Fundstrat-Stratege Tom Lee sieht die nächste Rallye-Stufe nicht durch Daten getrieben – sondern durch FOMO. Der S&P 500 könnte bis auf 6800 steigen.

Die Märkte laufen wieder einmal weiter als man denkt. Exakt drei Monate nach den Jahrestiefs im April hat der S&P 500 eine seiner spektakulärsten Erholungen aller Zeiten hinlegt und notiert aktuell nur wenige Punkte von Allzeithochs entfernt.

Fundstrat-Stratege Tom Lee nennt das aktuelle Marktgeschehen die „meistgehasste V-förmige Erholung aller Zeiten“. Viele institutionelle Investoren, aber auch Privatanleger hätten den Bounce seit den April-Tiefs verpasst – aus Angst vor Rezession, Zinsen oder geopolitischen Schocks. 

Jetzt drohe eine klassische Buy-in-Welle aus purer Verzweiflung, wie Lee gegenüber CNBC erklärt. Wer nicht dabei ist, verliert relative Performance – und damit Mandate, Boni und Glaubwürdigkeit.

FOMO wird zum Kurstreiber 

„Wir sprechen täglich mit Hedgefonds und vermögenden Anlegern – viele haben den Aufschwung nicht mitgemacht. Sie sind skeptisch, aber zunehmend nervös“, so Lee. „Der Markt zwingt sie zum Umdenken.“ Im Unterschied zu Retail-Anlegern, die Verluste oft aussitzen, stehen institutionelle Investoren unter massivem Druck: Wer bei Allzeithochs nicht investiert ist, riskiert, als „Bär im Bullenmarkt“ enttarnt zu werden. 

Lee: „Sobald der Markt neue Höchststände markiert, wird FOMO zur Pflicht. Man darf nicht zurückbleiben.“ Die „Fear of Missing Out“ (kurz FOMO) – die Sorge, etwas zu verpassen – , ist zurück und laut dem Fundstrat-Strategen nun der zentrale Antrieb für den nächsten Schub an den Aktienmärkten. „Die nächste Phase der Rallye wird vom FOMO-Trade getragen“, so Lee.

"Institutionelle Anleger keine Ausrede mehr, außen vor zu bleiben"

„Wenn der Markt ein neues Allzeithoch erreicht, haben institutionelle Anleger keine Ausrede mehr, außen vor zu bleiben“, erklärt Lee. „Sie müssen dann Risiken eingehen – ob sie wollen oder nicht.“  Der Effekt sei laut Lee rein psychologisch – aber extrem mächtig. 

„Es ist eine reine Umdeutung der Lage. Der Markt ist nur 5  Prozent im Plus – aber wenn man an Zinssenkungen glaubt, an ein Nachlassen der Zollrisiken und an steigende Multiples, dann gibt es viele gute Gründe, jetzt einzusteigen.“ Entsprechend sieht der viel zitierte Star-Analyst in den anhaltenden Kurszuwächsen keine irrationale Euphorie, sondern einen rationalen Reflex auf verpasste Performance. 

Nachholbedarf bei Finanzaktien, Industriewerte und Zyklikern

Hinzu komme: Viele Sektoren außerhalb von Tech hätten Nachholpotenzial. Industriewerte, Finanzaktien und Zykliker könnten im Zuge einer breiter werdenden Rallye besonders profitieren – gerade weil sie bisher kaum zur Performance beigetragen haben.

Für Tom Lee ist klar: Die nächste Etappe der Marktbewegung wird nicht primär durch bessere Makrodaten oder stark steigende Gewinne getrieben. Sie wird von einem psychologischen Kipppunkt getragen: nämlich der Angst, etwas zu verpassen, die stärker werde  als die Angst vor einem Einbruch. Diese Zwangsdynamik könne den S&P 500 in diesem Jahr noch auf 6800 Punkte hieven.

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Infront S&P 500 (WKN: A0AET0)

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