Der umstrittene DAX-Finanzkonzern Wirecard hat Details seines für Anfang 2020 geplanten digitalen Girokontos genannt. Giro-Guthaben auf der erst vor Kurzem gestarteten Banking-App "Boon Planet" werden demnach mit 0,75 Prozent verzinst - ein im Umfeld von Negativ- und Minizinsen spektakulär erscheinendes Angebot, mit dem Wirecard nach eigenen Angaben seine Privatkundenbasis massiv ausbauen will. Zinsen auf Girokonten sind normalerweise unüblich, selbst Tages- und Festgeldguthaben werden wenn überhaupt nur noch im Zehntelprozent-Bereich verzinst, und viele Banken verlangen für größere Einlagen inzwischen sogar Strafzinsen.
Basierend auf dem Girokonto hat der Zahlungsabwickler aus Aschheim bei München aber noch weitere Pläne im Privatkunden-Bankgeschäft. "Das Angebot wird im Jahresverlauf um zusätzliche Anlagemöglichkeiten erweitert", heißt es bei Wirecard. Der DAX-Konzern ist schwerpunktmäßig in der digitalen Zahlungsabwicklung zwischen Händlern und Banken tätig, verfügt aber seit 2005 auch über eine Banklizenz.
Die Einlagen auf dem "Boon Planet"-Girokonto unterliegen laut Wirecard der europäischen Einlagensicherung, sind demnach also bis zu einem Wert von 100000 Euro pro Kunde und Sparer durch den jeweiligen nationalen Einlagensicherungsfonds abgesichert.
"Boon Planet" baut auf der bereits im Markt etablierten Bezahl-App "Boon" auf und erweitert diese um Bankfunktionen. Das Girokonto, das sich innerhalb von fünf Minuten einrichten lasse, könne auf der App kostenlos und mit unbegrenzter Laufzeit geführt werden, heißt es. Weitere Dienstleistungen wie Sparpläne und andere Anlageprodukte, Versicherungen oder Mobilitätsfunktionen sollen hinzukommen. Der Dienst soll zunächst in Deutschland, später in Europa und dann weltweit angeboten werden. Laut Wirecard soll er auch Unternehmenskunden zur Verfügung gestellt werden, die den Service unter ihrer eigenen Marke anbieten könnten.
Wirecard will "hunderte Millionen Bankkunden" gewinnen
"Auf dieser Basis rechnet Wirecard damit, in den kommenden Jahren hunderte Millionen Bankkunden zu gewinnen". Man glaube, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um zu zeigen, was technisch möglich ist, erläuterte Wirecard-Finanzvorstand Alexander von Knoop gegenüber boerse-online.de. "Der Markt für digitale Zahlungen und Banking steht immer noch ganz am Anfang und hat sehr viel Potenzial", so von Knoop.
Wirecard hatte zuletzt positive Geschäftszahlen für das dritte Quartal veröffentlicht und neue Rekordzahlen bei Umsatz und Ergebnis für 2019 und 2020 in Aussicht gestellt. Allerdings musste sich der DAX-Konzern seit Jahresbeginn gegen heftige Vorwürfe zur Wehr setzen. Die "Financial Times" hatte dem Unternehmen mehrfach Bilanzfälschung und manipulierte Geschäftszahlen vorgeworfen, was jeweils zu massiven Kurseinbrüchen geführt hat. Wirecard wies die Vorwürfe zurück und vermutet dahinter sogenannte Leerverkaufsattacken.Das Unternehmen hat nach langem Hin und Her vor Kurzem eine externe Sonderprüfung durch die Wirtschaftsprüfer der KPMG zugelassen, um die Vorwürfe aufzuklären.