Februar 2002: Der damalige Bankchef Rolf Breuer äußert sich in einem Interview zur Kreditwürdigkeit Kirchs: "Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen."
April 2002: Insolvenz der Kirch-Gruppe - sofort beginnt der Streit über die Ursache. Aus Kirchs Sicht haben ihm die Banken wegen Breuers Interview den Geldhahn zugedreht: "Erschossen hat mich der Rolf." Nach Lesart der Deutschen Bank hat Breuer sich nur auf Bekanntes berufen. Die Insolvenz sei auf unternehmerische Fehler zurückzuführen. Kirch überzieht die Bank jahrelang mit Prozessen.
März 2011: Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht München tritt der schwerkranke Kirch letztmals öffentlich auf. Der 84-Jährige sitzt im Rollstuhl, ist erblindet und kann kaum noch sprechen. Eine Stunde lang versucht er, Breuer eine Schuld nachzuweisen. Dann erklärt ihn sein Arzt für vernehmungsunfähig.
Frühjahr/Sommer 2011: Das Oberlandesgericht erklärt, dass es der Deutschen Bank im Schadenersatzprozess nicht glaubt. Das Misstrauen richtet sich zunächst gegen die Spitzenmanager Breuer, Josef Ackermann, Clemens Börsig und Tessen von Heydebreck, später auch gegen Jürgen Fitschen. Daraufhin beginnt die Staatsanwaltschaft wegen versuchten Betrugs zu ermitteln.
Juli 2011: Leo Kirch stirbt im Alter von 84 Jahren. Er hat alles in die Wege geleitet, damit seine Erben die Forderungen gegen die Deutsche Bank weiterverfolgen können.
Dezember 2011: Ein erster Betrugsprozess gegen Breuer wird gegen eine Geldauflage von 350.000 Euro eingestellt. Damit gilt Breuer als unschuldig. Er war angeklagt, vor Gericht gelogen zu haben, um Kirchs Schadenersatzforderungen abzublocken.
Februar/März 2012: Vertreter der Deutschen Bank und der Kirch-Erben handeln einen Vergleich aus. Die Bank soll gut 800 Millionen Euro auf den Tisch legen, um den Streit beizulegen. Doch der Vorstand macht einen Rückzieher.
Dezember 2012: Das Oberlandesgericht München verurteilt die Bank zu Schadenersatz an Kirchs Erben. Wie viel, soll ein Gutachter klären. Richter Guido Kotschy schätzt den Schaden auf 120 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro. Wenige Tage später durchsucht die Staatsanwaltschaft die Bank-Zentrale. Hintergrund sind weitere Ermittlungen wegen versuchten Prozessbetrugs.
April 2013: Die Deutsche Bank muss auf Betreiben der Kirch-Erben ihre Hauptversammlung wiederholen. Sie nutzen das Aktionärstreffen seit Jahren für einen Schlagabtausch mit dem Management und fechten die Beschlüsse dann vor Gericht an.
Februar 2014: Der Schadenersatzstreit wird mit einem neuen, noch teureren Vergleich beigelegt: Die Deutsche Bank zahlt 928 Millionen Euro an die Kirch-Erben, die ihre Klagen zurücknehmen.
März 2014: Die strafrechtlichen Ermittlungen ziehen immer weitere Kreise: Staatsanwälte durchsuchen im Fall Kirch erneut die Bank und eine ihrer Anwaltskanzleien. Ins Visier geraten nun auch Vorstand Stephan Leithner und mehrere Rechtsanwälte.
August/September 2014: Die Staatsanwaltschaft München klagt Fitschen, Breuer, Ackermann, Börsig und von Heydebreck wegen versuchten schweren Prozessbetrugs an, wie die "Süddeutsche Zeitung" und Reuters zuerst berichten. Die Justiz bestätigt die Anklage einige Wochen später.
28. April 2015: Der Prozess gegen die fünf Banker beginnt. Die Staatsanwälte präsentieren eine 627 Seiten dicke Anklageschrift. Als Beweise haben sie zehn Terabyte an Computerdateien gesammelt. "Das entspricht einem Güterzug voll Akten", staunt Richter Peter Noll.
5. Mai 2015: Im Prozess wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen nochmals ausgedehnt hat. Neben den fünf Angeklagten, Vorstand Leithner und Ex-Vorstand Michael Cohrs verfolgt sie nun auch Ex-Vorstand Hermann-Josef Lamberti. Zugleich dauern die Ermittlungen gegen mehrere Juristen und Ex-Bertelsmann -Chef Thomas Middelhoff an, der im Kirch-Prozess als Zeuge ausgesagt hatte.
21. Juli 2015: Richter Noll äußert Skepsis an der Anklage. "Eine Verurteilung kommt überhaupt nur in Betracht, wenn kein vernünftiger Zweifel an der Schuld besteht." In den folgenden Monaten fordert er wiederholt stichhaltige Beweise von der Staatsanwaltschaft. Sie bietet immer neue Zeugen auf, sodass sich der Prozess hinzieht. Doch keiner bestätigt die Vorwürfe.
31. März 2016: Breuer zahlt 3,2 Millionen Euro aus seinem Privatvermögen an die Deutsche Bank und beteiligt sich damit an dem Kirch-Vergleich von 2014, wie das Institut bekanntgibt. Breuers Haftpflichtversicherung zahlt rund 90 Millionen Euro.
12. April 2016: Als die Staatsanwaltschaft kurz vor den Plädoyers eine neuerliche Durchsuchung der Bank beantragt, verliert Richter Noll die Geduld. Für eine solche Maßnahme gebe es keinen Grund, verfügt er und zerpflückt die Anklage noch vor dem Urteil. Es fehle schlichtweg am Verdacht einer Straftat, wie die Beweisaufnahme ergeben habe.
25. April 2016: Das Landgericht München spricht Fitschen, Ackermann, Breuer, Börsig und von Heydebreck vom Vorwurf des versuchten Prozessbetrugs frei.
Reuters