Ihre Aktien brachen dennoch um bis zu 9,7 Prozent ein.

In die Unternehmen, die vor den Folgen der Epidemie für das eigene Geschäft warnten, reihte sich BASF ein. Der Ausblick des weltgrößten Chemiekonzerns impliziere, dass die Markterwartungen für den operativen Gewinn 2020 etwa zehn Prozent zu hoch seien, schrieb Analyst Markus Mayer von der Baader Helvea Bank. BASF-Aktien fielen um bis zu 5,4 Prozent und waren mit 52,80 Euro so billig wie zuletzt vor fast acht Jahren.

Aufwärts ging es dagegen für Unternehmen, die von der Gesundheitskrise profitieren dürften - wie dem Atemschutzmasken-Hersteller Drägerwerk oder den Anbieter von Homeoffice-Lösungen Teamviewer. Ihre Papiere legten um gut neun beziehungsweise knapp drei Prozent zu.

rtr